Читать книгу Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 42
2.
ОглавлениеAn Bord der „Isabella“ wurde gesägt und gehämmert, daß es eine wahre Freude war. Die Männer waren eins in ihren Gefühlen für das Schiff. Jeder von ihnen trachtete danach, die stolze Lady wieder so herzurichten, wie es ihr zustand.
Wie besessen schufteten sie, um die Gefechtsschäden zu beseitigen. Denn jede Wunde im ranken Leib der Galeone fügte ihnen fast körperlich spürbare Schmerzen zu. Hasard war stolz auf seine Arwenacks, diesen wildverwegenen Haufen. Wahrhaftig, wie Pech und Schwefel hielten sie zusammen und waren mit keiner anderen Crew auf den Weltmeeren zu vergleichen.
Der Anteil, den jeder einzelne Mann an der „Isabella“ hatte, bestand nicht nur in materiellem Wert. Nein, jeder von ihnen war auch mit einem Stück seiner Seele beteiligt.
Während er zurückpullte, ertappte sich der Seewolf bei diesen Gedanken, und er führte es auf das zurück, was er an Bord der „San Donato“ gesehen hatte. Das Schicksal des Indianervolkes hatte ihn bis in die Tiefe seines Herzens getroffen. Es zeigte ihm und sicherlich auch seinen Gefährten, wie glücklich sie sich schätzen konnten.
Sie besaßen ihr eigenes Schiff. Um es bauen zu können, hatten sie mehr als einmal ihr Leben einsetzen müssen. Ja, so manches Mal waren sie mit Todesverachtung mitten in die Hölle gesegelt, um dem Gehörnten am Schwanz zu ziehen. Gern benutzten sie diesen Vergleich, um sich auch selbst vor Augen zu führen, daß ihnen das, was sie an Gold und Geld zusammengetragen hatten, beileibe nicht in den Schoß gefallen war.
Sie hatten ihr eigenes Schiff, und bald würden sie ihr eigenes, freies Leben führen. Was ihnen gelungen war, den Zwängen und der Düsternis des Lebens im alten Europa für immer den Rücken zu kehren, blieb für Tausende von Menschen dort ein unerfüllbarer Wunschtraum.
Philip Hasard Killigrew war sich all dieser Tatsachen in vollem Umfang bewußt, und es erwuchs für ihn die Pflicht daraus, den Timucua auf der Suche nach einem neuen, glückbringenden Lebensraum zur Seite zu stehen.
Gewiß, man konnte ihm und seinen Freunden auf der Schlangeninsel eine Spur von Eigennutz dabei vorhalten. Die Menschen, die sie auf Coral Island anzusiedeln gedachten, sollten schließlich einen vorbestimmten Zweck erfüllen.
Aber diese Menschen würden auch ein freies Leben führen, und den Anbau von Feldfrüchten würden sie nicht als Sklaven betreiben. Wenn man so wollte, wurden sie Lieferanten, die einen Teil ihrer Produktion an die Bewohner der Schlangeninsel weitergaben.
Es war schon so, wie Shawano gesagt hatte: Für die Timucua würde Coral Island in der Tat ein Paradies werden.
Hasard erreichte die Bordwand der „Isabella“. Luke Morgan, Bob Grey und einige andere waren bereits zur Stelle, um die Jolle an Bord zu hieven. Hasard enterte die Jakobsleiter auf. Als er die Pforte im Schanzkleid erreichte, empfing ihn der Profos mit unübersehbaren Sorgenfalten im Narbengesicht.
„Hol’s der Teufel, Sir“, sagte Ed Carberry dröhnend, „aber wenn wir uns nicht schleunigst verdrücken, sehe ich schwarz für unsere Freunde drüben auf dem spanischen Eimer.“ Er deutete erst nach Süden und dann zur „San Donato“, wo bereits der Treibanker auf gehievt wurde.
„Ich weiß“, sagte Hasard und nickte. „Wenn wir Pech haben, holt uns der Sturm trotzdem ein.“ Die schwarze Wolkenwand im Süden hatte sich noch drohender zusammengeballt.
Der Wind hatte indessen weiter aufgefrischt, was zunächst als günstiger Umstand anzusehen war.
Hasard verständigte sich mit Ben Brighton durch ein Handzeichen. Der Erste Offizier der „Isabella“ gab seine Kommandos, während der Seewolf über das Quarterdeck zum Achterdeck aufenterte. Der Treibanker wurde eingeholt, und behende enterten die Männer in den Wanten auf, um Großsegel, Fock, Besan und auch die Marssegel zu setzen. Die Ausbesserungsarbeiten mußten vorerst unterbrochen werden, doch sämtliche Mitglieder der Crew hatten begriffen, daß es wichtiger war, vor dem Sturm abzulaufen – insbesondere mit Rücksicht auf die Indianer an Bord der „San Donato“.
Unter der Anleitung von Marcos und seinen vier Gefährten taten die Timucua-Männer ihr Bestes. Die spanische Galeone ging auf Kurs Nordnordwest und legte sich mit Vollzeug vor den Wind.
