Читать книгу Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 38
9.
ОглавлениеGegen Mittag dieses ereignisreichen Tages begann einer der vier Offiziere aus dem Stab des Don Angelo Baquillo zu zittern und darüber zu klagen, daß er friere.
Die einmastige Jolle mit Don Angelo Baquillo am Steuer segelte immer noch an der Küste entlang nordwärts. Bisher war zwischen diesen fünf Männern kaum etwas gesprochen worden. Man hatte sich auch nichts zu sagen, es sei denn, man hörte nicht auf, sich über die unerhörte Frechheit der Wilden zu empören, die gewagt hatten, zu rebellieren. Aber auch dieses Thema erschöpfte sich einmal. So hatten sie verdrossen auf den Duchten gehockt, über das Wasser gestiert und im stillen sich bemitleidet.
Jetzt schreckten sie auf, als ihr Compadre zu lamentieren begann und das Boot mit seinem Gezittere zum Wackeln brachte. Und sofort rückten sie von dem Mann ab, getroffen von der Erkenntnis, daß ihn das tückische Fieber gepackt hatte.
„Hören Sie auf zu zittern, Mann!“ blaffte Don Angelo Baquillo.
„Ich friere so!“ klagte der Mann und zitterte weiter.
„Interessiert mich nicht“, sagte Don Angelo Baquillo wütend. „Reißen Sie sich gefälligst zusammen, Sie machen mich ganz nervös mit Ihren Zuckungen. Nehmen Sie sich eine Decke, und rücken Sie ganz nach vorn. Ich habe keine Lust, mich von Ihnen anstecken zu lassen.“
Die drei anderen nickten. Auch sie hatten keine Lust, dem Sumpffieber zu erliegen, dabei war „Lust“ noch verkehrt ausgedrückt, denn es gibt wohl kaum einen Menschen, der Lust darauf verspürt, krank zu werden. Eher gerät er in Panik angesichts einer Krankheit, die in den meisten Fällen mit dem Tode des Betroffenen endet.
So bildete sich sofort eine Front gegen den Kranken, und die Verbannung zum Bugraum der Jolle kam einer Ächtung gleich, die besagte, daß man nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle und Wert darauf lege, jegliche Berührung mit ihm zu vermeiden.
Der Kranke nahm sich eine Decke und quälte sich allein über die Duchten nach vorn. Er hüllte sich in die Decke ein und hockte sich nieder. Das Zittern vermochte er nicht zu unterdrücken. Es wurde stärker und schüttelte ihn regelrecht durch.
„Unmöglich, dieser Kerl!“ fauchte Don Angelo Baquillo.
Das fand der Adjutant auch und schlug vor, den Kranken über Bord zu werfen.
„Er gefährdet unser aller Leben!“ rief er, und die Hysterie in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Dagegen empfahl ein anderer, den Kranken an Land in den Sumpf zu stoßen, was seiner Meinung nach geeigneter sei, „die Keime der Krankheit“ zu ersticken, wie er sich ausdrückte.
Sie hatten alle vier so viel Gemüt wie ein Eisblock. Jeder dachte nur an sich selbst und das eigene wertvolle Leben, und es interessierte sie einen Dreck, ob der andere Qualen litt und dahinsiechte. Die Geschichte vom barmherzigen Samariter war ihnen unbekannt. War sie ihnen jedoch bekannt, dann sahen sie keine Veranlassung, sich den biblischen Mann zum Vorbild zu nehmen. Einen Samariter stuften sie in die Kategorie der Narren und Idioten ein.
Don Angelo Baquillo bedachte die freundlichen Vorschläge und erwog ihre Nützlichkeit. Er neigte auch zu der Lösung, den Mann in den Sumpf zu stoßen. Auf dem Wasser konnte der Mann vielleicht noch eine Weile treiben, bevor er unterging. Und bis zum Untergang würde er die Luft mit seiner Krankheit verpesten. Da war der Sumpf schon besser. Allerdings wäre man in diesem Falle gezwungen, zu landen, und da lauerten wieder die Gefahren der Sumpfwildnis.
Don Angelo Baquillo war sich unschlüssig und kaute auf seinem Schnauzbart herum. Natürlich verfluchte er diesen dämlichen Kerl, der sich jetzt erdreistete, krank zu werden.
Eine dritte Lösung verhinderte den geplanten Mord. Es war der Zufall, der hier eine unerwartete Rolle spielte.
Die spanische Kriegsgaleone „Galicia“, ein schwer bestücktes Schiff unter dem Kommando des Don Bruno Spadaro, sichtete die Jolle, die da unter Land nordwärts segelte.
Die „Galicia“ befand sich auf einer Patrouillenfahrt, wie sie von den Spaniern unternommen wurden, seit an den Küsten von Florida Piraten und Schnapphähne aufgetaucht waren, die mit Vorliebe die spanischen Siedlungen überfielen und ausplünderten.
Die Galeone, die von Pensacola ausgelaufen war, hatte den Auftrag, ganz Florida zu runden und dann Fort St. Augustine anzusteuern.
