Читать книгу Mein Mann, der Engländer und ich - Sabine Anny Renneberg - Страница 15
Die Zeit bis dahin
ОглавлениеMein Mann und ich hatten nie Streit, wir leben eigentlich sehr harmonisch miteinander, teilten uns in alle Aufgaben im Haushalt und unterstützten uns gegenseitig bei allen Dingen. Wir lieben uns sehr, lange Zeit sagte ich mir, uns geht es gut, wir haben die Eigentumswohnung abgezahlt, das Auto war neu, wir haben keine Schulden, keine finanziellen Probleme, wir haben jedes Jahr zwei schöne Urlaube zusammen, sehen viel, unternehmen viel gemeinsam, lieben beide Sonne, Strand und Meer. Wir sind eigentlich die perfekte Ergänzung. Obwohl wir wenig Gemeinsamkeiten haben. Mit Rob hatte ich in dieser kurzen Zeit, die wir uns kannten viel mehr Übereinstimmungen gefunden. Wir waren das perfekte Match.
Ich bin auch nicht unglücklich mit meinem Mann aber wir haben seit zehn Jahren keine körperlichen Kontakte mehr. Mir hat es immer gefehlt, aber ich habe es akzeptiert, weil ja ansonsten alles gepasst hat. Wie sehr es mir gefehlt hat, wurde mir erst jetzt bewusst. Ich hatte es vergessen oder verdrängt.
Rob und ich schrieben uns jeden Tag sehr viele Nachrichten, an manchen Tagen bis zu sechzig. Auch Bilder, so schickte er mir beispielsweise per E-Mail 25 verschiedene Rollos, in unterschiedlichen Grautönen, mit und ohne Muster, die ihm alle gefielen und bat mich, mir was auszusuchen, was meiner Meinung nach in sein Zimmer passt. Mir gefielen 2, das teilte ich ihm mit, entscheiden sollte letztendlich er, was er wollte.
Wir schickten uns auch Songs für unseren Tag. Ich habe Rob das Lied «Halt mich» von Herbert Grönemeyer geschickt noch die Übersetzung zum Titel mitgeliefert. Er mochte das Lied und den Text sehr, als ich mal mit ihm am Samstagabend telefonierte, und ihm sagte ich trinke gerade leckeren Riesling, schickte er mir den Song «Alkohol» von Herbert Grönemeyer. Frechheit.
Ich erzählte Rob am Telefon, dass Herbert Grönemeyer im Juni in Erfurt ein Konzert gibt und fragte ihn, ob er Herbert live sehen wollte, ich könne Karten besorgen, ein Hotel für fünf Tage buchen, wir könnten vom Donnerstag bis Dienstag in Erfurt sein, könnten uns mit meiner Freundin Maritta und ihrem Freund Hannes treffen, meine Mutter und Verwandten in Erfurt besuchen und wir könnten im Garten von meiner Mutter auch grillen und Erfurt besichtigen und am Samstag auf das Konzert.
Er war begeistert. «Ja, Honey das machen wir so, ich freue mich, Deine Heimatstadt kennen zu lernen, ich will sehen, wo du gewohnt hast, wo du zur Schule gegangen bist, wo du deine Kindheit verbracht hast», ich fand das unglaublich schön, dass sich ein Mann auch dafür interessieren kann. Und er würde sich ganz besonders auch auf das Konzert freuen. Dann sagte Rob zu mir, dass Herbert Grönemeyer in dem deutschen Film «Das Boot» mitgespielt hatte, «ja, das stimmt», antwortete ich. Ich wusste das auch, aber dass Rob das wusste, hätte ich nicht gedacht. Er überrascht mich immer wieder.
Ich suchte für diesen Zeitraum nach Flügen für Rob, er musste nach Leipzig fliegen, Ryanair fliegt nicht mehr Erfurt an. Ich schickte ihm die Flugdaten und am selben Abend hatte er bereits die Flüge für Juni gebucht und mir seine erhaltene Buchungsbestätigung per E-Mail geschickt. Ich bestellte am selben Abend noch die Konzertkarten für das Steigerwald-Stadion, natürlich Sitzplätze und schweineteuer.
