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5.

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Tatona erwachte aus ihrer Paralyse erst gegen Abend dieses Tages. Sie brauchte auch noch eine Weile, bevor sie wieder wirklich klar im Kopf und Herr über ihre Glieder war.

Eine Eigenart des Giftes bestand jedoch darin, daß sie zwar während seiner Wirkung unfähig war sich zu rühren oder sonstige Aktivitäten zu entfalten, daß sie aber ähnlich wie eine Scheintote dennoch alles in sich aufnahm, was um sie herum geschah. Und so wußte sie auch, was sich ereignet hatte, seitdem das Gift des Schlangenringes in ihren Körper eingedrungen war.

Mehr und mehr brannte ihr jetzt die Zeit unter den Nägeln. Die Black Queen und ihre Kerle wußten irgend etwas – aber was? Auf jeden Fall drohte der Schlangeninsel von der Black Queen Gefahr. Sie mußte es irgendwie schaffen, Hilfe herbeizuholen, oder Arkana und alle Schlangenkriegerinnen waren verloren.

Ohne einen genauen Plan zu haben, ohne jede Vorstellung zunächst, wie sie die Flucht von dieser Insel überhaupt bewerkstelligen sollte, begann Tatona, ihre Fesseln zu überprüfen. Sie tat das sehr sorgfältig – und ihr fuhr ein freudiger Schreck durch die Glieder, als sie spürte, daß sich die Handfesseln zwar unter großen Mühen, aber eben doch weiter und weiter lockern ließen.

Tatona blickte sich vorsichtig um. Die Piraten saßen weiter hinten am Feuer. Wie üblich ließen sie die Becher kreisen. Diese Kerle hatten scheinbar nichts anderes zu tun, als zu saufen. Als Tatona daran dachte, was ihnen bestimmt noch mehr Spaß gemacht hätte, als zu saufen, spürte sie sofort die Gänsehaut, die ihren Körper überlief.

So sehr sie alle Zärtlichkeiten Karl von Huttens genoß, die er ihr schenkte, so unvorstellbar war für Tatona, daß irgend jemand es wagen könnte, sich von ihr mit Gewalt zu nehmen, was sie freiwillig zu geben nicht bereit war.

Noch immer dachte sie mit Grauen an jene Galeone voller junger Schlangenkriegerinnen, über die die Spanier nahe der Insel Mocha einst hergefallen waren, und auch daran, was diese Bestien mit den jungen Mädchen angestellt hatten. Die Spanier hatten bezahlt – von ihnen lebte keiner mehr. Aber die jungen Kriegerinnen auch nicht, sie waren schlimmer gestorben, als Tatona sich das vorzustellen vermochte.

Nein – sie mußte Hilfe herbeiholen, so schnell wie möglich. Vielleicht suchte man bereits nach ihnen, denn auf der Schlangeninsel wußte man bestimmt, in welch ein Unwetter sie mit der alten Galeone geraten waren. Doch, man suchte sie bestimmt – es würde also ein Schiff bereits unterwegs sein und das Gebiet um die Caicos-Inseln absuchen. Denn Arkana hatte gesagt, daß sie dorthin segeln wollten, schon, um sich Coral Island anzusehen, die künftige Plantageninsel, die der Seewolf ausfindig gemacht hatte.

Der Seewolf! Tatona dachte in diesem Augenblick an ihn. Sie mochte diesen großen dunkelhaarigen Mann mit den eisgrauen Augen, der der Vater Arauas war. Wo mochte er sein? Irgendwo weit im Süden des neuen Kontinents, denn er suchte ja nach einem geeigneten Indianerstamm, den man nach Coral Island umsiedeln konnte, um so die Versorgungsprobleme der Schlangeninsel zu lösen. Die Indianer würden frei sein, wie es die Araukaner waren, sie würden Partner der Bewohner der Schlangeninsel sein und unter ihrem Schutz gegen jeden Feind stehen.

Tatona schüttelte unwillig den Kopf. Keine Zeit, jetzt an all dies zu denken. Verbissen arbeitete sie weiter – und dann mußte sie plötzlich aufhören, denn Schritte näherten sich aus dem Dunkel.

Caligula und die Queen kamen auf sie zu. Caligula warf Tatona einen Blick zu. Dann bückte er sich und riß an ihren Beinfesseln.

