Читать книгу Der Fluch des Pharao - Rudolf Stratz - Страница 14

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Aus dem Bericht des Grossjournalisten Arthur Nothomb an den von ihm bedienten Teil der Weltpresse

Die Posaunen schreien. Die Jahrtausende werden wach. Die einst Gewesenen kehren zurück. Was tot ist, lebt, was lebt, verkörpert die Toten. Wie buntes Ameisengewühl flutet es, harft und flötet, singt mit heller Stimme und Priesterbässen zwischen den vierzig Fuss im Umfang klafternden Säulen, auf denen in vielfacher Lebensgrösse Isis und Osiris, Horis und Hathor und er selber, der gewaltige Ummon-Râ, hoch über den Menschlein ihren ewigen Weg schreiten.

Feierlich ragen vor seinem Tempel die Obelisken zu der goldfunkelnden Sternendecke des nachtblauen Nilhimmels. Wie die Schatten von Kirchtürmen sitzen da draussen als Wächter der Ewigkeit, aus Rosengranit gemeisselt, die Kolosse der Pharaonen, neben ihnen, als schmächtige Steinpuppe ihnen kaum bis zu den Knien reichend, eines jeden Schwester und Frau in der gleichen Königinnengestalt.

Näher und näher die gellen Stösse der Posaunen. Ihre ehernen Stimmen brechen sich fern an den götterbunten Wänden der heiligen Riesenhalle. Näher und näher die silbernen Hymnen der Tempelmädchen, näher und näher der dumpfe Donner der Lanzenschäfte an den Schilden. Der purpurne Glast des Fackelgeflackers kämpft blutig mit dem bläulichen Spinnweb des Mondscheins. Die „Throne der Welt“ scheinen zu beben. Der Pharao Amenophis IV., der grosse Ketzerkönig, der Sohn der Sonne, naht.

„Gebet Ehre Ammon, dem Herrn von Theben, welcher gegeben hat seinem Sohn, dem Pharao, den Sieg! Sein Vater Ammon machte stark seine Hände. Er spricht zu seinen Kriegern:,Euch seien alle Dinge der elenden Feinde, so wahr mich liebt der Sonnengott Râ!‘“

Buntfarbige Negersklaven tanzen brüllend als Läufer voraus. In feierlicher Rangordnung schreiten dahinter in Hieroglyphengewändern aus weissem Leinen und umgeworfenem Pantherfell die Hohenpriester, von den Reinigern der Seele zu den Göttlichen Vätern bis hinauf zu den Propheten. Die Standarte der Sphinx schaukelt über den Kriegshauben der Leibwachen. Ein Gewoge brauner Gestalten in braunen Hüftschürzen, in denen blank, ohne Scheide, die Kriegsmesser stecken, trägt auf hohen Stangen die heiligen, siegbringenden Goldstatuen von Ibis, Katze, Falke und Krokodil. Gefangene in kanariengelben Hemden trotten gedrückt mit ihnen. Das Menschenbrausen steigert sich zum Sturm. Da wandeln schon in taghellem Fackelglanz gemessenen Schritts die beiden Träger des rechten und des linken Königswedels, und dahinter erscheint, unter den Fanfaren und dem heiteren Händeklatschen aus der Halle und unter den lachenden Zurufen der Ladies, er selber, der Pharao.

Wahrlich — die Ladies hatten Grund, begeistert zu sein. Ich habe Herrn Konrad Sanders in den letzten Jahren wiederholt zufällig irgendwo auf der Welt getroffen — im Astor-Haus in Schanghai, im Hawai-Hotel in Honolulu, am Ufer des Guadalquivir auf dem Paseo de las Delicias, dem Abendkorso der schönen Welt von Sevilla. Ich hatte immer von ihm das Bild eines Mannes, von dem die Damen der Alten und der Neuen Welt träumen. Aber die Verwandlung in den Pharao selber setzte erst die Erscheinung dieses vorbildlichen und liebenswürdigen Gentleman in das rechte Licht.

Er stand aufrecht in einem zweiräderigen, blau-gelben Kampfwagen und lenkte mit an den Hüften befestigten Zügeln das Paar milchweisser Rosse mit blau-gelben Straussenfedern an den Köpfen und Mähnen. Alles getreulich nach den viertausendjährigen Bildern an den Tempelwänden. Er trug ein schneeweisses Streitgewand mit rot-blauem Pfeilköcher, in der Rechten den Ebenholzbogen, in der Linken die Geissel. Blau-goldener Kettchenputz glitzerte ihm am Hals und an den blossen Armen. Sein Haupt krönte die weissgesternte, blaue, hochgespitzte

Tiara. Oben auf ihr einten sich die Sonnenscheibe und die Kobraschlange als Zeichen seiner Macht über Leben und Tod.

