Читать книгу Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 35
6.
ОглавлениеZu diesem Zeitpunkt am frühen Nachmittag, als die „Isabella“ Sarasota verließ, bahnte sich weiter nordwärts etwa 125 Meilen entfernt an der Westküste Floridas ein Drama an.
Ort des Geschehens war die Waccasassa Bay, wo die Küste auf etwa zehn Meilen Länge fast genau in Ost-West-Richtung verlief, wobei die Bucht den Ostpunkt und die kleine Inselgruppe der Cedar Keys den Westpunkt bildeten.
Entgegen der Annahme Joseph Jellys, daß die Indianer die Küsten mieden, lebten hier welche – zwar keine Seminolen, aber Timucuas, genauer: der kleine Stamm, zu dem Tamao und Asiaga gehörten.
Richtig an Joseph Jellys Aussage war allerdings seine Bemerkung gewesen, daß die Spanier die Einheimischen unterjochten oder gar ausrotteten.
Unterjocht war Tamaos Stamm bereits. Neben ihrem Dorf an der Waccasassa Bay hatten die Spanier eine Siedlung angelegt und eine Werft errichtet, dies allerdings nicht durch eigener Hände Arbeit, sondern die Timucuas waren von ihnen zum Frondienst gepreßt worden. Das heißt, die Spanier lebten wie die Maden im Speck und ließen sich von den Timucuas bedienen. Die nahezu einzige Tätigkeit – so man in diesem Falle überhaupt von Tätigkeit sprechen konnte – bestand seitens der Spanier darin, die Timucuas zu bewachen.
Allerdings resultierten aus dem Wachdienst andere Nebentätigkeiten wie Anbrüllen, Antreiben, Auspeitschen oder gar Totschlagen. Die Skala der Gewaltausübung ist ja sehr breit, und Don Angelo Baquillo, der Kommandant der spanischen Siedlung, war da ohne jegliche Skrupel, zumal er die Indianer nicht als Menschen, sondern als Ungeziefer einstufte. Daß er trotz dieser Auffassung hübsche Indianermädchen zwang, ihm Liebesdienste zu leisten, erschütterte ihn nicht weiter.
Das Leben der Timucuas war nur noch ein Dahinvegetieren. Ihre Ernten wurden von den Spaniern beschlagnahmt, ihr Vieh abgeschlachtet. Neben dem Ackerbau hatten sie früher Fischfang betrieben, aber das konnten sie nicht mehr, weil ihnen die Spanier die Boote zerstört hatten, mit denen sie möglicherweise hätten fliehen können. Tatsächlich war ja auch Tamao mit seiner Asiaga in einem Boot geflohen, das er gestohlen hatte.
In dem Dorf lebten noch an die zweihundert Männer, Frauen, Kinder und die Alten. Vor der Ankunft der Spanier war der Stamm größer gewesen. Dennoch waren sie immer noch in der Überzahl, denn die spanische Siedlung beherbergte an die sechzig Mann – fast alles Soldaten mit Ausnahme von ein paar Schiffsbauhandwerkern, Seilern und Segelmachern. Denn auf der Werft an der Waccasassa Bay sollten Schiffe gebaut werden – billig natürlich, was wiederum bedeutete, daß man die Indianer für sich arbeiten ließ und zum Schiffsbau preßte, ohne sie zu bezahlen. Als Lohn erhielten sie die Küchenabfälle, die ihnen vor die Füße gekippt wurden.
Don Angelo Baquillo konnte sich rühmen, für Spanien die billigsten Galeonen zu bauen, die je auf Stapel gelegt worden waren. Auch das Holz kostete ihn nichts. Das mußten die Timucuas etwas weiter im Landesinneren schlagen und zur Bucht transportieren, wo die Rinde abgeschält und die Hölzer nach Bedarf zugeschnitten wurden.
Erst vor einer Woche war wieder eine Galeone, die „San Donato“, vom Stapel gelaufen und lag nahezu fertig aufgeriggt und getakelt an der großen Holzpier der spanischen Siedlung.
