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2.4. Abgrenzung von Aufschiebeverhalten und Anstrengungsvermeidung

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Es scheint alltagspsychologisch plausibel, dass das Aufschieben von Aufgaben auch damit zu tun hat, dass Personen unnötige Anstrengungen vermeiden und lieber einfache Aufgaben bearbeiten möchten. Einen empirischen Hinweis darauf liefert die Studie von Wolters (2003), in der das Aufschiebeverhalten und weitere motivationale Variablen bei Studierenden anhand verschiedener Fragebögen erfasst wurden. Mit einer dieser Variablen wurde die Arbeitsvermeidungsorientierung (work-avoidance orientation) erfasst, indem Studierende angaben, wie hoch ihr Wunsch sei, Aufgaben zu bearbeiten, die entweder einfach oder ohne große Anstrengung zu bearbeiten seien. In einer hierarchischen Regressionsanalyse erwies sich die Variable „work-avoidance“ als deutlichster individueller Prädiktor für Prokrastination.

Das Konstrukt „Anstrengungsvermeidung“ scheint deutliche Überschneidungen mit dem Aufschiebeverhalten zu haben. Rollett entwickelte einen Test zur „Anstrengungsvermeidung“ (AV); sie definiert Anstrengungsvermeidung als ein Motiv, „dessen Ziel es ist, Aktivitäten in einem definierten Bereich aktiv zu meiden“ (Rollett, 1983, S. 78). Anders formuliert ist damit die Neigung einer Person gemeint, „sich den mit einer Leistung in einem bestimmten Tätigkeitsfeld verbundenen Anstrengungen durch den aktiven Einsatz geeigneter Strategien zu entziehen“ (Rollett, 2006, S. 14). Es handelt sich somit um ein volitionales Konzept, d.h., die Person entscheidet willentlich darüber, ob sie sich anstrengen will oder nicht. Laut Rollett (2006, S. 15) gibt es auch eine „intelligente Form“ der Anstrengungsvermeidung, die sich dadurch auszeichnet, dass die Person unnötigen Aufwand reduziert und dadurch eine Steigerung ihrer Effizienz erreicht. Stehen jedoch negative Gefühle im Vordergrund, die bei der Beschäftigung mit leistungsbezogenen Aufgaben auftreten, und es rückt zunehmend „die Reduzierung der unangenehmen Anstrengung in den Vordergrund“, handelt es sich bei dieser Form der Anstrengungsvermeidung „um einen Schutzmechanismus des Organismus vor Überlastung“ (Rollett, ebd.). Der Fragebogen zur Anstrengungsvermeidung wurde von Rollett und Bartram (1977) für Kinder und Jugendliche vom 5. bis zum 9. Schuljahr konzipiert. Dazu wurden die „häufigsten ‚Ausreden‘ arbeitsunwilliger Schüler gesammelt“ (Rollett, 2006, S. 14). Der AV-Test wurde konzipiert, um den „Ausprägungsgrad des schulbezogenen Anstrengungsvermeidungsmotivs zu erfassen“. Rollett grenzt das Konstrukt AV von einem Merkmal im eigenschaftstheoretischen Sinn insofern ab, als sich die Anstrengungsvermeidungstendenz immer auf definierte Aktionsfelder des Individuums bezieht. Mit Aktionsfeldern ist die schulische bzw. häusliche Arbeit gemeint. Der Zusammenhang zwischen Anstrengungsvermeidung und dem Lernverhalten und der Leistung bei Schülerinnen und Schülern konnte in mehreren Studien bestätigt werden (Rollett, 1983, 2006).

Eine auf dem Anstrengungsvermeidungstest von Rollett und Bartram (1977/1998) basierende angepasste Version für Erwachsene befindet sich im Anhang (A 14). In eigenen Untersuchungen (Callies, 2012) ermittelten wir für diesen Fragebogen in zwei Stichproben eine gute interne Konsistenz (Cronbachs Alpha = .86 und .87).

Da das Konstrukt der Anstrengungsvermeidung in der Nachfolgezeit wenig weiter ausdifferenziert wurde und nur eine begrenzte Anzahl empirischer Studien vorliegt, bei denen mit dem AV-Test gearbeitet wurde, soll im Folgenden ergänzend auf die Theorie der Anstrengungskalkulation von Meyer (1984) eingegangen werden, da diese Hinweise darauf liefern kann, aus welchem Grund Individuen bei der Ausübung bestimmter Aufgaben bzw. Tätigkeiten eigene Anstrengungen vermeiden. Das Modell macht deutlich, warum Anstrengungsvermeidung keineswegs nur auf Bequemlichkeit oder Desinteresse reduziert werden kann. Meyer geht von einer rationalen Nützlichkeitsabwägung der Person aus, die besagt, dass die Anstrengung, die in eine Aufgabe oder Tätigkeit investiert wird, davon abhängt, wie hoch die eigene Fähigkeit eingeschätzt und wie hoch die Aufgabenschwierigkeit wahrgenommen wird. Je höher die Einschätzung der eigenen Fähigkeit für bestimmte Aufgaben bzw. Tätigkeiten und je geringer die Schwierigkeit der Aufgabe ist, umso höher ist die Anstrengung, die eine Person zu investieren bereit ist. Nach dem Konzept der Anstrengungskalkulation passt die Person somit ihre Anstrengung der Schwierigkeit der Aufgabe und ihren vermeintlichen Fähigkeiten für diese Aufgabe an. Bei steigender Aufgabenschwierigkeit wird zunächst eine höhere Anstrengung investiert; wird die Aufgabe jedoch als zu schwierig angesehen und es werden trotz erhöhter Anstrengung die eigenen Fähigkeiten als zu gering eingeschätzt, werden weitere Anstrengungen als sinnlos angesehen und nicht mehr ausgeführt, da für die Person die Erfolgschancen gegen null gehen.

Insbesondere Personen, die aufgrund eines niedrigen Fähigkeitskonzepts Anstrengung meiden, können Vermeidungstechniken im Sinne überdauerender Gewohnheiten (sich mit aufgabenirrelevanten Tätigkeiten beschäftigen, häufig Pausen einlegen etc.) entwickeln und langfristig stabilisieren. Prokrastination wäre in diesem Kontext eine Vermeidungstechnik, die Personen mit einem niedrigen Fähigkeitskonzept anwenden. Das Konzept geringer eigener Fähigkeit steht danach im engen Zusammenhang mit der mangelnden Anstrengungsbereitschaft und ist somit eine wichtige Erklärung des Vermeidungsverhaltens, wenn auch nicht die einzige (s. das Modell von Eccles und Wigfield).

Aufschieben, Verzögern, Vermeiden

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