Читать книгу Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 18

3.

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Niemand an Bord der „Isabella“ bestaunte das Mädchen, als verkörpere es das siebente Weltwunder. Diese hartgesottenen Männer, die oft genug mitten in die Hölle gesegelt waren, um den Teufel am Schwanz zu zwacken, diese rauhen Burschen begegneten dem zierlichen jungen Mädchen mit fast scheuer Zurückhaltung und beinahe ebensoviel Mitgefühl.

Moana spürte es deutlich, als sie in die verwegenen Gesichter blickte. Und sie fühlte sich wie in einem Taumel. Die Eindrücke, die auf sie einstürmten, waren zu vielfältig und zu übermächtig.

Nach der für sie wundersamen Rettung erlebte sie die fremde Welt, die das Schiff für sie bedeutete, mit grenzenlosem Staunen und der Begeisterungsfähigkeit eines kleinen Kindes.

Anfangs hatte sie ihre nackten Fußsohlen nur zögernd auf die Decksplanken gesetzt, deren hartes Holz ihr unbekannt war. Aber Dan O’Flynn hatte sie bei der Hand genommen, und schon nach wenigen Schritten wurde ihr wohler.

Ihre Blicke erforschten die Gesichter, die lächelten, ihr zunickten und ihr einen so unmißverständlich herzlichen Empfang bereiteten, daß nicht einmal ein Anflug von Furcht in ihr entstand.

Da war Edwin Carberry mit seinem wüsten Narbengesicht, das sich so friedlich wie selten zuvor zeigte. Und Batuti, der herkulische Gambianeger, der lachend die perlweißen Zähne entblößte und für Moana trotz seiner unbekannten Hautfarbe nichts Erschreckendes hatte. Ferris Tucker, der rothaarige Riese, stützte sich auf den Griff seiner Zimmermannsaxt und blinzelte verschmitzt. Ein wenig ernst und verschlossen wirkte Ben Brighton, doch gerade dieser Wesenszug machte ihn auf Anhieb sympathisch, denn es war nichts Ungerades in seinem Gesichtsausdruck. Und Old Donegal Daniel O’Flynn, der rauhbeinige Seebär, humpelte mit Holzbein und Krücken heran, klopfte seinem Sohn auf die Schulter und wollte sich ausschütten vor Vergnügen, als er Moanas fassungslosen Blick bemerkte, mit dem sie die schmerzlichen Relikte seiner kriegerischen Vergangenheit betrachtete.

All die anderen waren dem Mädchen gegenüber von kaum geringerer Zuneigung erfüllt. Der Kutscher ebenso wie Smoky, der bullige Decksälteste, Blacky, der schwarzhaarige Kämpfer, Pete Ballie, der stämmige Rudergänger, und Gary Andrews, der hagere Fockmastgast. Furchterregend wirkte Matt Davies, der anstelle der fehlenden rechten Hand einen Eisenring mit spitzgeschliffenem Haken trug. Jeff Bowie trug eine ähnliche Hakenprothese links. Das fröhliche Lachen der beiden Männer zerstreute Moanas anfängliches Schaudern. Und sie blickte in die gütigen braunen Augen des Stückmeisters Al Conroy und in das schmale Gesicht des versonnen lächelnden Bob Grey. Will Thorne, der Segelmacher, stand neben Big Old Shane, dem riesenhaften Schmied von Arwenack, der trotz seiner wilden grauen Bartpracht sichtbare Freundlichkeit erkennen ließ. Bill, der schwarzhaarige Moses, hatte seinen Platz im Ausguck beibehalten. Doch er winkte zur Kuhl hinunter, als er sah, wie Moana mit beinahe ehrfürchtigen Blicken die Höhe der Masten maß.

Auch die Söhne des Seewolfs waren zur Stelle und ebenso Siri-Tong, die dem Mädchen entgegeneilte und ihm beide Hände auf die schmalen Schultern legte.

