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Einfühlen, nicht überfordern Das eigene Leben ist der Weg. Wo stehe ich jetzt? Wo bewegt sich etwas? Wer begleitet mich?

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Ruth Zenkert

Ein junger Mann geht zum Rabbi und bittet ihn, sein Schüler werden zu dürfen. Der Rabbi fragt: Liebst du Gott aus deinem ganzen Herzen? Der Junge wird traurig: Nein, leider nicht. Da fragt ihn der Rabbi: Und spürst du Sehnsucht, Gott aus deinem ganzen Herzen zu lieben? Wieder geht der Junge in sich, er antwortet: Das schon, aber im Alltag habe ich so viel anderes zu tun, und bis es Abend wird, bin ich zu müde. Der Rabbi fragt: Hast du die Sehnsucht, die Sehnsucht zu haben, Gott aus deinem ganzen Herzen zu lieben? Da leuchtet das Gesicht auf: Ja, das habe ich! Da legt ihm der Rabbi die Hand auf die Schulter: Das genügt, du bist auf dem Weg!

Zwei Gedanken in dieser Erzählung führen zum Wort Jesu an seine Schüler: »Geht euren Weg, solange ihr das Licht habt, damit euch nicht die Finsternis überrascht!« Die eine Brücke ist das Wort vom Weg. Die Bibel spricht oft davon. Mose blickt zurück auf den Weg, den er mit dem Volk aus der Wüste gegangen ist: »Da hat der HERR, dein Gott, dich auf dem ganzen Weg, den ihr gewandert seid, getragen, wie ein Mann sein Kind trägt, bis ihr an diesen Ort kamt. Bei Nacht geht er im Feuer voran, um euch den Weg zu zeigen, auf dem ihr gehen sollt, bei Tag in der Wolke.« (Deuteronomium 1,31f)

Als den Weg selbst bietet sich Jesus seinen Schülern an. Wenn sie auf ihn schauen und hören, haben sie einen Weg für ihr Leben. Wir erleben Jesus als Pädagogen, der die Schüler führt, sie aber nicht überfordert. Er motiviert jeden Einzelnen, voranzuschreiten, ohne ihm vorzuschreiben, wie schnell und wie groß die Schritte zu sein haben. Entscheidend ist nur, dass er sich müht, ein Ziel zu erreichen. Zerstörerisch wäre es, von einem Schüler ein Ergebnis zu verlangen, das er noch nicht bringen kann. Genial ist der Rabbi, der sich so sehr in den Jugendlichen hineinfühlt, dass er dessen Sehnsucht aufdeckt. Er bestärkt, was im Schüler an Gutem angelegt ist, und verwirft sofort seine eigenen Erwartungen, die dem Schüler in diesem Augenblick noch nicht entsprechen.

Die zweite Brücke der rabbinischen Geschichte führt zum Wort vom Licht. Der Lehrer spendet dem Schüler Licht für seinen Weg. Er bestimmt nicht dessen Weg, sondern macht ihn sichtbar in der Sehnsucht nach der Sehnsucht. Sein Licht bringt das Gesicht des Jugendlichen zum Leuchten, weil sich dieser akzeptiert weiß. Keine Moralkeule: »du sollst«, »du musst«, sondern Segnen: »du bist«, »du kannst«. Jetzt hat er das nötige Licht für den Weg der Liebe, auf dem Weg zu Gott.

Der Ratschlag Jesu lautet: keine großen Sprünge, keine Überforderung, sondern sich behutsam bewegen von der Stelle, an der du stehst. Und zweitens, das Licht nützen, solange es da ist. Es sind glückliche und kurze Zeiten, in denen wir eine faszinierende Lehrerin, einen guten Freund, unsere Eltern haben – und Jesus, der von sich sagt: Ich bin der Weg. Ich bin das Licht.

Das eigene Leben ist der Weg. Wo stehe ich jetzt? Wo bewegt sich etwas? Wer begleitet mich?

Geht euren Weg, solange ihr das Licht habt, damit euch nicht die Finsternis überrascht!

JOHANNES 12,35b

Mit Feuer vom Himmel

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