Die „Isabella“ folgte im Kielwasser der „San Donato“, und die Arwenacks waren sich ihrer Aufgabe bewußt, die voraussegelnde Galeone nach Süden, Westen und Osten abzuschirmen.
„Dieser Marcos ist ein brauchbarer Bursche“, sagte Hasard, „er übernimmt drüben an Bord die Rolle des Lotsen und wird uns zum Lake Pontchartrain führen.“ In knappen Worten berichtete er, welche Bewandtnis es mit dem See hatte.
„Klingt nicht schlecht“, erwiderte Ben Brighton einsilbig. Ein leiser Zweifel schwang in seiner Stimme mit, und auf seiner Stirn standen deutliche Furchen.
Hasard sah ihn forschend an.
„Dir liegt etwas auf der Zunge, Ben. Das merke ich doch. Warum rückst du nicht damit heraus?“
Der Erste Offizier der „Isabella“ grinste matt.
„Ich will nicht dauernd als Schwarzseher dastehen.“
„Unsinn.“ Hasard schüttelte energisch den Kopf. „Du weißt, daß ich auf deine Meinung immer großen Wert gelegt habe. Und du brauchst dich nicht in eine Ecke zu stellen, in die du nicht gehörst.“
In der Tat war Ben Brighton in manchen Dingen eher übervorsichtig, solange genügend Zeit blieb, über ein Problem nachzudenken. Das hatte sich oftmals ausgezahlt und die Männer an Bord der „Isabella“ vor unbedachten Entscheidungen bewahrt. Galt es allerdings, eine kritische Situation zu meistern, konnte Ben genauso blitzschnell und hart zuschlagen wie alle anderen aus der Crew des Seewolfs.
„Ich habe nichts gegen den Lake Pontchartrain“, sagte Ben, „unter den gegebenen Umständen ist es sicher die beste Position, die wir anlaufen können. Vor allem, wenn wir mit einkalkulieren, daß uns dieser Sturm auf den Pelz rücken wird.“ Er deutete mit dem Daumen über die Schulter.
„Aber?“ Hasard zog die Brauen hoch.
„Nun, vielleicht ist unser Freund Marcos etwas zu optimistisch. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein so großer Binnensee nicht auch bei anderen bekannt ist. Zumal er ja selbst sagt, daß es Erkundungsfahrten von spanischen Galeonen gegeben hat. Und schließlich haben französische Freibeuter diesem See seinen Namen gegeben. Von indianischen Ureinwohnern will ich erst gar nicht reden. Ich meine also, wir sollten uns davor hüten, uns zu sicher zu fühlen. Böse Überraschungen kann es immer und überall geben.“
Hasard legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Glaubst du, ich würde daran nicht denken? Marcos ist begeistert von seinem Vorschlag, und seinem südländischen Naturell entsprechend übertreibt er natürlich ein wenig, wenn er von Abrahams Schoß spricht. Du kannst dich darauf verlassen, daß wir höllisch aufpassen werden. Und das gilt schon jetzt. Ich habe Marcos und auch Shawano entsprechend instruiert. Was sich im Süden, im Westen und im Osten abspielen könnte, haben wir im Auge. Falls aber Gefahr von Norden aufzieht, wird die ‚San Donato‘ sofort zurückfallen. Wir schließen dann auf und übernehmen die Spitze.“
Ben Brighton nickte.
„Ich weiß, daß wir auf alle Überraschungen vorbereitet sind. Versteh mich nicht falsch, ich will nicht dauernd schwarzsehen. Aber da wäre noch der Sturm, mit dem wir zu rechnen haben.“
Der Seewolf wandte sich um. Die schwarze Wetterfront im Süden zog langsamer herauf, seit die beiden Schiffe Fahrt aufgenommen hatten. Gewiß, es war eine ständige Faust im Nacken. Aber Hasard rechnete fest damit, daß sie einen sicheren Ankerplatz erreichen würden, bevor der Sturm losbrach.
Nicht einmal Ben Brighton selbst konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, daß seine leisen Befürchtungen nichts waren, gemessen an dem, was sie auf dem Lake Pontchartrain erwartete.
Was die drohende Wetterfront betraf, erwiesen sich indessen Hasards Berechnungen während der nächsten Stunden als richtig. Sie blieben verschont und liefen vielmehr stetig rauschende Fahrt dank des anhaltenden handigen Windes.
So hatten sie bereits in der Abenddämmerung den 29. Breitengrad fast erreicht. Der Seewolf gab Befehl zum Kurswechsel nach Nordwesten.
Wenige Minuten später ertönte Bills durchdringende Stimme aus dem Großmars.
„Deck! Land in Sicht – an Steuerbord!“
Hasard und Ben hoben die Spektive. Auch die meisten übrigen Männer spähten in die angegebene Richtung, doch mit bloßem Auge war im Dämmerlicht nicht mehr als ein flacher blasser Streifen zu erkennen. Auch die Optik der Spektive vermochte kaum Wesentliches heranzuholen. Ein wenig erinnerte es an die Sumpflandschaft von Florida, die sich ebenfalls nur knapp über die Meeresoberfläche erhob.