Moana sperrte den Mund auf, als plötzlich ein durchdringendes Kreischen ertönte. Mit elegantem Schwung segelte Sir John, der karmesinrote Ara-Papagei, von der Fock-Marsrah nach unten und landete zielsicher auf der Schulter von Hasard junior. Dort glättete er sein Gefieder, plusterte sich auf und wiegte sich aufgeregt von einer Seite zu anderen.

„Affenarsch!“ krächzte er mit erschreckender Deutlichkeit. „Lausiger Affenarsch!“

Siri-Tong holte tief Luft. Dan O’Flynn sah aus, als wolle er sich mit einem Satz auf den vorlauten Vogel stürzen. Und auch den übrigen Männern gefror das Lächeln.

Sir John schien durch die plötzliche Stille ermuntert.

„Miese Kakerlake!“ fuhr er fort. „Bilgenratte!“

Hasard junior warf seinem Zwillingsbruder einen amüsierten Blick zu, und Philip junior deutete mit einer Kopfbewegung zu Edwin Carberry, der sich inmitten der Crew betreten abwandte, um die gelinde Röte zu verbergen, die sein Narbengesicht plötzlich überzog. Durch nichts konnte sich der Profos herausreden. Er und kein anderer war verantwortlich für den enormen Wortschatz des gefiederten Sir John.

Doch bevor einer der Männer eingriff, löste Moana das Beklemmende der Situation auf ihre Weise. Sie nickte Siri-Tong und Dan O’Flynn zu, lachte, ließ die beiden stehen, ging Sir John entgegen und verneigte sich vor ihm, indem sie die Unterarme vor der Brust kreuzte. Dabei sagte sie etwas, das wie eine Begrüßung klang. Und als solche hatte sie vermutlich auch die Worte des karmesinroten Schwätzers verstanden, bei denen die Männer der Crew am liebsten zwischen den Decksplanken versunken wären.

Beifälliges Gelächter wurde laut. Sir John blinzelte, und dann schloß er wohlgefällig die Augen, als Moana ihn hinter dem Kopf kraulte.

„Ich werde mich erst einmal um die Kleine kümmern“, entschied Siri-Tong. Aus ihren Worten klang deutlich, daß sie keinen Widerspruch duldete.

„Aber …“, wandte Dan O’Flynn ein. Er verstummte sofort wieder, als er den knappen Seitenblick der Roten Korsarin spürte.

Hasard beobachtete lächelnd, wie Dan rot anlief.

„Es gibt gewisse Gelegenheiten“, erklärte Siri-Tong energisch, „in denen einer Frau am besten mit der Gesellschaft einer Frau geholfen ist. Das ist hier in der Südsee nicht anders als in der nebligsten Ecke von Cornwall. Zum Dahinschmachten wirst du noch Zeit genug haben, Mister O’Flynn!“

Dan knirschte mit den Zähnen, denn aus den schmunzelnden Mienen der anderen las er Spott.

Hasard ergriff seinen Unterarm.

„Schluck es hinunter, Dan. Siri-Tong hat schon recht, wenn du ehrlich bist.“

Dan nickte krampfhaft.

Siri-Tong wandte sich ab und nahm Moana bei der Hand. Gemeinsam gingen sie auf die Kapitänskammer zu.

Etwas geschah, als sie erst zwei Schritte hinter sich gebracht hatten.

Fast schien es, als hätte Arwenack den Zeitpunkt seines großen Auftritts sorgfältig vorgeplant. Einige der Männer waren noch lange danach überzeugt, daß der Schimpanse im Grunde ein gerissener Halunke war, der genau wußte, welchen Moment er sich aussuchen mußte, um allen anderen die Schau zu stehlen.

So turnte er mit plötzlichem Kekkern vom Großmast hinunter, überbrückte die letzten sechs Fuß mit einem Sprung und hüpfte scheinbar unbeholfen über die Decksplanken – vor aller Augen. Jeder an Bord der „Isabella“ wußte, daß diese Unbeholfenheit nur gespielt war. Es gehörte zu Arwenacks gut einstudiertem Gehabe, mit dem er bei Fremden eine Mischung von Mitleid, Zuneigung und Zärtlichkeit hervorrief.

