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Ungebetener Besuch

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Nimtow war ein typisches Straßendorf, von denen es hunderte in Brandenburg gab. Wenn man hierher wollte und nicht aufpasste, konnte man mit dem Auto den Ort innerhalb von 45 Sekunden durchqueren und hatte danach den Ort schon verlassen. Die Hauptstraße verlief in einem Abstand von knapp hundert Metern parallel zur Havel und lag - genau wie der gesamte Ort - etwa zehn bis fünfzehn Meter über dem Wasserspiegel des Flusses.

Anna war so aufgeregt, dass sie tatsächlich schon das Ortsausfahrtschild in Sichtweite bekam, bevor sie ihr Ziel gefunden hatte. Sie wendete ihren Wagen und fuhr wieder zurück. Von der Hauptstraße führten lediglich drei Seitengassen ab. So schwer konnte das Apartment nicht zu finden sein. Sie parkte ihr Auto auf einem kleinen Parkplatz, der zu einer Clubanlage für Wassersport gehörte. Niemand war dort. Die Sommerferien hatten noch nicht begonnen. Unter der Woche waren die Leute arbeiten. Und die Senioren saßen vermutlich lieber vorm Fernseher oder machten ein Mittagsschläfchen, als Anna eingetroffen war. Sie kam sich wie die einzige Person in dem Ort vor. Obwohl alles einen sehr gepflegten Eindruck machte, von sauberen Bürgersteigen bis hin zu teils liebevoll gepflegten Kleingärten, wirkte es auf Anna, als befände sie sich in einer Geisterstadt.

Sie ging zu Fuß weiter und fand schließlich die richtige Hausnummer in einer der drei Seitengassen. Es war ein wunderschönes Bauernhaus, das aufwendig restauriert und zu einem kleinen Feriendomizil mit Hotelzimmern und zwei Apartments umgebaut worden war. Eines dieser Apartments sollte ihr nun zur Verfügung stehen. Die Vermieterin und Nichte von Frau Kronenberg wusste sofort Bescheid, als Anna an der Haustür klingelte und ihren Namen sagte.

»Ich habe Sie schon erwartet!«, sagte die Frau aufgeregt. Sie hieß Elisabeth Winters. Sie war Anfang fünfzig und legte großen Wert auf ihr Äußeres.

»Ach so? Frau Kronenberg, Ihre Tante, hat Ihnen von mir erzählt?«

»Ja, ja. Sie hat mir schon vor einigen Tagen von Ihrer bevorstehenden Ankunft berichtet und das Apartment für Sie reserviert. Sie sagte auch, dass es sein kann, dass Sie hier den ganzen Sommer verbringen werden, falls es erforderlich ist.«

»Erforderlich?«, wiederholte Anna. »Hat Ihre Tante auch den Grund für meinen Aufenthalt erwähnt?«

Frau Winters legte Anna die Hand auf die Schulter. Eine Geste, die deutlich machen sollte, dass Anna sich keine Sorgen machen sollte und hier willkommen war. »Meine Tante kann manchmal ziemlich geheimniskrämerisch sein. Ich weiß aber ganz genau, warum Sie hier sind. Hier gehen merkwürdige Dinge vor sich. Niemand spricht darüber. Die meisten merken es gar nicht oder wollen einfach nichts davon wissen. Ich aber bin davon überzeugt, dass hier etwas nicht stimmt. Ich traue mich im Dunkeln schon nicht mehr raus. Ein Schatten, etwas Böses hat sich über diesen Ort gelegt.«

Die Vermieterin sah sich um, als ob sie fürchtete, dass ihr Gespräch belauscht wurde. Dann fuhr sie fort: »Ich weiß, dass Sie hier sind, um uns zu helfen. Um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Ist es nicht so?«

»Ich werde tun, was ich kann. Darf ich Sie bei Gelegenheit fragen, was Ihnen Ungewöhnliches aufgefallen ist?«

»Sicher. Morgen vielleicht. Ich habe heute noch eine Menge zu tun. Ich zeige Ihnen erst mal Ihre Wohnung; sie wird Ihnen gefallen. Kommen Sie!«

Frau Winters führte Anna in ihre Sommerresidenz. Es war ein modern eingerichtetes Apartment mit Schlafzimmer und Wohnzimmer mit angeschlossener Küchenzeile. Eine Küche war für Anna das Wichtigste, denn sie ging nicht gerne aus zum Essen. Hier im Ort gab es ohnehin keine Gaststätte. Wollte man außer Haus speisen, musste man mindestens vier Kilometer zurücklegen.