„Pest, Queen. Mit der beschäftigen wir uns morgen weiter. Heute werden wir erstmal unseren Sieg feiern.“

Er versetzte Tatona noch einen Tritt in die Seite und dann tat er, als wollte er weitergehen. Doch plötzlich blieb er nochmal stehen.

„Was ist mit dem Boot für morgen früh, Queen? Ist es fertig ausgerüstet? Ich muß frühzeitig hinüber zur anderen Bucht, du weißt ja …“

„Es ist fertig. Es liegt fix und fertig vertäut beim Wrack da unten, und dort liegt es gut. Aber ich will, daß die Fesseln der anderen Gefangenen auch noch kontrolliert werden. Besonders die dieser Arkana, sie ist die gefährlichste von allen. Komm, die hier, die nehmen wir uns gleich selber nochmal vor!“

Caligula und die Queen untersuchten die Fesseln der anderen Schlangenkriegerinnen, die gleich Tatona wegen ihrer angeblichen Bewußtlosigkeit in den Sand gebettet worden waren.

„Alles in Ordnung“, sagte Caligula schließlich. „Um die brauchen wir uns bis morgen früh nicht mehr zu kümmern. Also los dann, untersuchen wir jetzt auch die anderen, und dann nichts wie ans Feuer, oder diese verdammten Kerle saufen uns den Wein aus!“

Die Queen und Caligula entfernten sich. Tatona atmete auf – aber sie sah nicht, daß Caligula sich nach einer Weile wieder vom Feuer entfernte.

Arkanas Unterführerin und Kommandantin der Tempelgarde arbeitete jetzt rasch. Die Fesseln schnitten tief in ihre Haut – aber dann hatte sie es geschafft. Sie konnte erst die eine, dann die andere Hand herausziehen. Alles andere war das Werk eines Augenblicks.

Als auch die Beinfesseln gelöst waren, blieb sie still liegen und wartete. Aber es rührte sich nichts, nur am Feuer grölten die Piraten. Tatona hoffte inständig, daß diese Piratenbrut nicht doch noch irgendwann damit beginnen würde, sich an den Kriegerinnen zu vergreifen. Und allein bei diesem Gedanken knirschte sie schon mit den Zähnen.

Ein Boot hatten sie also am Wrack liegen! Ausgezeichnet, denn dort war es stockfinster, besser hätte es gar nicht sein können.

Tatona überlegte. Wie groß war das Boot – konnte sie es allein segeln? Nein, das war zu unsicher, und so beschloß sie, auch die Schlangenkriegerinnen zu befreien, die unweit von ihr auf dem Sand lagen.

Vorsichtig, Stück um Stück, kroch sie über den Sand. Dann hatte sie die erste der Kriegerinnen erreicht. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sie deren Fesseln gelöst hatte. Sofort kroch Tatona zurück, denn Naurana würde die nächste befreien, und die dann wieder ihre Nachbarin. So war es am unauffälligsten. Anschließend würden sie auch nicht alle zusammen verschwinden, sondern ebenfalls einzeln. Tatona fiel dabei die Aufgabe zu, das Boot vom Wrack zu lösen, es auf die Bucht hinauszupaddeln oder zu rudern. Die anderen würden das Boot dann schwimmend erreichen.

Tatona warf einen Blick in die Richtung, in der sie Arkana wußte – und sie erschrak. Vor Arkanas Palme, an die man sie gefesselt hatte, brannte ein Feuer, und eine Wache saß an diesem Feuer. Sie konnte also Arkana nicht einmal verständigen, ohne ihre Flucht zu gefährden.

Tatona handelte. Sie kroch zum Wasser hinab, und gleich darauf war sie verschwunden. Dann schwamm sie in die Richtung, in der sie das Wrack der „Mocha II.“ wußte, und sie erreichte es schon nach kurzer Zeit. Und wie die Black Queen behauptet hatte, lag dort ein Boot. Aber ein freudiger Schreck durchzuckte Tatona – denn dieses Boot war ein Langboot mit Auslegern, wie es die Eingeborenen der Karibik benutzten. Sogar ein Segel befand sich an Bord und Paddel. Außerdem ein Wasserfäßchen, das bei sparsamen Gebrauch sogar mehrere Tage reichen konnte.

