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Narzissmus – eine moderne Pandemie?

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Krankheiten überfallen den Menschen nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern sind die Folgen fortgesetzter Fehler wider die Natur.

HIPPOKRATES

Im Mythos lässt der wunderschöne Jüngling Narziss seine zahlreichen Verehrerinnen und Verehrer abblitzen, weil er sich einfach zu gut und zu schön ist für eine Beziehung. Er ist sich selbst genug – allerdings im unerlösten Sinn. So straft ihn die Göttin Artemis mit einer nicht stillbaren Selbstliebe. Er bekommt nun gar nicht mehr genug von sich selbst und verliebt sich unsterblich in sein eigenes Spiegelbild im Wasser, das hier das Unbewusste repräsentiert. Nur das Licht des Bewusstseins offenbart wirkliche Liebe. Narzissmus, als Schatten der Selbstliebe, ist keine Offenbarung, sondern in milderen Formen ein Zeichen von Unreife; chronifiziert markiert er eine Persönlichkeitsstörung aufgrund extremer Selbstbezogenheit.

Da gesunde Selbstliebe für ein gelingendes Leben unabdingbar ist, bildet sie auch eine wesentliche Entwicklungsstufe für das heranwachsende Kind. Ein Kind kann überhaupt erst ab dem vierten bis fünften Lebensjahr mit der Entwicklung der Spiegelneuronen so weit von sich selbst abstrahieren, dass es zu Empathie fähig wird. Vorher muss es seine narzisstische Phase durchmachen.

Wer es nicht schon erwartet hätte oder sehen kommen, sollte wenigstens nicht mehr die Augen davor verschließen: Wir erleben eine regelrechte Pandemie des Narzissmus. Ich will mich hier nicht an Zuweisungen ihres Ursprungsorts beteiligen; in einer »globalisierten« Welt erscheint mir das müßig. Früher oder später sind wir doch alle irgendwie involviert, ob wir wollen oder nicht. Nicht nur als Empfänger, sondern auch als Sender. Jeder kennt genügend Beispiele für schambefreite, in ihrer traurigen Lächerlichkeit bestürzende Begleiterscheinungen der Selbst-Bewerbungs-Welle. Vielleicht sollte man mittlerweile von einem Tsunami der Ego-Besessenheit sprechen, im Gefolge einer unverhohlenen Heiligsprechung des Narzissmus samt seiner kommerziellen Ausbeutung.

Es wäre allerdings unangemessen, hier über eine ganz bestimmte Mit-Ursache der Misere hinwegzugehen. Schließlich ist dies ein Buch, das der Wiederherstellung des guten Rufs von Selbstliebe dienen und darüber hinaus ein freiwilliges, bewusstes Allein-Sein aus der zugewiesenen Schmuddelecke holen will. Ich meine die mit Händen zu greifende Vereinsamung Abermillionen Einzelner. Indes bleibe ich dabei: Singles, als rasch wachsende Bevölkerungsgruppe der westlichen Welt sind zwar wesentlich Kinder der Moderne. Aber sie müssen keineswegs Opfer oder gar Mittler eines grassierenden Kulturverlusts sein. Selbst-liebende, selbst-bewusste Allein-Stehende sind vielmehr prädestiniert für ein Leben als selbstermächtigte, innerlich befreite Menschen und Mitarbeiter an der Heilung unserer Welt.

Glücklich mit mir selbst

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