Als der Ausguck im Mars der „Galicia“ die Jolle sichtete und meldete, befahl Don Bruno Spadaro, ein recht guter Seemann und Haudegen mit zahlreichen Gefechtserfahrungen, den Kurs zu ändern und das Boot anzusteuern.
Dort hatte man die Galeone inzwischen auch gesichtet und winkte wie verrückt. Don Angelo Baquillo vergaß seine Mordpläne und segelte seinerseits auf die Galeone zu. Mit der für ihn typischen Überheblichkeit erklärte er, er habe doch gewußt, daß sie der „Galicia“ begegnen würden. Er kannte dieses Schiff, das schon mehrere Male die Waccasassa-Bucht angelaufen hatte, um Materialien für den Werftbau und die dort entstehenden Schiffe zu bringen.
Eine halbe Stunde später befanden sich Don Angelo Baquillo und sein Stab an Bord der Galeone. Der Kranke wurde sofort in einer isolierten Kammer untergebracht und von einem Feldscher versorgt.
Don Angelo Baquillo erstattete dem Kommandanten der „Galicia“ Bericht und schilderte die unerhörten Vorgänge der letzten Nacht, wobei er es mit der Wahrheit nicht so genau nahm und herausstrich, daß er und sein Stab bis zum letzten gekämpft hätten, aber angesichts der Übermacht wäre ihnen nichts anderes übriggeblieben, als sich fechtend in die Wildnis zurückzuziehen. Und heute morgen hätten sie noch einmal um die Jolle kämpfen müssen, denn die tückischen Hunde hätten noch Krieger zurückgelassen, die über sie hergefallen wären.
Don Bruno Spadaro war völlig perplex über die Tatsache, daß die Timucuas mit einer Galeone geflohen waren. Und er ging ebenfalls auf westlichen Kurs, um ihnen die „San Donato“ wieder abzujagen.
Im Morgengrauen des 14. September vollzog sich die dramatische Begegnung der drei Schiffe – der „San Donato“, der „Isabella“ und der „Galicia“. Das war über hundert Seemeilen westlich der Cedar Keys und an die achtzig Seemeilen südlich von Kap San Blas.
Aber die „Isabella“ hatte die „San Donato“ eher erreicht. Dank Tamao hatte man sich den Timucuas als Freund zu erkennen gegeben und von ihnen mit Schrecken erfahren, welche Zustände an Bord herrschten.
Etwa einhundertdreißig Menschen befanden sich auf der „San Donato“. Von ihnen litten bereits dreißig unter Fieberanfällen und Krämpfen, den typischen Anzeichen des furchtbaren Sumpffiebers. Von den übrigen hundert waren siebzig Frauen, Kinder und alte Leute. Da blieben nur an die dreißig Männer, von denen die „San Donato“ unter Anleitung der fünf Spanier gesegelt worden war.
Darum auch hatten die Seewölfe in der Nacht immer mehr aufholen können. Sie hätten festgestellt, daß die „San Donato“ nicht voll ausgesegelt wurde. Natürlich konnten die Timucuas nicht über Nacht zu vollwertigen Seeleuten werden, bei allem Fleiß und aller Lernbegierde war das ein Unding.
Hinzu kamen die Kranken an Bord, um die man sich kümmern mußte. Und alles war ungewohnt, einschließlich der einzigen Kochstelle für so viele Menschen.
Angst und Nervosität hatten sich auf dem Schiff ausgebreitet – Angst, den Spaniern zu begegnen, denen man gnadenlos ausgeliefert gewesen wäre, Nervosität, weil mit dem Segeln nicht alles so klappte, wie man sich das vorgestellt hatte. Einmal war die „San Donato“ aus dem Ruder gelaufen, als Marcos einen Timucua an den Kolderstock gestellt hatte, um ihn anzulernen. Da hatten die Segel wie verrückt geknattert, und die Rahen waren herumgeschlagen. Die Galeone hatte sich weit auf die Seite geneigt, und die Timucuas waren nach Lee gerutscht.
Fast wären die Krieger über die fünf Spanier hergefallen, weil sie dachten, die hätten diesen plötzlichen Zustand bewußt herbeigeführt, um den Timucuas zu schaden.
Shawano hatte die Ruhe bewahrt und seine Krieger sehr schnell wieder zur Räson gebracht.
Aber die Nervosität oder eine gewisse Unsicherheit war geblieben und dann wieder aufgeflammt, als man merkte, daß von achtern eine Galeone auflief, die viel, viel schneller als die „San Donato“ war.
Marcos hatte erklärt, das sei kein ihm bekanntes Schiff, vor allem habe er noch nie bei einer Galeone so hohe Masten gesehen. Er könne sich nicht vorstellen, daß dies ein spanisches Schiff sei. Insgeheim hatte er die „Isabella“ für einen Piratensegler gehalten, das aber nicht laut gesagt, um die Timucuas nicht noch mehr zu verstören.