Daß die Timucuas unter ihrem an die sechzig Jahre alten Häuptling Shawano noch nicht gegen ihre spanischen Unterdrücker revoltiert hatten, hatte verschiedene Gründe. Zunächst waren sie kein durchaus kriegerisches Volk und zu plötzlich mit der gnadenlosen Härte der spanischen Eroberer konfrontiert worden – mit kriegserfahrenen Konquistadoren, deren Bewaffnung sie nichts entgegenzusetzen hatten. Sie hatten auch Angst vor den langen Donnerrohren gehabt, die Feuer ausspuckten, das Blei und Eisen enthielt. Und als sie begriffen, wem sie ausgeliefert waren, da wurde ihr Aufbäumen blutig und erbarmungslos niedergeknüppelt. Und jetzt siechten sie dahin, schleppten sich zu den Arbeiten, die ihnen diktiert wurden, und waren froh, nachts auf ihre Lager niedersinken und alles vergessen zu können. Der Hunger höhlte sie aus und ließ sie apathisch werden.
Nur der weißhaarige Shawano gab nicht auf und ließ sie hoffen. Er war unbeugsam. Manchmal lachte er – ein klirrendes Lachen, das an die Waffen der Spanier erinnerte. Aber sein Trotz sprach daraus. Und er ließ sie wissen, daß der Tag kommen werde, an dem sie wieder frei sein würden. Vielleicht hatte Shawano eine große Medizin, dachten sie.
Dann allerdings hatte ein anderer Feind zugeschlagen, ein Feind, der unsichtbar blieb, aber noch grausamer und teuflischer als die Spanier war. Merkwürdigerweise blieben aber auch die Spanier von ihm nicht verschont, ja, es schien fast, daß sie härter als die Timucuas betroffen wurden.
Im Dorf der Timucuas und in der Siedlung der Spanier ging das Sumpffieber um, jener unheimliche Feind, der stets auf die gleiche Weise mordet. Denn immer werden seine Opfer von Schüttelfrost befallen, die Haut wird kalt, die Lippen und Nägel färben sich blau, der Kopf schmerzt, und unter der Brust setzen Stiche ein. Danach verliert sich die Kälte, und Hitze folgt, die blasse Haut färbt sich rot, die Schmerzen im Kopf nehmen zu. Erst nach dem Schweißausbruch wird alles wieder besser, nur furchtbaren Durst hat man.
Ja, das war der Anfang, nach dem man sogar schlafen konnte. Aber wen der Feind in den Krallen hatte, den ließ er nicht mehr los. Immer wieder erlitt das Opfer diese Kälte- und Hitzezustände, und es wurde schwächer und matter bis zur völligen Entkräftung, die den Tod im Gefolge hatte. Und alle stöhnten sie unter den Schmerzen, die sie über dem Leib empfanden, wo bestimmte Stellen immer dicker wurden.
Als der unheimliche Feind mit seinen Morden begonnen hatte, da hatte Shawano erklärt, daß es nur einen Weg zur Rettung gäbe, nämlich die Flucht. Das war von den Alten überliefert worden, die gesagt hatten, man müsse beim Auftreten dieses wechselnden Fiebers in eine andere Gegend ziehen. Vor allem müsse man die Sümpfe meiden, denn das sei der Platz, wo der unsichtbare Feind lauere.
Aber sie konnten nicht fliehen, weil sie von den Soldaten Tag und Nacht bewacht wurden.
Shawano biß die Zähne zusammen und sagte, bald würde alles vorbei sein. Man könne das sogar berechnen, denn eins stehe fest: die Zahl der Soldaten würde eher vermindert sein als die Zahl der Timucuas, denn sie erlagen dem Feind schneller als die Timucuas. Zwanzig Tote hatte es auf beiden Seiten bereits gegeben, aber darunter waren zwölf Spanier gegenüber acht Timucuas.
Jetzt waren an die fünfzig Timucuas erkrankt und litten an dem Fieber. Wie viele es bei den Spaniern waren, wußte Shawano nicht, obgleich er Taliwa beauftragt hatte, zu versuchen, das herauszufinden.
Don Angelo Baquillo, der Kommandant, hatte sich zum nächtlichen Zeitvertreib die junge hübsche Taliwa in sein Stabsquartier geholt. Tagsüber erging es ihr nicht besser. Sie hatte die Räume sauber zu halten, seine Kleidung und Stiefel zu putzen, den Fußboden zu scheuern und jeden seiner Wünsche zu erfüllen. Wenn ihm etwas nicht paßte, züchtigte er sie mit einer Lederpeitsche. Ihr Haß auf diesen Mann, der sie entehrt hatte und täglich demütigte, war grenzenlos. Eines Tages würde sie die Quälereien nicht mehr ertragen und ihn umbringen, obwohl Shawano sie vor einem solchen Schritt gewarnt hatte, der unabsehbare Folgen für die Timucuas haben würde – für alle.
