Читать книгу Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 12

7.

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Ilaria war es in mühseliger, zeitraubender Arbeit gelungen, das Brett in der Rückwand der Hütte zu lockern. Sie stieß es nach außen, dann löste sie noch ein zweites Brett, und der auf diese Weise entstehende Spalt war breit genug, ihre schlanke Gestalt hindurchzulassen.

Ihre fünf Freundinnen versuchten, sie zurückzuhalten.

„Tu’s nicht“, flüsterte eine von ihnen. „Solange wir hier gefangen sind, kann uns nichts zustoßen. Aber wenn du fliehst und die alte Hexe dich erwischt, schlitzt sie dich mit dem Messer auf.“

„Sei still“, raunte Ilaria ihr zu. „Begreifst du nicht? Die Spanier kommen, das hast du doch gehört. Sie bereiten eine Landung vor. Wir gehen dabei drauf, das versichere ich dir.“

„Aber – sie sind doch unsere Landsleute“, sagte ein anderes Mädchen, „Uns tun sie nichts an.“

„Sie werden glauben, daß wir zu der Bande gehören“, widersprach Ilaria. „Und dann fackeln sie nicht lange. Gebt euch keinen falschen Hoffnungen hin. Wir müssen die Gelegenheit nutzen und von hier verschwinden. Wartet, ich sehe nach, ob die Luft rein ist. Dann sage ich euch Bescheid.“

„Ilaria hat recht“, sagte eins der Mädchen leise. „Selbst wenn uns die Spanier am Leben lassen, haben wir keine rosige Zukunft vor uns. Sie würden uns höchstens in ein Bordell der Neuen Welt verfrachten, wie der Kapitän des Schiffes es vorhatte, das von Mardengo überfallen wurde.“

„Eben“, flüsterte Ilaria. „Wir sind nun mal Huren, daran ändert sich nichts. Aber wir haben heute nacht die einmalige Chance, unsere Freiheit zu erkämpfen. Die nehme ich wahr. Rührt euch nicht von hier weg.“

Damit schlüpfte sie ins Freie. Ihre Gefährtinnen blickten ihr durch die Öffnung in der Wand nach, konnten ihre Gestalt aber nur noch kurz sehen, denn die Finsternis deckte alles zu. Sie hielten den Atem an. Ilaria hatte Mut, aber würde das Vorhaben wirklich gelingen?

Oft genug hatten sie erwogen, von der Insel zu fliehen, aber jeder Plan war wieder verworfen worden, denn es genügte nicht, aus dem Lager zu entwischen und einen der Einmaster zu entführen – Pirates’ Cove lag einsam und verlassen im Golf von Neuspanien, wie Oka Mama und Mardengo ihnen immer wieder erklärt hatten. Wer keinen Proviant und kein Wasser mitnahm, würde die Fahrt zum Festland, die Wochen dauerte, niemals überstehen.

Aber Ilaria setzte alles auf eine Karte. Sie wollte das Durcheinander, das seit dem Eintreffen der Engländer und dem nun völlig überraschenden Erscheinen der Spanier herrschte, entsprechend ausnutzen.

Die Zeit mußte ausreichen, ein Boot zu beschaffen und den erforderlichen Proviant zu stehlen. Vielleicht gelang es ihr auch, die beiden Negersklaven dazu zu überreden, sich an dem Unternehmen zu beteiligen. Sie hatten große Angst, besonders vor Oka Mama, aber auch sie warteten nur auf eine Gelegenheit, Pirates’ Cove zu verlassen.

Ilaria tauchte im Mangroven- und Lianendickicht unter, sie wollte einen der Pfade erkunden, den die Piraten in den Urwald getrieben hatten. Wenn hier kein Wachtposten stand, war der Fluchtweg zur Küste und möglicherweise auch bis zur Ostbucht frei.

Sie hatte keine Waffe, nicht einmal ein winziges Messer. Oka Mama wachte über die sechs Mädchen, nichts konnte ihr entgehen. Sie hatte sie in die Hütte gesperrt, weil sie ahnte, daß sie das Gefecht als Anlaß nehmen würden, sich heimlich davonzuschleichen. Sie hatte angenommen, daß es den Mädchen ohne Hilfsmittel nicht gelingen würde, die Hütte aus eigener Kraft zu verlassen – aber in diesem Punkt hatte sie sich getäuscht.

Ilaria haßte die Piraten, denen sie ausgeliefert war, aber noch mehr haßte sie Oka Mama, die keine Gelegenheit ausließ, die Mädchen und die Sklaven schlecht zu behandeln. Am liebsten hätte sie Oka Mama getötet, aber sie wußte, daß sie keine Chance gegen sie hatte. Die Alte sah gebrechlich aus, aber sie war es nicht. Sie war flink und wendig und konnte es im Kampf mit jedem Mann aufnehmen. Das zeigte auch die Tatsache, daß sie den großen Mann mit den Narben im Gesicht, der offenbar Carberry hieß, überwältigt hatte.