Die „San Donato“ war mit sechzehn Culverinen bestückt, aber wer hätte sie bedienen sollen? Die Timucuas hatten den Spaniern zwar abgeschaut, wie man mit den Handfeuerwaffen hantierte, aber mit den Kanonen wußten sie nicht umzugehen.
Es war alles ziemlich hoffnungslos.
Wenn es so sein sollte, konnte man nur versuchen, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen, wenn die Piraten enterten. Aber vielleicht konnte man sie abhalten, das zu tun – die Habseligkeiten der Timucuas waren keine Beute für die Schnapphähne zur See.
Die Ungewißheit war vorbei, als die „San Donato“ von dem fremden Schiff aus in der Sprache der Timucuas angerufen worden war.
Kein Feind, sondern ein Freund!
Sogar der beherrschte Shawano hatte aufgeschrien, als er vernahm, daß Tamao und Asiaga an Bord des fremden Schiffes, eines Engländers, seien. Also keine Spanier.
Schwerfällig drehte die „San Donato“ in den Wind, und die Segel wurden aufgegeit. Die Rahen mußten fast mittschiffs geschiftet werden, damit das englische Schiff längsseits gehen konnte.
Das genau war der Moment im Morgengrauen des 14. September, als der Ausguck im Großmars der „Isabella“ einen Alarmschrei ausstieß und Mastspitzen an der östlichen Kimm meldete. Sam Roskill war es, der dort oben Ausguck ging und aufgepaßt hatte, ohne sich von dem Längsseitsgehen bei der „San Donato“ ablenken zu lassen.
Hasard ließ sofort wieder abfallen und verschob das Manöver. Er blieb in der Nähe der „San Donato“ und wartete ab. Eine Viertelstunde später meldete Sam Roskill, unterstützt von Dan O’Flynn, der zu ihm aufgeentert war, daß es sich bei dem heransegelnden Schiff um eine spanische Kriegsgaleone handele.
„Klarschiff zum Gefecht!“ befahl Hasard ruhig. „Shane, Batuti, holt eure Langbögen und entert auf! Ferris, auch auf deine Pulverflaschen werden wir nicht verzichten können. Ich schätze, daß es ziemlich rundgehen wird!“
Nicht auf die „Isabella“ segelte die Kriegsgaleone zu, sondern stur auf die „San Donato“. Die „Isabella“ schien man seitens der Spanier überhaupt nicht zu beachten. Vielleicht dachte man, dieses Schiff habe sich nur bei der „San Donato“ aufgehalten, weil man entdeckt hatte, daß dort Indianer an Bord waren. Und Indianer hatten nicht an Bord von Galeonen zu sein.
Dann blitzte es bei der „Galicia“ auf, und man setzte der treibenden „San Donato“ einen Warnschuß vor den Bug.
Eine spanische Stimme, die bis zur „Isabella“ zu hören war, forderte „die roten Räuber“ auf, die Flagge zu streichen und sich zu ergeben.
„Los geht’s!“ sagte Hasard.
Mit dem Wind, der aus Südwesten wehte, schob er sich vor der „San Donato“ vorbei, als habe er die Absicht, allen Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen. Dann ließ er halsen, segelte über Backbordbug raumschots weiter, so daß seine Steuerbordbreitseite der „Galicia“ zugewendet war, und als diese querab lag, fielen die Stückpforten.
„Feuer frei!“ brüllte Hasard.
Die Spanier hätten überraschter nicht sein können, zumal sie ihre Aufmerksamkeit auf die „San Donato“ konzentriert hatten. Tatsächlich hatten sie angenommen, der fremde Segler sei eine Zufallsbegegnung. Und daß der sich verzog, wenn man hier mit den unverschämten Indianern zur Sache kam, hielt man für völlig selbstverständlich.
Die Salve der „Isabella“ traf voll – die Entfernung hatte knapp hundert Yards betragen.
Der Fockmast der „Galicia“ wurde umgesenst, die Höllenflaschen Ferris Tuckers lagen im Ziel und verstreuten Tod und Verderben, und Big Old Shanes und Batutis Brand- und Pulverpfeile rasten in die spanische Kriegsgaleone.
Hasard ging auf Gegenkurs und hämmerte seine Backbordbreitseite in die „Galicia“. Von dort wurde dieses Mal zurückgeschossen, und die „Isabella“ erwischte ein paar Treffer, aber die waren nichts im Vergleich zu den Dons. Dort herrschte bereits Zustand, zumal sich die Brände verstärkten.
Als Hasard die „Isabella“ zum dritten Angriff ansetzte, ergriff die spanische Galeone die Flucht. Brennend segelte sie nordwärts und verschwand hinter der Kimm.
Jetzt konnten sich die Seewölfe wieder um die Timucuas kümmern, aber ihnen schwante bereits, daß es bei dieser Begegnung mit den Spaniern nicht bleiben würde. Da bahnte sich mehr an. Die Frage lautete nur, wie schnell man sich mit den Timucuas aus dieser Gegend verziehen konnte – und drüben auf der „San Donato“ waren Kranke an Bord …
ENDE