Das alles wurde jedoch von einer Stunde zur anderen gegenstandslos, und zwar gegen Mittag des 12. September, als Don Angelo Baquillo seinen Stab zu einem Befehlsempfang in seinem Quartier zusammenrief, darunter auch den Feldscher.
Wie stets bei solchen Anlässen hatten die Señores zu stehen, nebeneinander ausgerichtet natürlich, während er vor ihnen wie vor einer Front auf und ab marschierte, die Hände auf dem Rücken.
Er war ein stämmig gebauter Mann in Kürbishosen, die in langschäftigen Stiefeln steckten. Eine Schärpe verdeckte seinen Bauchansatz. Bestimmend in seinem harten Gesicht waren der schwarze Schnauzbart und die kalten Augen, die er jetzt auf den Feldscher richtete, vor dem er stehen blieb.
„Neue Krankheitsfälle?“ fragte er kurzangebunden.
„Vier, Señor Kommandant“, erwiderte der Feldscher.
„Damit erhöht sich die Zahl der Kranken auf wieviel?“ Don Angelo Baquillo wippte auf den Fußballen. Er stellte die Frage, als hake er auf einer Liste irgendwelche Nummern ab, nicht Menschen, nein, Nummern.
„Von sechsundzwanzig auf dreißig, Señor Kommandant.“
„Verfassung derselben?“
„Leichte bis schwere Fälle“, sagte der Feldscher. „Etwa zehn dürften noch bedingt dienstverwendungsfähig sein.“
„Bedingt – bedingt!“ schnarrte Don Angelo Baquillo. „Entweder sind sie verwendungsfähig oder nicht. Ich wünsche klare Antworten. Also?“
„Nicht verwendungsfähig“, sagte der Feldscher verbissen. „Und zwar wegen körperlicher Schwäche.“
„Schlappschwänze“, sagte Don Angelo Baquillo verächtlich. „Sollen sich gefälligst zusammenreißen, die Kerle!“ Seine kalten Augen durchs bohrten den Feldscher. „Mir scheint, Sie verkennen Ihre Aufgabe, mein Lieber. Aber ich will sie Ihnen gern noch einmal erklären. Sie besteht schlicht und einfach darin, die sogenannte körperliche Schwäche dieser Kerle zu ignorieren. Soldaten haben hart zu sein, verstanden? Infolgedessen werden die zehn Kerle wieder zum Dienst eingeteilt, auch wenn sie mit den Zähnen klappern. Wahrscheinlich wird da nur ein Anfall vorgetäuscht. Die Kerle wollen sich im Krankenrevier auf die faule Haut legen, das ist alles.“
„Damit sind die zehn Männer zum Tode verurteilt“, sagte der Feldscher gepreßt.
„Na und? Wir müssen alle mal sterben. Ende der Debatte. Verbitte mir solche rührseligen Bemerkungen.“ Der Kommandant nahm seine Wanderung wieder auf und kaute auf seinem Schnauzbart herum. Nach einer Weile blieb er vor dem Adjutanten stehen.
„Wie viele Krankheitsfälle bei den Timucua-Bastarden?“
„An die fünfzig, Señor Kommandant“, erwiderte der Adjutant, ein Teniente, und fügte beflissen hinzu: „Die fünfzehn männlichen Subjekte, die darunter sind, arbeiten natürlich gemäß Ihrer Order wie bisher weiter – bis sie umkippen. Wenn sie die Peitsche spüren, werden sie wieder munter.“
„Sehr gut. Vielleicht sollten wir diese Methode auch bei unseren Kerlen einführen.“ Sein kalter Blick wanderte zu dem Feldscher.