Tatona löste das Boot, dann paddelte sie es behutsam auf die im Dunkeln daliegende Bucht hinaus. Sie hütete sich dabei, irgendwo in den Schein der am Strand brennenden Feuer zu geraten. Danach wartete sie, und es dauerte nicht lange, bis ihre Kriegerinnen eintrafen, eine nach der anderen. Vier insgesamt.

Sofort begannen die Schlangenkriegerinnen zu paddeln. So gelangten sie aus der Bucht. Aber sie ahnten nicht, daß ihre Flucht von Caligula beobachtet worden war.

Der Mond war aufgegangen, als Tatona das offene Meer erreicht hatte, und sie atmete auf. Viel später hätten sie ihre Flucht nicht mehr bewerkstelligen können, dann nämlich hätte der Mond schon über den Felsen gestanden, die die Bucht umgaben. Sein bleicher Schein wäre an ihnen zum Verräter geworden.

Caligula ließ sie aus der Bucht paddeln. Erst als sie hinter dem Felsvorsprung verschwunden waren, gab auch er das Kommando zum Ablegen. Die große Galeone der Black Queen, die über zwei übereinander liegende Geschützdecks verfügte und die den Namen „Caribian Queen“ trug, blieb hinter ihnen zurück.

Caligula grinste. Nein, diese Schlangenkriegerinnen würden ihn nicht entdecken. Denn sein Boot war pechschwarz gestrichen, und es hatte ein ebensolches Segel. Es würde mit der Nacht verschmelzen, während das, in dem die Schlangenkriegerinnen flohen, von heller Farbe war. Außerdem hoffte Caligula, daß Tatona irgendwann eine Schiffslaterne setzen würde, um rechtzeitig gesehen zu werden. Denn daß irgend jemand so verrückt sein würde, ihre Verfolgung bei Nacht aufzunehmen, damit brauchte sie nicht zu rechnen. Caligulas Rechnung ging auf – er war ein gerissener, gefährlicher Gegner, der zwar über gewaltige Körperkräfte verfügte und ein Meister aller Waffen war, der aber auch ein Gehirn sein eigen nannte, das bestens funktionierte und das schon manchem Gegner zu seinem Untergang verholfen hatte.

An Bord von „Roter Drache“ verhielten sich die meisten schweigsam. Der große Viermaster der Roten Korsarin segelte auf Südwestkurs dahin, und Vor- wie Großmars waren mit scharfäugigen Ausgucks versehen.

Auf dem Achterdeck befanden sich Siri-Tong, Araua, Mister Boyd, der Erste Offizier, und Mike Wimpole, der dürre Rudergänger. Der Viermaster hatte alles an Segeln gesetzt, was Rahen und Masten zu tragen vermochten. Aber der Viermaster kam trotzdem nicht so rasch voran, wie die ungeduldige Rote Korsarin sich das wünschte. Das große Schiff mußte gegen den fast aus Südwest blasenden Wind immer wieder in langen Schlägen kreuzen. Aber kein Mann der Besatzung murrte bei der Knochenarbeit, die das bedeutete. Alle brannten darauf, Arkana zu finden, der zumindest das Unwetter arg mitgespielt haben mußte. Die Ausläufer, in die sie selbst mit „Roter Drache“ geraten waren, hatten ihnen das gezeigt. Dabei vertrug der große Viermaster Siri-Tongs ganz bestimmt eine Menge mehr als die viel kleinere „Mocha II.“, die zudem auch noch viel älter war.

Jeder Mann an Bord schuftete wie ein Berserker, und die Rote Korsarin war nicht gewillt, auch nur eine einzige Meile unnötig zu verschenken. Sie stand auf dem Achterdeck und kontrollierte jedes der Segelmanöver persönlich. Wo ihr etwas zu langsam ging, griff sie sofort ein, und auch ihrem Rudergänger schaute sie auf die Finger.

Stunde um Stunde verging. Die Nacht verstrich, und als sich der erste, schwache Silberstreif am Westhimmel abzeichnete, der zaghaft verkündete, daß die Nacht sich ihrem Ende näherte und in neuer Tag beginnen würde, atmete mancher an Bord des Viermasters auf. Denn sie hatten es schon oft erlebt, daß sich auch der Wind mit dem neuen Morgen zu drehen begann.

