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Der erste Schritt Wer geht voran? Wer durchbricht die Angst? Wie kann ich andere aus Lähmung befreien?

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Ruth Zenkert

Freunde aus Österreich waren bei uns zu Besuch. Beim Abendessen führten wir angeregte Gespräche und saßen deshalb lange am Tisch. Unsere rumänischen Kinder warteten ungeduldig, bis die Tafel mit einem Dankgebet aufgehoben wurde. Sie hatten es zwar lustig mit den Kindern der Gäste, aber reden konnten sie nicht, es fehlte die gemeinsame Sprache. Da ging Ionela in ihr Zimmer und holte das Deutschlesebuch, das sie im Sommer geschenkt bekommen hatte. Schon länger war es unter ihrem Bett verschwunden gewesen, damit die Volontärin nicht mit ihr lesen konnte. Ionela fragte einen hübschen österreichischen Buben, ob er ihr helfen könne. Auf einem Suchbild im Buch musste sie die Gegenstände bezeichnen, das konnte sie schnell: der Tisch, der Stuhl, die Lampe. Dann waren einfache Fragen zu beantworten. Da sie mit dem Lesen Probleme hat, war das eine doppelte Herausforderung. Aber gemeinsam schafften sie es. Und plötzlich waren Ionela und der blonde Bub umringt von den anderen Kindern. Alle begannen zu sprechen und zu wiederholen, ein deutsch-rumänisches Kauderwelsch. Sie lachten und vergnügten sich miteinander. Was früher als lästiges Lernen unters Bett geschoben wurde, war nun für alle Kinder zu einem fröhlichen Spiel geworden. Wäre nicht Ionela vorangegangen …

Ionela kommt aus einer armen Familie, sie hat nur Schweres erlebt. Eine überforderte Mutter, viele Geschwister, für die das Mädchen bald sorgen musste, sie konnte nicht in die Schule gehen. Nichts zu essen, von Männern missbraucht, jeder Tag und jede Nacht ein Alptraum. Seit zwei Jahren lebt sie in unserer Gemeinschaft, mit anderen Kindern, die Ähnliches erlebt haben.

Als Ionela das Deutschbuch holte, erinnerte sie mich an die Prophetin Mirjam, die Schwester von Mose und Aron. Sie »nahm die Pauke in die Hand und alle Frauen zogen mit Paukenschlag und Tanz hinter ihr her« (Exodus 15,20). Das geschah beim Exodus, dem Auszug aus der Sklaverei. Die Menschen hatten noch die Mühen der Vergangenheit im Kopf, sie waren den Verfolgern entkommen, hatten dem Tod ins Auge geschaut. Der Weg durch die Wüste lag vor ihnen. Mirjam ging voraus, andere Frauen und das ganze Volk folgten ihr in das Abenteuer. Noch oft brauchte ihr Bruder Mose sie als diejenige, die vorausging. Durch ihr Tun war Mirjam eine Mutmacherin. Nichts anderes hat Simon Petrus getan, als die anderen nicht fassen konnten, dass Jesus auferstanden war, dass es ein Leben nach dem Tod gab. Petrus erinnerte sich an sein erstes Erlebnis, als Jesus beim Fischen dabei war und zu ihm und seinen Freunden sagte: »Fahrt hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!« (Lukas 5,4) So nahm ihm Jesus in der Alltagsarbeit die Ängstlichkeit und gab ihm den Auftrag, andere zu gewinnen. Er machte ihn zum Menschenfischer, zu dem, der den anderen voranging.

Ionela, Mirjam und Simon Petrus taten den entscheidenden Schritt. Wer durchbricht die Lähmung? Wer geht voran? Wie kann ich andere von ihrer Ängstlichkeit befreien? Durch den ersten Schritt.

Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot.

JOHANNES 21,3a

Mit Feuer vom Himmel

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