„Da werden sich die Timucuas aber freuen“, sagte der Feldscher ungerührt, „ganz abgesehen von der Wirkung auf unsere Leute. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß keiner unserer kranken Soldaten simuliert. Sie haben alle die typischen Anzeichen des Wechselfiebers. Ich kenne keinen Menschen, der kraft des eigenen Willens plötzlich in der Lage wäre, seinen Lippen und Nägeln eine blaue Farbe zu verleihen und die eigene Haut blaß und kalt werden zu lassen.“
Der Kommandant kniff die Augen zusammen. „Wollen Sie mich belehren, Mann?“
„Als Arzt habe ich die Pflicht, Ihnen meinen Standpunkt über den Zustand Ihrer Soldaten mitzuteilen.“
„An!“ Der Kommandant begann wieder auf den Fußballen zu wippen. „Dann haben Sie doch mal die Güte, mir mitzuteilen, woher dieses Fieber stammt.“
„Das ist noch nicht geklärt“, sagte der Feldscher. „Die Italiener nennen es ‚mala aria‘, also ‚schlechte Luft‘. Es tritt bei ihnen in den Sumpfgegenden auf, daher spricht man auch von Sumpffieber. Da wir hier ebenfalls Sümpfe haben, vermute ich, daß die Krankheitsfälle darauf zurückzuführen sind.“
„Alles Quatsch“, erklärte Don Angelo Baquillo. „Ich werde Ihnen sagen, wer oder was diese Krankheit hervorruft, und zwar nicht Ihre Sümpfe – das ist reine Faselei –, sondern diese stinkenden Timucua-Hunde, die haben den Teufel im Leib und stecken uns an! Da verschlägt’s Ihnen die Sprache, wie?“
„Kann man wohl sagen“, erwiderte der Feldscher trocken. „Wenn dem so ist, dann sollten Sie sich schleunigst von Ihrer Geliebten trennen, die hat Ihnen den Teufel im Leib vielleicht schon angehext. Wollen Sie dann auch mit der Peitsche zum Dienst angetrieben werden?“
Don Angelo Baquillo zuckte zurück und wurde weiß im Gesicht.
„Hüten Sie Ihre Zunge, Feldscher!“ zischte er. „Sonst könnte es passieren, daß sie sich als Sträfling und in Ketten auf einer Galeere wiederfinden. Ich bin nicht gewillt, solche frechen Reden zu dulden. Das grenzt bereits an Meuterei.“
„Schon verstanden, Señor Kommandant“, sagte der Feldscher, ohne eine Miene zu verziehen. „Haben Sie Beweise dafür, daß das Fieber von den Indianern auf uns übertragen wird?“
„So etwas weiß man!“ schnarrte Don Angelo Baquillo von oben herab.
„Ah ja! Und dabei nehmen sie das Risiko auf sich, auch sich selbst anzustecken, nicht wahr?“
„Das tun diese Bastarde nur, um sich vor der Arbeit drücken zu können“, wurde er von Don Angelo Baquillo belehrt.
„Was ihnen nichts nutzt“, sagte der Feldscher, „weil sie ja mit der Peitsche wieder angetrieben werden, wenn sie zusammenbrechen.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, Señor Kommandant, entschuldigen Sie, wenn ich Ihrer These nicht zu folgen vermag. Ich halte sie für unlogisch. Wer sich mit dieser Krankheit ansteckt, um nicht mehr arbeiten zu müssen, der tut es gleichzeitig auch in der Gewißheit, dem Tode entgegenzugehen. Das ist in sich ein Widerspruch, denn er handelt sich damit ja keine Vergünstigung ein, sondern einen recht qualvollen Tod. Kein Mensch, auch kein Indianer, ist so verrückt, das zu tun.“
„Ich habe keine Lust, mit Ihnen darüber zu diskutieren“, sagte Don Angelo Baquillo. „Ich spreche hier auch nicht von Thesen, sondern von Tatsachen, die Sie offenbar nicht verstehen. Zur Sache: Da diese – äh – Epidemie von den indianischen Bastarden angezettelt wurde mit dem Zweck, uns zu vernichten, habe ich beschlossen, entsprechend hart zu reagieren. Hier muß eisern und rücksichtslos durchgegriffen werden, meine Herren – rück-sichts-los! Daher erteile ich folgenden Befehl – der Teniente wird die Einzelheiten und Orders ausarbeiten: Morgen vormittag wird das Dorf dieser roten Köter umstellt, ein Trupp dringt ein und füsiliert jeden dieser stinkenden Bastarde, der vermutlich oder sichtbar an dem Fieber erkrankt ist! Damit, meine Herren, rotten wir die Krankheit an der Wurzel aus. Denn das ist logisch: wer uns vernichten will, den beseitigen wir, bevor er uns anstecken kann! Bin ich verstanden worden?“
Sie nahmen alle Haltung an, das Kinn am Kragen, den Blick soldatisch fest auf den Kommandanten gerichtet, der ihnen soeben einen Mordbefehl erteilt hatte.
Einzig der Feldscher starrte auf den Boden, den Kopf gesenkt. Don Angelo Baquillo musterte ihn verächtlich und zuckte mit den Schultern. Diesem Quacksalber würde er schon beibringen, nach welcher Pfeife er zu tanzen hatte.
„Das paßt Ihnen wohl nicht?“ fragte er höhnisch.
Der Feldscher hob den Kopf.