Daß er mit seinem Erscheinen bei Moana indessen eine völlig andere Reaktion bewirkte, ahnte der listige Schimpanse nicht im entferntesten.

So prallte er erschrocken zurück, als er sah, wie sich die Polynesierin mit ehrfürchtiger Miene zu Boden warf. Mehrmals hintereinander richtete Moana ihren Oberkörper auf, hob dabei die Arme mit nach vorn gerichteten Handflächen und murmelte etwas, das die Männer der „Isabella“ entfernt an die Gebete der Menschen im Orient erinnerte.

Arwenack rieb sich mit der flachen Hand über die Augen, klappte die Lider zu, öffnete sie wieder und bleckte voller Verwirrung die mächtigen Zähne.

Als Moana schließlich in nicht endender Ehrfurcht auch noch die Decksplanken küßte, platzte dem jungen O’Flynn der Kragen.

Er stürzte los, an Siri-Tong vorbei, und war im Begriff, dem Schimpansen einen Fußtritt zu versetzen.

„Jetzt reicht es, du Mistvieh! Verschwinde!“

Mit einem Entsetzenslaut nahm Arwenack gerade noch rechtzeitig Reißaus. Er flüchtete in Richtung Vorkastell, hüpfte über mehrere Taurollen und war im nächsten Moment verschwunden.

Dan drehte sich um und half dem Mädchen fürsorglich auf die Beine. Siri-Tong und die anderen standen noch immer wie versteinert.

Moana starrte den jungen Mann entsetzt an. In ihren Augen las er, daß sie nicht begreifen konnte, was er getan hatte.

„Das ist ein ganz normaler Affe“, sagte er, „ein ganz normales Mistvieh. Verstehst du?“

Sie verstand nicht.

Hilflos blickte Dan in die Runde. Aber auch die anderen wußten nicht, wie man das in die Zeichensprache übersetzen konnte.

Siri-Tong gab sich einen Ruck, nahm Moana wieder bei der Hand und führte sie zur Kapitänskammer. Diesmal ohne Hindernisse.

Für Hasard war es nicht besonders schwierig, zwei und zwei zusammenzuzählen. Da war dieser reichlich fette Gibbon-Affe gewesen, den der Inder auf der Schulter getragen hatte. Und dann die Tatsache, daß Moana beim Anblick eines Affen auf die Knie fiel. Zwar sah ein Schimpanse anders aus als ein Gibbon, aber das Mädchen hatte Arwenack zweifellos in die gleiche Tierfamilie eingestuft.

Hasard hatte das unbestimmte Gefühl, daß er sich mit diesem Charangu, der sich selbst König nannte, näher befassen mußte.

Ben Brighton war der gleichen Meinung wie Hasard. Der Ankerplatz der „Isabella“ war in Ordnung. Noch näher an das Korallenriff heranzugehen, erschien zu riskant.

Daß es einen etwas längeren Aufenthalt geben würde, hatte für den Seewolf einen weiteren Grund – abgesehen von dem mysteriösen Geschehen um das Mädchen Moana.

Sie hatten die Bewohner der Insel Hawaii vor einer wilden Meute französischer Freibeuter gerettet. Deren Anführer Malot war jedoch mit der Galeone „Saint Vincent“ entkommen. An Bord hatte er etwa zwanzig Geiseln, unter ihnen König Zegu und den Deutschen namens Thomas Federmann, der schon seit vielen Jahren auf Hawaii lebte und sich der Malerei verschrieben hatte. Aufgrund einer Zeichnung von Federmann waren die Freibeuter unter Malot jetzt auf der Suche nach einer Insel. Es handelte sich um eine unbekannte Insel, die angeblich einen Schatz bergen sollte. In ihrer Gier war den Franzosen bislang offenbar nicht aufgegangen, daß sie möglicherweise durch eine fingierte Skizze auf eine falsche Spur gelockt wurden.