Durch die Ritzen zwischen den Brettern der Hütte hatten die Mädchen alles beobachten können. Den Gesprächen hatten sie entnommen, was sich ereignet hatte. Die Engländer waren in die Falle gegangen, jetzt erwartete sie ein grausames Ende.

Eigentlich hegte Ilaria im stillen eine tiefe Bewunderung für die Männer der „Isabella“. Sie hatte vernommen, daß sie englische Korsaren waren, und der Name Killigrew war ihr nicht neu. Dieser Philip Hasard Killigrew, der auch der Seewolf genannt wurde, sollte ein toller Kerl sein. Er hatte der spanischen Krone schon immer zugesetzt, aber daß er auch gegen Piraten kämpfte, war Ilaria bisher nicht bekannt gewesen.

Sie hätte sich gewünscht, von diesem. Killigrew mitgenommen zu werden, aber die Korsaren waren Gefangene der Piraten, und sie hatten keine Chance mehr, sich zu befreien. Ilaria mußte handeln. Ihre Gefährtinnen und sie waren auf sich allein angewiesen, und auch von den beiden Schwarzen durften sie keine große Unterstützung erhoffen.

Alles das ging Ilaria durch den Kopf, während sie sich durch das Gestrüpp arbeitete, um den Pfad zu erreichen. Fünf solcher Wege gab es auf Pirates’ Cove, und sie kannte ihren Verlauf Yard für Yard. Sie wußte auch, wo sich die Fallen befanden, aber sie war nicht darüber informiert, wo sich das Schatzversteck Mardengos befand. Die Piraten schwiegen sich darüber aus.

Ihr Gesicht war angespannt und leicht verzerrt. Kein Gold und Silber wollte sie – nur ihre Freiheit. Sie trug eine Perlenkette, die einer der Piraten ihr großzügig geschenkt hatte, aber sie war bereit, auch die zurückzulassen, wenn nur die Flucht gelang.

Plötzlich registrierte sie rechts neben sich eine Regung und wollte herumfahren, aber es war zu spät. Sie konnte nicht mehr reagieren. Starke Hände schossen aus dem Gebüsch hervor und packten sie, die eine riß sie am Arm zu Boden, die andere preßte sich gegen ihren Mund.

„Keinen Laut“, flüsterte eine Männerstimme auf spanisch. „Keine Dummheiten – es geschieht dir nichts, wenn du vernünftig bist.“

Lieber Gott, dachte sie, jetzt haben sie mich doch entdeckt. Jetzt ist alles aus.

„Ich nehme die Hand von deinem Mund, wenn du mir versprichst, nicht zu schreien“, raunte ihr der Mann zu. „Wirst du still sein?“

Ilaria nickte. Seltsam, sie kannte die Stimme nicht und wußte nicht, welcher Pirat das war, der sie überrumpelt hatte. Er zog die Hand zurück, und sie konnte ihren Kopf wenden und ihm ins Gesicht blicken.

Sie war grenzenlos überrascht. Ein halbnackter Mann kauerte neben ihr im Dickicht – und was für ein Mann! Groß, breitschultrig, stark, schwarzhaarig, gutaussehend mit harten, markanten Zügen: von solch einem Kerl träumten selbst hartgesottene Kurtisanen. Unwillkürlich schloß Ilaria die Augen, dann öffnete sie sie wieder und gab einen leisen Seufzer von sich.

„Du hattest mir versprochen, keinen Laut von dir zu geben“, sagte er.

„Allmächtiger! Wer bist du?“

„Philip Hasard Killigrew. Aber verrate mich nicht.“

Fast wurde ihr schwindlig. „Du – bist das? Aber Mardengo hat dich doch – gefangengenommen.“

„Ganz ruhig bleiben“, zischte Hasard, dann lächelte er. „Wir haben uns eines kleinen Tricks bedient. Weißt du, warum ich dir das erzähle? Ich habe das Gefühl, ich kann dir trauen.“

„Ja, ja!“ versicherte sie eifrig. „Ich heiße Ilaria.“

„Gut, Ilaria. Bist du auch eine Gefangene?“

„Sozusagen. Aber wer ist der Mann, der sich als der Seewolf ausgegeben hat?“

„Ferris Tucker“, entgegnete Hasard gedämpft. „Mein Schiffszimmermann. Und der, der sich Ferris nennt, ist Dan O’Flynn.“

Sie schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, da steige ich nicht durch. Aber das spielt auch keine Rolle. Du willst deine Freunde befreien. Ich helfe dir dabei, aber unter einer Bedingung.“

„Daß ich dich mitnehme?“

„Mich – und meine fünf Freundinnen“, flüsterte sie.