Hasard stellte fest, daß seine Berechnungen anhand der Seekarte stimmten. Was Bill gesichtet hatte, war nichts anderes als das Mississippi-Delta, zu dem sie östlich querab standen. Mit dem neuen Kurs segelten sie nun auf die Chandeleur Islands zu, die noch etwa fünfunddreißig Meilen entfernt waren.
Daß sich in der Wetterküche Unangenehmes zusammenbraute, wurde immer deutlicher. Die düstere Front im Süden ging im Westen in das trübe Grau der Dämmerung über. Lediglich im Norden war die Kimm noch als einigermaßen klare Linie zu erkennen. Im Osten hingegen hing ein milchiger Schleier, wodurch die frühabendliche Szenerie etwas Unwirkliches gewann. Vor dem dunkler werdenden Himmel war eine Nebelbank aufgestiegen, deren Schwaden über die Wasserfläche krochen und wie große, gefräßige Tiere auf die beiden Schiffe zuwaberten.
„Dieser Nebel könnte uns mehr Schwierigkeiten bringen als der Sturm“, sagte Ben Brighton dumpf, „wenn die Suppe sich noch mehr verdichtet, sieht es verdammt schlecht aus für uns.“
Hasard wollte entgegnen, daß es sich offenbar nur um eine größere Nebelbank handele, der sie mühelos davonlaufen könnten. Aber er brachte die Antwort nicht mehr heraus.
Abermals ertönte Bills Stimme aus dem Mars, warnender diesmal, erschrocken fast.
„Deck! Galeone Backbord achteraus! Ein Spanier!“ Bill hielt einen Moment die Luft an, als müsse er seine eigene Überraschung verdauen. Dann schrie er es noch einmal, lauter: „Spanische Galeone Backbord achteraus!“
Der Seewolf und Ben Brighton waren herumgewirbelt und stürzten zur Heckbalustrade. Auch die übrigen Männer auf den verschiedenen Decks hasteten an die Verschanzungen und Balustraden.
Für Minuten lastete die Stille der Verblüffung an Bord der „Isabella“.
Hasard und Ben ließen die Spektive sinken, noch bevor sie sie richtig angehoben hatten. Das bloße Auge reichte aus, um die wichtigsten Einzelheiten zu erkennen. Und auch auf der „San Donato“ war es plötzlich still geworden.
Die spanische Galeone war aus der Nebelwand so unvermittelt aufgetaucht, als hätte sie einen Vorhang durchstoßen, hinter dem sie sich zuvor versteckt hatte.
„Hölle und Teufel“, knurrte der Seewolf, „entweder ist das ein verdammter Zufall, oder die Burschen haben mit Stielaugen durch den Nebel gelinst.“
Der Spanier war bestenfalls noch sechs Kabellängen entfernt, und es sah in der Tat so aus, als hätte er die „Isabella“ bereits seit Stunden im Visier gehabt. Aber das war unmöglich. Auf Bill als Ausguck war absolut Verlaß. Gegen die Nebelbank konnten selbst die schärfsten Augen nichts ausrichten.
Hasard setzte nun doch den Kieker an, und seine Vermutung erwies sich als richtig.
Auch die Dons waren verwirrt und vor Überraschung offenbar aus dem Häuschen geraten. Kein Zweifel, ihnen erging es nicht anders als den Arwenacks und den Indianern. Die Crew dort drüben auf der stattlich armierten Galeone hing ebenfalls über den Verschanzungen und stierte sich die Augen aus dem Kopf. Der Kapitän dieser Galeone hatte also keinesfalls damit gerechnet, so plötzlich auf die „Isabella“ und die „San Donato“ zu stoßen.
Schon auf den ersten Blick hatte Hasard festgestellt, daß es sich um ein ausgesprochen schnelles Kriegsschiff handelte, um einen sehr guten Am-Wind-Läufer. Die Armierung bestand aus insgesamt dreißig Culverinen und sechs Drehbassen, jeweils drei auf der Back und auf dem Achterdeck.
Über die Absichten des Spaniers gab sich der Seewolf keinen besonderen Illusionen hin. Immerhin mußte er annehmen, daß es sich um einen Helfer handelte, der von dem Kapitän der lahmgeschossenen „Galicia“ alarmiert worden war.
Eben dies bestätigte sich wenig später, als die Spanier ihre Verblüffung überwunden hatten und den Kurs änderten. Ohne Umschweife folgten sie dem Kielwasser der „Isabella“ und der „San Donato“.
Niemand an Bord der beiden Schiffe brauchte hellseherische Fähigkeiten, um eines zu wissen: Jene Dons, die ihnen jetzt im Nacken saßen, waren erpicht darauf, sich für die Niederlage ihrer Landsleute zu rächen.