Immerhin war es aber denkbar, daß auch Malot und seine Meute auf diese Insel gestoßen waren, die sich Kahoolawe nannte. Das herauszufinden, war allein schon ein Grund, an Land zu gehen.

Auf Hasards Anordnung hatten sich alle Mitglieder der Crew an Deck versammelt. Gemeinsam mit Ben Brighton verließ der Seewolf das Quarterdeck und trat in den Halbkreis, den die Männer auf der Kuhl gebildet hatten.

„Unser eigentliches Ziel kennt jeder von euch“, erklärte Hasard. „Ich denke, daß wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wenn wir uns die Insel näher ansehen. Wir können herausfinden, ob Malot hier gewesen ist. Außerdem werden wir klären, welche hinterhältigen und gemeinen Spiele dieser Inder mit einem Mädchen wie Moana treibt.“

„Vielleicht wollte die Kleine anders als er“, meinte Edwin Carberry, „was ein rechter Stinkstiefel ist, der reagiert giftig auf so was.“

Hasard schüttelte den Kopf.

„Es muß mehr dahinterstecken. Die Geschichte mit dem Affen ist ziemlich merkwürdig. Weshalb führt sich ausgerechnet ein Inder als König auf dieser Insel auf?“ Der Seewolf schnitt mit der flachen Hand durch die Luft. „Wie auch immer – ich möchte eure Meinung über Moana hören. Sofern ihr Leben in Gefahr ist, haben wir eine gewisse Verantwortung für sie.“

„Wir könnten sie mitnehmen“, schlug Dan O’Flynn spontan vor.

„So siehst du aus!“ rief Luke Morgan. „Vielleicht fragst du sie erst mal, ob sie das überhaupt will!“

„Nichts gegen Moana“, warf Stenmark ein, „aber wenn wir so weitermachen, haben wir bald das ganze Schiff voller Wei …“ Er verschluckte sich fast, als er den Blick des Seewolfs spürte.

Jeder respektierte mittlerweile Siri-Tong an Bord der „Isabella“, aber wenn es um grundsätzliche Diskussionen ging, traten gewisse Einstellungen manchmal wieder zutage. Typisch männliche Einstellungen, wie sie die rauhen Burschen vom Schlage der „Isabella“-Crew nun einmal nicht vollends unterdrükken konnten. Hasard nahm die Bemerkung Stenmarks beileibe nicht krumm. Aber es gab für ihn keinerlei Grund mehr, daß an Siri-Tongs Anwesenheit noch Kritik geübt wurde.

„Wir sollten Moana selbst entscheiden lassen“, meinte Ben Brighton. „Selbstverständlich kann sie nicht für immer an Bord bleiben. Aber wenn ihr Leben auf dieser Insel in Gefahr ist, könnten wir sie beispielsweise auf einer Nachbarinsel absetzen, wo sie in Sicherheit ist.“

„Ein guter Vorschlag“, sagte Edwin Carberry, „sieht so aus, als ob unser Erster mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen hat.“

Die übrigen Männer nickten zustimmend. Hasard lächelte zufrieden. Er sah, daß kein längeres Herumreden notwendig war. Sobald sie also die Lage auf Kahoolawe erforscht hatten, würde man auch entscheiden können, was mit Moana geschah.

Bis dahin blieb das Mädchen zunächst einmal an Bord der „Isabella“.

„Es ist möglich“, sagte der Seewolf, „daß wir auf Kahoolawe nicht mit offenen Armen empfangen werden. Zur Vorbeugung habe ich ein besonderes Rezept.“

In knappen Worten schilderte er den Männern seinen Plan. Ihre Augen begannen zu leuchten, und als Hasard geendet hatte, hieben sie sich gegenseitig vor Begeisterung auf die Schultern. In den leuchtendsten Farben malten sie sich aus, wie dieses Rezept wohl wirken mochte.

Seewölfe Paket 10

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