Aber das geschah nicht, und sie mußten weiter und weiter kreuzen, Schlag um Schlag. Längst war Araua aus freien Stücken in den Kreuzmars emporgeentert und von dort weiter bis in den Topp, um so weit wie möglich die See überblicken zu können. Es war eigenartig – eine innere Unruhe hatte sie dazu getrieben.

Die Nacht begann der Morgendämmerung zu weichen – dann plötzlich schienen sie die grünen Augen des Schlangengottes geradewegs aus dem Himmel heraus anzuglühen.

Araua wandte den Kopf – und in diesem Moment entdeckte sie das winzige Boot, dessen Insassen in diesem Moment auch den Viermaster entdeckt haben mußte, denn das Boot änderte den Kurs und hielt direkt auf „Roter Drache“ zu.

Araua geriet in unbeschreibliche Erregung. Der Schlangengott – er schickt uns sein Zeichen! jubelte sie innerlich. Wir werden Arkana finden und ihr helfen, der Schlangengott ist mit uns!

Araua enterte ab, dann stürmte sie auf das Achterdeck.

„Ein Boot, Siri-Tong. Ein Langboot, wie es die Eingeborenen segeln, mit einem Ausleger. Das Zeichen, das uns der Schlangengott versprochen hat. Dort, dort drüben ist es, laß Ruder hart Backbord legen!“

Siri-Tong zog Araua einem ersten Impuls folgend an sich. Aber dann gab sie dem Rudergänger sofort Anweisung, und Mister Boyd scheuchte die Männer an die Brassen. Barba, ihr Erster Steuermann, der die Nacht über auf dem Hauptdeck verbracht und die Segelmänöver geleitet hatte, enterte zum Achterdeck auf. Er war ein Riese von Gestalt, und sein Gesicht war über und über mit Narben bedeckt. Er sah aus wie ein fürchterlicher Schlagetot reinsten Wassers, aber dieser Barba genoß das Vertrauen der Roten Korsarin. Er war ein grundehrlicher Kerl, der sich jederzeit für die Rote Korsarin in Stücke schlagen ließ, bevor er duldete, daß auch nur irgend jemand seine Pfoten nach ihr ausstreckte, ohne daß sie es selber erlaubt hätte.

Darüber hinaus Verfügte Barba aber auch über ein paar Augen, die es an Schärfe mit denen Dan O’Flynns auf der „Isabella IX.“ aufnahmen.

„Ich habe es auch gesehen, Siri-Tong“, sagte er. „Schlangenkriegerinnen befinden sich an Bord, wenn mich nicht alles täuscht, Tatona.“

Die Rote Korsarin, die bestimmt ebenfalls über hervorragende Augen verfügte, blickte Barba nur an. Es war nicht das erstemal, daß dieser Riese sie in Erstaunen versetzte. Aber sie sagte nichts – sie war jedoch gespannt darauf, wie Barba das hatte sehen können, denn die Sonne war noch nicht hoch, über der See lag noch graue Dämmerung.

Barba lächelte, denn er las den Unglauben auf dem Gesicht der Roten Korsarin.

„Sie haben an Bord eine Schiffslaterne entzündet. Sie schwenken sie hin und her, und das gibt genügend Licht für Barbas Augen!“

Die Rote Korsarin eilte zum Schanzkleid, während der große Viermaster nach Backbord herumschwang – und dann sah sie es auch. Das Auslegerboot, das beinahe vor dem Wind herlief und ein großes Dreiecks-Mattensegel gesetzt hatte, näherte sich „Roter Drache“ rasend schnell.

„Tatona – es ist Tatona!“ Araua konnte sich nicht beherrschen. Siri-Tong ließ sie lächelnd gewähren, denn überdeutlich hatte sie gespürt, wie die Sorge um ihre Mutter Araua bedrückt hatte. Aber nicht nur die um ihre Mutter, sondern auch die um alle anderen Schlangenkriegerinnen, die Araua alle seit langem kannte, und die sich oft um sie gekümmert hatten, als sie noch ein Kind war. Die sie vieles gelehrt hatten, als aus dem kleinen Mädchen eine heranwachsende junge Kriegerin wurde. Diese Schlangenkriegerinnen der Tempelwache, das wußte Siri-Tong nur zu gut, lebten miteinander wie eine große Familie, sie hatte genügend Beispiele davon erlebt.