Ich habe die Parkplatzsituation des Stadions gegoogelt, weil ich wusste, dass das Station im Umbau ist. An dem Stadion selbst stehen nur sehr wenige Parkplätze zur Verfügung. Es wird gebeten, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Ich dachte nach und hatte eine gute Idee. Der Konzertbeginn war 20:00 Uhr, wir wollten vorher noch Essen. Ich googelte Restaurants in der Nähe des Steigerwald-Stadion und fand das Waldkasino. Das Restaurant hatte einen großen Parkplatz und war etwa neun Gehminuten vom entfernt vom Station. Ich rief dort an und bestellte für achtzehn Uhr einen Tisch für zwei Personen, meine Idee war, dort zu parken, dann zu Essen und das Auto während des Konzerts dort stehen zu lassen.
Die erste Nachricht von Rob hatte ich immer am Morgen, geschrieben von ihm in der Nacht, wenn er von der Arbeit zu Hause kam. Ich wusste, er ist wohlbehalten zu Hause und schläft, zu dem Zeitpunkt, wenn ich seine Morgennachricht las. Der Start in den Tag war immer gut, wenn ich eine Nachricht von ihm hatte, das Aufstehen am Morgen fiel mir dann besonders leicht. Er erkundigte sich immer ob ich gut geschlafen habe, es mir gut geht und ob alles mit mir in Ordnung ist. Er wünschte mir immer einen schönen und stressfreien Arbeitstag und teilte mir mit, was in seiner letzten Nacht so alles war. Er hatte sogar so viel Vertrauen zu mir und teilte mir seine Einnahmesummen mit. An jedem Mittwochmorgen wünschte er mir außerdem in seiner Nachricht, dass ich mein Schwimmen genießen soll. Mittwochs und sonntags gehe ich dafür immer in unser Hotel und das bereits seit über acht Jahren.
Hatte ich mal am Morgen keine Nachricht von ihm, machte ich mir große Sorgen, dass etwas passiert sein könnte und habe dann auch ein bisschen mit ihm geschimpft. Er versprach, mir jede Nacht zu schreiben, wenn er zu Hause ist. Manchmal hat es nicht geklappt, war er zu müde, schlief über dem Schreiben meiner Morgennachricht ein. Er arbeitet sehr viel. Er ist selbstständig, kann entscheiden, wann er arbeitet und wie lange, braucht niemanden zu fragen, wenn er ein paar Tage frei machen will, aber dann verdient er eben nichts an diesen Tagen und muss an anderen Tagen mehr und länger arbeiten. Meistens macht er nur montags frei und arbeitet den Rest der Woche. Viel Arbeit bedeutet viel Geld.
Jeder von uns wusste immer was der andere zu welcher Tageszeit tut. Wir hielten uns immer auf dem Laufenden. Wenn Rob im kleinen Park in Bentfield, wo eine alte Ruine steht, auf der Bank saß und seinen Kaffee genoss, bevor er an den Taxistand am Bahnhof fuhr, um die Arbeit aufzunehmen, er schickte mir ein Bild. War er in Romford, zum Einkaufen, schickte er mir ein Bild von einem tollen Turm mit einer sehr schönen Uhr. Wenn ich die Bilder ansah, ich war immer in seiner Nähe, an denselben Orten wie er. Umgekehrt habe ich es genauso gemacht. Trotz der großen Distanz zwischen uns waren wir uns so nah und wir vermissten uns so sehr.
Rob schrieb mir, dass er der glücklichste Mann auf der Welt sei, glücklicher als Männer, die im Lotto ganz viel Geld gewonnen haben, denn er hat mich, den kostbarsten Schatz der Welt, oder ein andermal schrieb er, dass er mit mir hoch erhobenen Hauptes gehen kann, weil er so stolz darauf ist, dass ich seine Freundin bin, ich antwortete, ich kann das auch hoch erhobenen Hauptes, weil du größer bist als ich. «Gute Antwort, Honey», war seine kurze Nachricht.