„Meine Aufgabe ist es, Leben zu erhalten, nicht zu vernichten“, erwiderte er.
„Sie hätten Pfaffe werden sollen“, erklärte Don Angelo Baquillo und stieß ein bellendes Lachen aus.
„Könnte sein“, sagte der Feldscher ruhig, „und es stört mich nicht weiter, daß Sie das offenbar sehr lustig finden. Vermutlich werden Sie gleich nicht mehr lachen, wenn ich Ihnen sage, daß Ihr Plan, die kranken Indianer auszurotten, im Sinne Gottes und seiner Gebote nichts weiter als wahnsinnig ist. Können Sie mir vielleicht erklären, durch wen die Menschen in Italien – in der Alten Welt weit weg von hier – mit dem Sumpffieber angesteckt werden? Etwa auch von Indianern? Ich war in Italien und habe dort viel gelernt. Indianer habe ich dort allerdings nicht gesehen.“
Don Angelo Baquillo schnappte nach Luft. Dann brüllte er: „Wollen Sie meutern, Sie lächerlicher Salbenschmierer?“
„Ein Mann, der Salben verschmiert, ist kaum zum Meutern geeignet, Señor Kommandant“, sagte der Feldscher gelassen. „Ich weise Sie nur nach den Gesetzen der menschlichen Vernunft und Logik darauf hin, daß die Indianer unmöglich die Ursache des hier grassierenden Fiebers sein können. Das ist alles und hat mit Meuterei absolut nichts zu tun. Begreifen Sie das nicht?“
„Ich begreife nur, daß Sie vom Kriegshandwerk nicht die geringste Ahnung haben!“ schrie Don Angelo Baquillo voller Wut. „Scheren Sie sich hinaus, Sie salbadernder Quacksalber! Sie untergraben Disziplin und Manneszucht! Kümmern Sie sich gefälligst um die Kerle, die sich vom Dienst drücken wollen. Alles andere geht Sie einen Dreck an, verstanden?“
„Ich bin nicht schwerhörig“, sagte der Feldscher kühl, nickte knapp und verließ das Stabsquartier.
Als die Tür geschlossen war, reckte Don Angelo Baquillo die Brust heraus, in seinen Augen stand ein kaltes Glitzern, als er seinen Stab musterte, zuletzt den Adjutanten.
„Was halten Sie von diesem Menschen, Teniente?“ fragte er lauernd.
„Ein unmöglicher Mensch, Señor Kommandant“, erwiderte der Teniente, „und sehr gefährlich, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.“
„Sie haben es erfaßt, mein Lieber.“ Das Glitzern in den Augen Don Angelo Baquillos verschwand, dafür erschien ein berechnender Ausdruck. „Ihr Vorschlag?“
„Liquidieren, Señor Kommandant“, erwiderte der Teniente. „Am besten bei der Aktion morgen vormittag – unauffällig natürlich. Das ließe sich einrichten. Ich schlage vor, ihn morgen mit in das Dorf zu nehmen, und zwar unter dem Vorwand, daß er als Feldscher die Aufgabe habe, uns die kranken Bastarde zu bezeichnen und herauszusuchen. Bei dieser Gelegenheit könnte man einen Vorfall provozieren, in dessen Verlauf er erschossen wird – natürlich ein unglücklicher Schuß, weil er von einem dieser roten Hunde angegriffen wurde.“
„Sehr gut, ausgezeichnet!“ sagte Don Angelo Baquillo akzentuiert. „Sie übernehmen das, Teniente?“
„Es wird mir eine Ehre sein“, sagte der Teniente.
So wurde also noch ein Mord geplant, und keiner der Señoras des Stabes hatte dagegen den geringsten Einwand. Keiner gab zu bedenken, daß man mit diesem Mord auch den einzigen Arzt der spanischen Siedlung beseitigte. Und keinem dieser Offiziere war klargeworden, daß er bereit war, einem völlig sinnlosen – oder wahnsinnigen – Befehl Folge zu leisten. Man tat seine Pflicht, nicht wahr? Man gehorchte. Das Gewissen, so man es hatte, ignorierte man.
Der Stab wurde entlassen, der Adjutant würde die Einzelheiten und Orders für die Aktion des nächsten Tages ausarbeiten, exakt in der Rollenverteilung, präzise, nüchtern und soldatisch klar, wie die Abläufe für kriegerische Handlungen zu sein hatten. Der Feind war ja erkannt – nach Auffassung des Kommandanten. Und der mußte es wissen.