Das Auslegerboot vollführte eine rasche Wendung, dann schor es auch schon längsseits, und eine der Schlangenkriegerinnen fing geschickt die Leine auf, die ihnen von Bord des Viermasters zugeworfen wurde.

Eine Jakobsleiter klatschte die Bordwand herab, dann enterten die fünf Schlangenkriegerinnen auf.

Noch ehe Tatona etwas zu sagen vermochte, war die Rote Korsarin heran. Alle Schlangenkriegerinnen, Tatona ausgenommen, wiesen Brandmale und Peitschenstriemen auf, die noch nicht einmal vernarbt waren.

Das Gesicht Siri-Tongs wurde hart, und auch über Arauas Nasenwurzel gruben sich zwei steile Falten in ihre sonst makellos glatte Haut.

„Man hat euch gefoltert!“ stellte die Rote Korsarin fest, und der Zorn schoß in ihr empor. „Was ist sonst noch geschehen, Tatona?“ fragte sie, und Tatona wußte sofort, worauf Siri-Tong anspielte. Doch sie schüttelte den Kopf.

„Nein, das nicht, Siri-Tong. Sie haben es nicht gewagt, jedenfalls nicht vor unserer Flucht. Arkana hat ihnen ihre Macht demonstriert, und das war ein Schock für sie. Der Black Queen sind vor Schreck fast die Augen aus den Höhlen gequollen, und ich weiß, daß Arkana sie hätte töten können. Aber auch Caligula, ihr Unterführer, hat vor Entsetzen die Augen gerollt. Ich denke, sie haben es nicht wieder versucht. Wenn ja, dann werden sie es büßen. Beim Schlangengott, Rote Korsarin, dann wird unsere Rache sie treffen, alle, ohne jede Ausnahme!“

Siri-Tong störte der Kreis, den ihre Crew um sie und die Schlangenkriegerinnen gebildet hatte, in diesem Moment nicht, obwohl sie dergleichen sonst nicht duldete. Bis auf Barba bestand ihre Crew aus Engländern, die aber inzwischen als solche rein äußerlich gar nicht mehr zu erkennen waren. Siri-Tong hatte diese Männer einst aus der Gewalt El Supremos, des größenwahnsinnigen Herrschers über Bora-Bora, befreit, und die Männer hatten sich entschieden, bei ihr zu bleiben.

Siri-Tong war einen Schritt zurückgetreten.

„Black Queen, Caligula? Hast du eben diese Namen genannt, Tatona?“ vergewisserte sie sich.

Tatona nickte, dann beschrieb sie die beiden, und auch die große dreimastige Galeone, die in der Bucht geankert hatte. Anschließend schilderte sie alles, was sich zugetragen hatte, seit das Unwetter über der Karibik losgebrochen war.

Siri-Tong und die anderen hörten schweigend zu. Dann legte die Rote Korsarin Tatona die Rechte schwer auf die Schulter.

„Diese Black Queen ist gefährlich. Sie will die Herrschaft über die Karibik. Nun, wir werden sehen, ob sie sie erringen kann. Wir nehmen jetzt Kurs auf die Caicos-Inseln, aber wir werden erst in der kommenden Nacht über die Piraten der Black Queen herfallen. Das aber wird so plötzlich geschehen, daß sie keine Chance mehr zur Gegenwehr hat. Sie kann jetzt noch nicht damit rechnen, daß Hilfe kommt, zumal sie wohl auch nicht weiß, daß Arkana und ihr alle zur Schlangeninsel gehört.“

Tatona sah die Rote Korsarin an.

„Vergiß nicht, sie hat Arkana und die anderen als Geiseln. Sie wird nicht zögern, sie zu töten, und wir werden nicht schnell genug sein, das zu verhindern.“

Die Rote Korsarin lächelte.