Mit meinem Mann ging alles seinen gewohnten Gang. Er machte mir keine Vorwürfe, wenn ich mit ihm nicht fernsehen wollte, wenn ich mit meinem Handy beschäftigt war, den ganzen Abend Nachrichten schrieb und empfing. Wenn ich hinter geschlossenen Türen mit Rob telefonierte, mehrmals am Abend, am Wochenende bis tief in die Nacht hinein. Ich schickte Rob fast jeden Abend ein Foto von unserem Abendessen, wir essen abends immer warm, ich koche oder manchmal auch mein Mann, wenn ich erst spät von der Arbeit nach Hause kam. Das Foto natürlich nur von einem Teller gemacht, die Speisen schön angerichtet. Ich schickte Rob auch Fotos, vom Essen, wenn mein Mann es gekocht hatte. Rob wusste das ja nicht. Mein Mann schaute mir nur zu, gesagt hat er dazu nichts. Unbegreiflich, wie viel er verkraften musste. Unglaublich, was ein Mensch aushalten kann.
Rob schrieb mir, Honey, wie sieht denn deine Wohnung aus? Kannst Du mir mal ein Bild schicken? Ich brauchte einige Zeit, um bei Google Bilder die schlimmsten Messi Wohnungen zu finden. Ich schickte ihm drei Bilder, ein zugemülltes Wohnzimmer, eine Küche, die man kaum noch betreten konnte und auf deren Arbeitsflächen sich turmhoch der Abfall sammelte und eine Toilette, ohne Klobrille, vollgeschissen und zum Kotzen verdreckt. Seine Reaktion kam prompt, er schrieb, Honey, deine Wohnung ist ordentlicher, gemütlicher und sauberer, als ich erwartet hatte. Er hat Einfälle und Ideen, das ist unglaublich.
Rob hatte seine Flüge für April gebucht von Dienstag zum Sonntag. Ich hatte mir schon ein Programm überlegt, was wir machen werden, was ich koche. Wir waren so in Vorfreude auf unser Wiedersehen. Gleichzeitig liefen die Vorbereitungen für die Abreise zur bevorstehenden Rehabilitationsmaßnahme für meinen Mann. Ich packte seinen Koffer. Mein Mann benötigte noch einige Toilettenartikel für seine Reise. Ich fuhr mit dem Auto in den großen Drogeriemarkt, kaufte Kosmetikprodukte für meinen Mann und für Robs Aufenthalt hier und begann heimlich einen Einkaufszettel und eine Zutun-Liste zu schreiben, mit Sachen, die ich alle noch erledigen musste, bis Rob kam.
Am Donnerstagmorgen in aller Frühe wurde mein Mann von zwei Freunden abgeholt, die ihn in die Rehabilitationsklinik nach Oberstdorf fuhren. Ursprünglich wollte mein Mann mit dem Zug fahren, aber es war so kompliziert, mehrfaches Umsteigen, lange Wartezeiten dazwischen, oder so knapp, dass nur wenige Minuten zum Umsteigen blieben. Außerdem war die Eintreffzeit in der Reha-Klinik bis 11:00 Uhr und das war mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht machbar.
Mein Mann und ich umarmten uns zum Abschied und wir küssten uns. Wünschte ihm schönen Aufenthalt und gute Erholung. Mein Mann bat mich, ihn ab und zu anzurufen, er würde sich darüber sehr freuen dann lud er seinen Koffer und die Tasche ins Auto. Seinen Rucksack mit den belegten Brötchen, die ich für alle als Reiseproviant gemacht hatte und die Getränke nahm er mit nach vorn ins Auto. Ich winkte ihm hinterher, bis die Rücklichter des Autos verschwanden. Ich war ein bisschen traurig. Aber anderseits freute ich mich für ihn, dass er mal rauskam, was anderes sieht, sich auf seine Gesundheit konzentrieren kann und vor allem mal Abstand von mir bekommt. Ich glaube den brauchte er am Dringendsten.