Читать книгу Mein Mann, der Engländer und ich - Sabine Anny Renneberg - Страница 8
Zu Hause
ОглавлениеWieder von Antalya über Istanbul nach Nürnberg und mit der U-Bahn zum Bahnhof und weiter mit dem Zug nach Bayreuth. Siebzehn Uhr am frühen Abend, Ankunft des Zuges. Mein Mann stand auf dem Bahnsteig. Ich freute mich auf ihn, den Zettel mit Robs E-Mail-Adresse in meiner Faust, auf der Suche nach einem Papierkorb, fand keinen. Mein Mann umarmte mich, gab mir ein Küsschen und fragte mich, ob ich es denn mit meiner Mutter gut ausgehalten hätte. «Ja», aufsteigende Tränen. Rob. Wir fuhren nach Hause, mein Mann hatte bereits gekocht und alles für einen schönen Empfang vorbereitet. Wein im Kühlschrank, und er hatte auch zwei schöne Blumensträuße gekauft, in dunkelrot und mit einem Herz. Ich packte meinen Koffer aus, sortierte die Wäsche und stellte die erste Waschmaschine an. Routine, das Unterbewusstsein arbeitete. Beim Essen erzählte ich meinem Mann vom Engländer. Keine Details, nur dass ich Gelegenheit hatte, mein Englisch etwas aufzufrischen. Mein Mann dachte, kann ja nichts passiert sein, ihre Mutter war ja dabei.
Später Abend, mein Mann bereits im Bett und schlief, Rob müsste nun in Istanbul sein, zum Umsteigen in seine Maschine nach London. Ich saß am Computer, schrieb ihm eine E-Mail. Eigentlich mehr belanglos, bin gut angekommen, hoffe, dass er auch gut wieder zu Hause eintrifft. Bedankte mich für die schöne Zeit und wünschte ihm alles Gute.
Schlief nicht besonders gut, stand beizeiten auf, hatte noch zwei Tage Urlaub und das Wochenende. Wollte gleich noch die andere Wäsche waschen, den Haushalt machen, schön für meinen Mann und mich kochen. In der Küche machte ich mir einen Kaffee, fuhr meinen Computer hoch, hatte eine E-Mail von Rob, geschrieben in der letzten Nacht, um drei Uhr morgens. Mein Herz klopfte schneller. Er war gut nach Hause gekommen und bedankte sich ebenfalls, dass er mit mir eine so schöne Zeit verbringen durfte, schrieb mir, dass er mich mag und schon vermisst. Das war ein guter Tagesbeginn für mich. Ich schrieb zurück.
Die nächsten Wochen verbrachte ich nach getaner Arbeit im Büro und zu Hause nur noch am Computer, stundenlang. E-Mails hin und her. Mein Mann fragte mich, was ich tue. Ich schreibe mich mit dem Engländer. Er konnte nicht mehr glauben, dass da nichts war. Ich hatte auch keine Lust, ihm was zu erzählen. Ist ja eigentlich auch nichts passiert, außer dass meine Gefühlswelt total durcheinander war. Mein Mann sagte nichts, ließ mich gewähren, redetet mir nicht rein. Unser Leben war eigentlich so wie immer. Jeder macht seins. Nur ich war ausgebrochen aus der Routine.
Ende Februar hatte ich endlich mein Smartphone. Nie wollte ich so ein Ding. Ich brauchte bis dahin kein Mobiltelefon. Ich fand es immer sehr lustig, wenn Leute denken, immer und überall erreichbar sein zu müssen. Für Rob und mich begann eine neue Ära. Ende von E-Mails schreiben. Wir hatten uns in dieser Zeit, einen Monat lang, mehr als 180 E-Mails geschrieben. whatsapp. Wunderbare Erfindung. Zu jeder Tages- und Nachtzeit schickten wir uns massenhaft Nachrichten, ich saß auf der einen Seite der Couch, mein Mann auf der anderen Seite. Er guckte fern, ich in mein Telefon. Las Nachrichten, lachte darüber, schrieb zurück. Mein Mann sagte nicht.