„Arkana wird zur gleichen Stunde frei sein, in der mein Viermaster mit geöffneten Stückpforten in die Bucht einsegelt. Keine Sorge, Tatona, Barba versteht sich auf solche Unternehmen, du und ich, wir werden ihn mit deinen Schlangenkriegerinnen begleiten …“

„Ich ebenfalls, Siri-Tong, das bin ich meiner Mutter …“

Siri-Tong drehte sich um.

„Nein, Araua, du bleibst an Bord. Ich habe die Verantwortung für dich. Niemand zweifelt an deinem Mut, aber Arkana würde es mir nie verzeihen, wenn dir etwas zustößt. Die Black Queen ist samt Caligula eine der gefährlichsten Gegnerinnen, die ich mir vorstellen kann. Du bleibst hier, und wenn ich dich an einen der Masten binden lassen muß! Mein letztes Wort.“

Araua stand wie erstarrt. Sie kannte die Rote Korsarin, und sie wußte, daß es unmöglich war, sie um den Finger zu wickeln, wie sie es beim Wikinger stets vermocht hatte, wenn sie etwas durchsetzen wollte.

Tatona nahm Araua zur Seite.

„Siri-Tong hat recht, Araua. Du solltest auf Siri-Tong hören, sie meint es gut, und sie ist wirklich für dich verantwortlich. Füge dich, Araua, mach uns keine Schande, versprichst du mir das?“

Araua fügte sich, auch wenn es ihr so schwerfiel wie noch nie zuvor.

Tatona strich ihr übers Haar.

„Du bist erwachsen, Araua. Du wirst einst unsere Hohepriesterin sein. Niemand von uns kann dir noch Befehle erteilen. Aber als Hohepriesterin mußt du wissen, daß vor dem Gefühl der Verstand zu siegen hat. Dies hat deine Mutter immer befolgt – nur so überlebten wir die Hölle von Mocha. Sei unbesorgt – wir retten Arkana. Und noch weißt du ja gar nicht, ob der Schlangengott dir nicht eine ganz besondere Aufgabe zugedacht hat. Warte es ab …“

Araua blickte Tatona an. Immer hatte Tatona es verstanden, ihr bei all den kleinen und auch großen Schwierigkeiten ihres jungen Lebens mit Rat und Tat zu helfen.

„Warte, Tatona, ich möchte dir noch etwas erzählen. Im Schlangentempel hat sich etwas zugetragen …“ Und sie berichtete der überraschten Tatona, daß der Schlangengott verlangt hatte, Siri-Tong zu ihm in seinen Tempel zu führen. Tatona erfuhr auch von dem Auftrag, den der Schlangengott ihr, Araua, Siri-Tong und seiner Hohepriesterin Arkana gegeben hatte.

Eine ganze Weile, nachdem Araua ihr alles berichtet hatte, schwieg Tatona. Dann fuhr sie Araua wieder über das schwarze, lange Haar.

„Höre immer gut darauf, was Siri-Tong dir sagt, Araua. Sie gehört jetzt zu den Vertrauten des Schlangengottes. Daran solltest du immer denken. Und beachte auch, daß du Vorsicht üben sollst, wenn wir zu jener Insel gelangen, auf der sich die Black Queen und ihre Piraten befinden. Noch nie hat der Schlangengott eine Warnung ausgesprochen, die sich als unbegründet erwies.“

Tatona zog Araua mit sich fort, und Siri-Tong blickte den beiden entgegen. Sie zog Araua zu sich heran.

„Ich war sehr grob zu dir, Araua. Aber es gibt noch so vieles, was du lernen mußt. Du bleibst an Bord, von ‚Roter Drache‘, gleich, was geschieht, hörst du?“

Araua nickte, und vieles ging ihr in diesem Moment durch den Kopf.

„Roter Drache“ nahm wieder Fahrt auf – aber jeder an Bord war sich im klaren darüber, daß ihnen allen noch ein schwerer Kampf bevorstand. Sie hatten über die Black Queen und diesen Caligula genug auf Tortuga gehört, um sich in dieser Hinsicht keinerlei Illusionen zu machen. Dennoch brannten alle darauf, es der Black Queen zu besorgen, aber gründlich. Sie hatten schließlich schon gegen manchen gekämpft, der es auf ihre Schlangeninsel abgesehen hatte. Bisher waren jedoch noch alle gescheitert.

Seewölfe Paket 18

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