War das ein Pharao? War das ein Apollo unserer Tage? Der antike Mensch in nordischer Wiedergeburt? Es war erstaunlich, wie sich in ihm die Jahrtausende mischten. Die Züge dieses Gentleman hatten in ihrer klassischen Formung etwas Zeitloses. Auf ihnen verschmolz die Erinnerung an den Geist ferner Zeiten und Erdteile — Asien — Ägypten — mit dem Urbild nordischer Herrenrasse. Diese schmalen, bartlosen Lippen, dieses dunkelblonde Haar, diese grossen hellblauen Augen weisen gebieterisch auf das Europa nördlich der Alpen, vielleicht schon nahe der See, obwohl Herr Konrad Sanders, soweit mir bekannt, aus gutbürgerlichen Verhältnissen im Innern Deutschlands stammt.

Mrs. Meg Sanders’ Gatte ist von mehr als mittelgrosser, schlanker, tadellos ebenmässiger Gestalt. Jede seiner Bewegungen zeigt den geschulten Sportsmann. Man sah es, als der kommende Entdecker des Scherchonk-Grabes — ein Pharao, der nach dem andern fahndet! — elastisch von dem Wagen sprang, um die Stufen zu seinem löwenfüssigen, mit elfenbeinernen Lotosblumen besäten Königsfessel aus vergoldetem Zedernholz emporzusteigen.

Da waren eigentlich zwei Sessel. Neben seinem goldenen Thron noch ein kleinerer und etwas weniger hoher. Dieser Ehrenplatz der Königin war leer, und er wurde leer bleiben. Denn Mrs. Meg Sanders, diese so allgemein beliebte Gastgeberin und für die smarte Welt diesseits und jenseits des Grossen Teichs massgebende Meisterin in gesellschaftlichen Spitzenleistungen, diese prächtige Lady zog es zu allgemeinem Bedauern vor, sich als ein allerdings höchst ergötzliches Nilpferd zwanglos zwischen ihren Gästen zu tummeln.

Sollte wirklich dieser königliche Mann, der da seine goldene Sandale auf die erste Thronstufe setzte, ohne seine Königin bleiben? Dieser Gedanke erzeugte Betrübnis und Bitterkeit in der hier versammelten auserwählten Gesellschaft der verschiedensten Nationen. Wenn es noch eine beliebige Pharaonin gewesen wäre! Aber es handelte sich hier doch um Nofretete selber — die weltberühmte schöne Nofretete!

Neben mir stand in diesem Augenblick der wohlbekannte deutsche Gelehrte, Herr Bechtold, und erläuterte mir: „Der Sonnen- und Ketzerkönig Amenophis, den jener Gentleman verkörpert, legte sich den Herrschernamen,Die Sonne ist zufrieden‘ bei. Er war zufrieden, weil er mit seiner Gemahlin Nofretete und seinen sieben Töchtern das glücklichste Familienleben führte. Oft standen sie beisammen auf dem Balkon und warfen dem Volk unten Geschenke zu, und man kennt noch in Hieroglyphen das alltägliche Morgengebet der Nofretete an die aufgehende Sonne: ‚Du Sonnenscheibe! Du lebendiger Gott! Verleihe dem Herrn des Landes, dem Pharao, dass er lebe mit dir vereint in Ewigkeit und dass ich, sein Weib, die Königin Nofretete, möge leben immerdar und ewiglich an seiner Seite!‘“

Wo bist du, Nofretete?

Dein Thron ist leer!

In den Scharen der Gäste Pharaos entstand ein ungeduldiges Brausen und schwoll an. Sie erinnerten mich an ein Bienenvolk. Sie suchten auch ihre Königin. Der Pharao aus U.S. zuckte die Achseln. Er war nun einmal Strohwitwer. Er wollte zu dem Thron hinauf. Aber der Totengott Anubis stand vor ihm und fletschte die Schakalszähne und faltete bittend die Hände, als wollte er sagen: Ich schaffe dir ja deine Nofretete — irgendwo aus den Jahrtausenden her!