Rob schrieb mir eine Nachricht und fragte, ob ich denn auch etwas Schönes zum Anziehen hätte, das er mir am Abend ausziehen könnte, es dürfte ruhig sexy aussehen. So etwas hatte ich nicht. Ich machte mir einen Gag. Meine Mutter hatte mir vor vielen Jahren einen Schlafanzug gekauft, rotes Oberteil mit einer Bärchen-Applikation und einer rot-weiß-schwarz karierten Hose. Ich legte das Teil aufs Bett und machte ein Foto, schickte es an Rob und schrieb, es wäre mein sexystes Teil und ob es ihm auch gefiele. Er schrieb prompt zurück, dass er es sehr sexy findet und es mir so schnell als möglich ausziehen wird, wenn ich es trage.
Wir haben auch viel telefoniert. Rob rief mich immer abends an, wenn er am Taxistand am Bahnhof war. Er arbeitet ausschließlich abends und nachts und fast jeden Tag. Bis Mittag schläft er und am Nachmittag erledigt er seine Sachen. Wir telefonierten mehrmals am Abend. Immer wenn Rob noch etliche Taxis am Stand vor sich hatte. Er versprach «ich rufe Dich nach meiner nächsten Fahrt wieder an». Nur wusste ich nicht, wie lang war die Fahrt, zehn Minuten um den Block, oder länger. Oftmals wartete ich eine halbe Nacht auf seinen Anruf und schrieb ihm dann, ich kann nicht länger warten, muss ins Bett und morgen früh zeitig aufstehen. Rob hat mich nie am Nachmittag angerufen, da hatte er seinen eigenen Trott, wollte wahrscheinlich auch nicht gestört werden, er schrieb mir, ich rufe dich vom Taxistand aus an, sehr bald. Sein very soon dauerte manchmal viele Stunden. Ich würde sehr bald klar definieren, wie das Wort schon sagt, sehr bald. Wir einigten uns dann auf so bald als möglich, as soon as possible. Auch das dauerte mitunter bei ihm sehr lang.
Ich habe ihn dann am Abend angerufen, er drückte mich weg. Ich dachte in Ordnung, hat er bestimmt Passagiere im Auto und mag nicht telefonieren. Etwa eine Viertelstunde später rief er mich an und sagte, dass er gerade ein Ehepaar gefahren hat, als ich anrief. «Das Ehepaar hat beim Klingeln des Telefons dein Bild gesehen. Ich musste das Gespräch leider wegdrücken. Als das Ehepaar bezahlt hat, sagte die Frau zu mir, bitte vergessen Sie nicht, ihre Frau zurück zu rufen. Ich antwortete ihr, du seist noch nicht meine Frau, sondern noch meine Freundin. Die Frau sagte, rufen Sie sie trotzdem an», erzählte mir Rob. Das fand ich lustig, sie ist noch nicht meine Frau.
Am Morgen hatte ich immer seine Sprachnachricht oder eine geschriebene Nachricht von letzter Nacht so dass ich wusste, er ist wieder gut und wohlbehalten zu Hause, wenn ich meine Morgennachricht las, lag mein Rob in seinem Bett und schlief. Wenn ich eine Sprachnachricht von ihm hatte, mit seiner unglaublichen Stimme, die so voll von Wärme war, ging mir diese durch und durch. Ich liebe ihn so sehr.
Ich habe ihm jeden Morgen, bevor ich zur Arbeit ging, eine Antwort geschickt und mich für seine Nachricht bedankt. Immer so zwischen zwölf und zwei Uhr hat mein Handy in meiner Tasche gepiept. Ich wusste, jetzt ist mein Rob wach und hat mir geantwortet. Das war aber immer die Zeit, wo ich auf Arbeit war. Antworten konnte ich ihm nur selten, ich hatte immer viel zu tun. Wenn mein Chef nicht da war, bekam Rob schon eine Antwort, aber wenn nicht, wusste Rob, dass ich ihm nicht immer antworten konnte. Das machte ich erst, wenn ich zu Hause war.