»Es gefällt mir wirklich sehr«, sagte Anna, während sie beiläufig aus einem der Fenster sah.

Ihr Apartment lag auf der zur Havel abgewandten Seite. Vor ihr erstreckte sich ein Feld, auf dem ausschließlich Raps angebaut wurde. Dieser hatte noch vor ein paar Tagen in voller Blüte gestanden. Jetzt sah er nicht mehr so schön aus. Es gab nur noch vereinzelt gelbe Flecken. Vor dem Feld gab es noch einen ausgedehnten Bauerngarten, der bis unter ihr Fenster reichte. Hier wurden wohl Kartoffeln, Kohl und andere Dinge angebaut, von denen Anna nicht mit Sicherheit sagen konnte, was es war. Vermutlich Bohnen und Gurken oder Kürbisse. Am Ende des Bauerngartens ragte eine ziemlich hässliche Vogelscheuche auf, die genau zu Anna aufzublicken schien.

»Ich möchte Sie nicht bedrängen«, begann Frau Winters, während Anna noch die Vogelscheuche ansah, »aber Katharina würde sich bestimmt sehr freuen, Sie heute noch kennenzulernen.«

»Wer? Warten Sie, lassen Sie mich raten. Das ist die Frau, die ungebetenen Besuch hatte, habe ich Recht?«

Frau Winters nickte stumm und kniff dabei die Augen zusammen. »Ist das nicht furchtbar, was mit ihr passiert? Sie müssen ihr helfen! Bitte helfen Sie ihr.«

»Ich hoffe, dass ich das kann. Ich mache mich nur kurz frisch, dann werde ich gleich zu ihr gehen.«

»Ausgezeichnet. Sie wohnt nur zwei Häuser weiter. Es ist das letzte Haus in dieser Gasse. Wenn Sie sich beeilen, dann erwischen Sie sie noch vor ihrem Mittagsschlaf, was hier in dem Ort sehr ernst genommen wird. Aber ich glaube ohnehin nicht, dass ihr nach Schlafen zumute ist.«

»Gut.«

Frau Winters hatte noch etwas auf dem Herzen, traute sich aber nicht, es zu auszusprechen.

»Gibt es noch etwas, das Sie mir sagen möchten?«, fragte Anna vorsichtig.

»Nein. Ich bin nur froh, dass Sie hier sind. Ich bin wirklich froh. Ich verstehe natürlich nichts von dem, was Sie tun, ich meine von Ihrer Profession, was das Übersinnliche angeht. Aber ich glaube, dass Sie die Einzige sind, die uns helfen kann. Was immer hier sein Unwesen treibt in unserem kleinen Ort, es soll wieder in den Abgrund verschwinden, aus dem es gekommen ist.«

Anna nickte ausdruckslos. Sie hatte mit ihren Untersuchungen ja noch gar nicht begonnen. Sie musste sich ein eigenes Bild von der Lage machen. Suchten wirklich Geister diesen Ort heim? Es konnte auch genauso gut sein, dass hier gar nichts vor sich ging. Nicht selten kam es vor, dass sich Leute etwas einbildeten, das gar nicht existierte. Das hatte Anna schon oft genug erlebt. »Wenn hier etwas nicht stimmt, finde ich es heraus, versprochen«, beruhigte Anna die Vermieterin.

»Sehr gut. Sie können mich Elisabeth nennen, wenn Sie mögen.«

»Gern.«

Nachdem Anna die meisten Sachen aus ihrem Koffer ausgepackt hatte, konnte sie es kaum erwarten, Katharina Germens aufzusuchen.

Phänomena

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