Aus der altägyptischen Menge wurden zurufe laut: „Nofretete!“ und verstärkten sich. Ladies und Gentlemen wetteiferten in ihrem Ungestüm. Sie klatschten taktmässig in die Hände. Sie riefen dazu in demselben eindringlichen, immer wiederholten Gleichmass: „No—fre—te—te! No—fre—te—te!“

Herr Sanders, der Pharao, stutzte. Er begriff, dass dieser Abend eine Königin, eine Königin am Nil, forderte. Er wandte feinen schönen, durch die Sonnen- und Schlangenkrönung seltsam bedeutungsvollen und düsteren Kopf nach seiner Frau. Sein Blick fand sie in einer Gruppe seitwärts um den sekttrinkenden Widdergott Chnum. Mrs. Sanders war keine Spielverderberin. Selbst ihr Nilpferdkopf hatte einen leutseligen Zug um die Backenfalten. Sie nickte mit diesem ungefügen Haupt und klatschte wie die andern in die Hände. Ihr lag vor allem daran, ihre Gäste zufriedenzustellen. Es scholl immer dringlicher und hallte an der Steindecke des Tempels wider: „Nofretete!“

Herr Sanders hörte es immer wieder. Er sah sich suchend um. Er war durch den Mittelhof mit seinem Gefolge eingezogen. In der Haupteingangswölbung, vom Grossen Hof her, erschien jetzt eben eine Göttin mit einem Schlangenkopf. Diese unheimliche Dienerin geleitete einen verspäteten Gast in den Tempel des Ammon. Es war eine junge Lady in der Tracht einer Pharaonin, und ein allgemeines „Oh!“ ging bei ihrem Anblick durch den Saal.

Diese Miss — oder eine Deutsche, wie es hiess —, ein Fräulein Ritter, war gross und schlank und von Kopf bis zu Fuss in ein golddurchwirktes Gewand gehüllt, unter dem die goldenen Schuhe sichtbar waren. Ein Gürtel aus Lapislazuli-Steinen raffte in der Taille die leuchtenden Stoffwellen, die malerisch an ihr herniederflossen. Goldene Spangen schmückten ihre blossen weissen Arme. Sie trug über ihrem auffallend hübschen Antlitz eine Perücke aus unzähligen kleinen, schwarzen Ringellocken, die ein goldenes Stirnband zusammenhielt. Darüber schatteten als Zeichen ihrer Königswürde zwei Fuss hoch die rote und die weisse Straussenfeder Ober- und Unterägyptens und gaben ihren mädchenhaft verwirrten und doch ungläubig-glücklichen Zügen einen strengen Herrscherausdruck.

„Nofretete! — Nofretete!“ Es hallte stürmisch zwischen den Göttersäulen: „Nofretete ist gefunden!“ Es war, als sei sie just für diesen Augenblick aus dem Dunkel altägyptischer Geheimnisse aufgetaucht. Amenophis, dem Strohwitwer, blieb keine Wahl. Man sah auch, dass die Wahl Herrn Sanders nicht schwerfiel. Er schritt auf seine Pharaonin zu.

Sie wusste noch gar nicht, wie ihr geschah. Dann begriff sie. Eine plötzliche Röte färbte ihr hübsches, von der Sonne gebräuntes Gesicht. Sie hob abwehrend die Hände. Sie wollte protestieren. Irgend etwas sagen, dass das zuviel der Ehre für sie sei. Oder was man bei solchen Gelegenheiten sagt. Aber man liess sie gar nicht erst zu Wort kommen. Herr Sanders, der Pharao, nahm ihre Hand in seine und stieg die Stufen hinauf, und sie an seiner Seite, offenbar noch ganz betäubt und verwirrt, und so setzte sie sich in den niedrigen Sessel neben ihm. Es war ein schönes Paar.

Alles jubelte. Die Trompeten bliesen. Die Krieger schlugen an ihre Schilde. Die Götter winkten. Die Hohenpriester lachten. Die Tempelmädchen harften und schrien. Die Halle der Pharaonen leuchtete in Licht und Lärm und Leben. Neben mir sprach der deutsche Gelehrte Bechtold:

„Sehen Sie, wie die beiden sich gleich in die Augen schauen, als hätten sie sich schon lange gekannt! Was sind dreitausend Jahre? Was ist Tod und Leben? Amenophis und Nofretete haben sich wieder einmal gefunden!“

Der Fluch des Pharao

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