Das Telefon war mein ständiger Begleiter. Es lag immer in meiner Nähe. Ich wollte es nicht verpassen, wenn es klingelte. Wenn Rob mich anrief, ich ging in mein Büro, was wir zu Hause hatten, schloss die Tür und telefonierte mit ihm. Mein Mann sagte nichts, schaute fern und war sehr traurig. Wir hatten uns so auseinander gelebt, auch schon vor meinem Urlaub. Ich machte keinen Schritt mehr ohne mein Telefon. Hatte ich es bei mir, fühlte ich mich ganz nahe bei Rob. Das Telefon war unsere einzige Verbindung über eine Distanz von 1043 km, die uns trennten.
Rob rief mich wieder vom Taxistand aus an, wir hatten meist nur ein kurzes Gespräch, bevor er den nächsten Fahrgast hatte und mich danach wieder anrufen wollte. Oftmals wusste ich nicht, wie lange es dauern würde, bis er zurück ruft, manchmal schickte er mir auch kurze Nachrichten, wenn die Zeit für ein Telefonat zwischen zwei Fahrten zu kurz war. An den Wochenenden hatte ich viel Zeit, auf seine nächtlichen Anrufe, die irgendwann kamen, zu warten. An einem Freitagabend schickte er mir eine Nachricht, er schrieb, manchmal kann das Liebe machen komisch sein, ich werde ein Kleid tragen und auch Lippenstift. Weiter schrieb er nichts. Ich las die Nachricht einhundert Mal und dachte mich trifft der Schlag. Das ist also der Haken, der kann nur mit mir schlafen, wenn er ein Kleid trägt und geschminkt ist. Ein Transvestit. Oh Gott, ich falle gleich in Ohnmacht. Mir ging alles möglich durch den Kopf, die Fantasie war frei. Deswegen hatte er im Urlaub nicht mit mir Schlafen können, hatte vielleicht sein Kleid und die hohen Schuhe nicht dabei. Ich drehe durch. Ich sah mich mit ihm als zwei Frauen durch die Stadt gehen, ihn vorher, wie er im Bad stand und meine Kosmetik benutzte, wie er im Kleid mit hohen Schuhen vor mir steht und versucht mich zu küssen, als Frau, ich stand wirklich kurz vor dem Wahnsinn. Hatten die Engländer alle einen an der Klatsche? Mir fiel die Sache mit Prinz Charles, Camilla und dem Tampon. ein, die damals durch alle Medien ging. Ich habe ihm eine Nachricht geschickt und gefragt, wie er das meint und dass ich davon gar nichts halte, auf so einen Quatsch überhaupt nicht stehe. Ich habe gewartet und gewartet, keine Antwort von ihm. Alle paar Minuten habe ich auf das Telefon geschaut und bin fast durch gedreht. Es hat fast zwei Stunden gedauert und war kurz vor ein Uhr, als er mir schrieb, dass es ein Scherz war. Ein Scherz?? Hat der den Verstand verloren, mir hier solche Scherze zu schreiben. Ich schrieb zurück, dass ich über solche Scherze in hundert Jahren nicht lachen kann, dass er keine Ahnung hat von dem, was mir die letzten zwei Stunden alles durch den Kopf ging. Er rief mich an und lachte am Telefon, «Honey, hast du wirklich gedacht, dass ich Frauenkleider anziehe und Lippenstift benutze? Das war ein Scherz und ich habe mir dabei nichts gedacht», «ja, ich habe das geglaubt, es gibt solche Männer, die das machen und brauchen, ich bin die letzten zwei Stunden durch die Hölle gegangen, habe die schlimmsten Vorstellungen gehabt, du meldest dich nicht und lässt mich hier mit deinem Scherz zwei Stunden im Ungewissen», heulte ich in das Telefon. Er versprach mir, besser darüber nachzudenken, was er in Zukunft für Scherze mit mir macht. Das hat mit trockenem englischen Humor nichts mehr zu tun, ich fand es einfach nur geschmacklos, mich hier so zu schocken.