„Heiliger Strohsack.“ Hasard hatte erst jetzt Gelegenheit, sie ausgiebig zu betrachten. Hübsch war sie, dunkelhaarig, rundum gesund und von Mutter, Natur großzügig mit Rundungen bedacht, eine echte Spanierin, aus Andalusien ihrem Akzent nach, eine Lady mit Feuer im Blut. „Das wird ja immer lustiger“, murmelte er. „Und die beiden Schwarzen nehmen wir natürlich auch mit, wenn uns die Flucht gelingt, oder?“

„Ja.“

„Warum hält man euch hier fest? Seid ihr Geiseln?“

Unwillkürlich schlug sie die Augenlider nieder. „Nein.“ Zum erstenmal in ihrem Leben schämte sie sich ihres Metiers. Es war seltsam, aber dieser schwarzhaarige, atemberaubend verwegene Mann krempelte ihr gesamtes Gefühlsleben um. Sie war verwirrt.

„Mardengo hat uns von einem spanischen Schiff entführt, das er überfiel“, wisperte sie. „Wir sollten eigentlich in einem Wirtshaus der Neuen Welt unsere – unsere Arbeit tun, aber nun sind wir eben auf dieser verdammten Insel gelandet.“

„Ich verstehe“, sagte er leise, dann hielt er ihr die Hand hin, die bisher noch ihren Arm festgehalten hatte. „Das ändert aber nichts. Wir sind Verbündete, und ich tue alles, um euch an Bord der ‚Isabella‘ zu holen, die ich zurückerobern werde.“

Sie übersah die Hand und fiel ihm um den Hals. Ihre Küsse bedeckten sein Gesicht, er versuchte, sich sanft dagegen zu wehren, aber ihr Temperament ließ sich nicht zügeln. Es gelang ihr, ihn umzuwerfen. Ihr weicher, warmer Körper preßte sich auf ihn.

„Ilaria“, flüsterte er. „Nichts gegen deine Zärtlichkeiten, aber dazu ist jetzt wirklich keine Zeit. Wir können uns später noch ausführlich unterhalten.“

„Oh, du hast recht.“ Sie richtete sich auf. Ihre Augen schienen zu funkeln, sie lächelte. „Wir werden uns unterhalten, Hasard, am besten in deiner Kammer an Bord der ‚Isabella‘. Ich habe dir viel zu erzählen, sehr viel. Und meine Phantasie kennt keine Grenzen.“

„Das glaube ich dir gern.“ Er erhob sich und räusperte sich leise. Natürlich würde er sie enttäuschen müssen, die Autorität des Kapitäns durfte schließlich nicht untergraben werden. Aber das konnte er ihr später erklären – falls alles klappte.

„Schnell jetzt“, drängte er sie. „Wir müssen ins Lager und die Wachen überwältigen.“

„Warte.“ Sie brachte ihr Gesicht dem seinen wieder ganz nahe. „Das geht so nicht. Vor allem darfst du Oka Mama nicht unterschätzen. Lieber stirbt sie, als daß sie zuläßt, daß deine Kameraden befreit werden. Verstehst du?“

„Wir müssen sie ablenken – sie und die Kerle.“

„Ich weiß, was wir tun können“, flüsterte sie. „Du mußt mir vertrauen, bitte. Laufen wir zur Landzunge an der Ostbucht.“

„Das ist zu weit.“

„Nein. Ich kenne alle Pfade, und ich weiß, wo die Fallen sind. Sie befinden sich in erster Linie im nordwestlichen Bereich der Insel. Wir haben freie Bahn – und wenn wir das Katapult auf der Landzunge bedienen und die Feuertöpfe auf die Werft und die Skull-Insel schleudern, läßt die Alte hier alles im Stich. Wir können im Nu zurückkehren und die Hütten öffnen.“

Was sie sagte, klang überzeugend. Hasard hatte keine andere Wahl, er mußte auf ihren Vorschlag eingehen. Denn sie hatte recht – die Zahl der Wächter im Lager war nicht sehr groß, aber immer noch zu groß. Ehe er sie überwältigt hatte, schlugen sie möglicherweise Alarm. Dann genügte es, wenn nur ein paar der Kerle vom Fluß ins Lager zurückkehrten, und das ganze Unternehmen war zum Scheitern verdammt.

Viel klüger war, die Piraten durch eine gezielte Aktion abzulenken. Somit war auch das Risiko geringer, daß die Arwenacks in den Hütten in Gefahr gerieten. Hasard mußte jedes Risiko vermeiden, Ilarias Auftauchen war ihm gerade recht.

Er nahm sie bei der Hand, und gemeinsam hasteten sie durch den Dschungel. Sie begegneten niemandem, kein Posten verstellte ihnen den Weg. Nur kurze Zeit verging, und sie hatten die Landzunge im Norden der Bucht bereits erreicht, wie Ilaria gesagt hatte. Hasard wußte jetzt, daß er ihr wirklich trauen durfte.

Seewölfe Paket 18

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