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Psychophysiologische Daten stehen nie für sich allein. Um die Daten sinnvoll interpretieren zu können, werden erstens mehrere psychophysiologische Maße erhoben (z. B. Hautleitwert und Herzrate), die sich im Sinne des Untersuchungsziels sinnvoll ergänzen. Zweitens werden neben psychophysiologischen auch subjektiv verbale Daten erhoben.

Welche psychophysiologischen Verfahren werden wann eingesetzt? Wir geben in Tabelle 2.1 einen Überblick über die wichtigsten psychophysiologischen Verfahren und ihre Einsatzgebiete ( Tab. 2.1; siehe zu Apparaturen: Cacioppo et al., 2019; für einen Überblick: Fahr & Hofer, 2013; Hofer & Fahr, 2016; Potter & Bolls, 2012; sowie zum Eye-Tracking: Blake, 2013).

Die Theorie- und Methodenentwicklung der Psychophysiologie ist komplex, aber es lassen sich einige Daumenregeln für den Einsatz psychophysiologischer Methoden formulieren:

Emotionale Prozesse werden vor allem mit der Messung elektrodermaler Aktivität und kardiovaskulärer Aktivität erfasst. Die erforderlichen Apparaturen sind einfacher und preiswerter in der Anschaffung und Anwendung als die meisten anderen psychophysiologischen Apparaturen. In vielen medienpsychologischen Studien mit psychophysiologischem Bezug werden deshalb diese beiden Verfahren verwendet. Sie werden jedoch kritisch diskutiert, weil sie nicht die verfügbare Bandbreite psychophysiologischer Reaktionen abbilden.

Kognitive Prozesse werden durch Beobachtung der Gehirnaktivität und -konnektivität gemessen. Mit der Elektroenzephalografie (EEG) erfasst man elektrische Potenziale im Gehirn und mit der funktionalen

Tab. 2.1: Überblick psychophysiologischer Verfahren und ihrer Einsatzbereiche






VerfahrenWelche physiologische Aktivität wird gemessen?Mit welcher Apparatur wird was gemessen?Auf welchen psychologischen Prozess wird geschlossen?Medienpsychologische Beispieluntersuchung

Magnetresonanztomografie (fMRT) Stoffwechselaktivitäten. Während mit EDA und EKG Reaktionen des peripheren Nervensystems beobachtet werden, untersucht man mit EEG und fMRT funktionale Aktivitäten des autonomen Nervensystems und auch, wie bestimmte Teile des Gehirns in Verbindung stehen (Turner et al., 2019). Im Vordergrund stehen beispielsweise Fragestellungen zu Einstellungen und Einstellungsänderung ( Kap. 5.4), narrativer Persuasion ( Kap. 5.5) oder Flow ( Kap. 4.5).

Wie in der obigen Definition deutlich wird, beinhaltet Psychophysiologie immer zwei Schritte: Erstens die Messung eines körperlichen Zustandes oder einer körperlichen Reaktion; zweitens den Rückschluss auf kognitive, emotionale Prozesse oder verhaltensbezogene Phänomene. Bei diesem Rückschluss ergeben sich zwei Probleme: Das Problem der Messartefakte und das Valenzproblem. Als Nachteil psychophysiologischer Maße gilt, dass bei der Messung psychophysiologische Reaktionen erfasst werden, die nicht aufgrund der Medienstimuli, sondern aus anderen Gründen entstehen. Manche kann man zuordnen, andere werden evtl. falsch zugeordnet und resultieren in Messartefakten.

Psychophysiologische Daten verraten der Forscherin oder dem Forscher nur wenig über die Valenz, also die subjektive Bedeutung einer Reaktion. Wir vermuten bei einer steigenden Herzrate, dass eine Aufmerksamkeitsallokation stattfindet, wissen jedoch nicht, ob sich der damit verbundene Erregungszustand »gut anfühlt«, also als positive Spannung erlebt oder aber als unangenehmer Stress wahrgenommen wird. Psychophysiologische Daten erlauben Aussagen über die Potenz (Stärke) einer Reaktion, nicht über ihre Valenz (Bedeutung, Bewertung). Eine Ausnahme ist das EMG, mit dem die Muskelaktivität im Gesicht erfasst und damit auf (z. T. sehr subtile, nicht mit bloßem Auge beobachtbare) freudige und traurige Mimik geschlossen werden kann. Bei den anderen psychophysiologischen Methoden helfen ergänzende Befragungen weiter.

Bis heute gibt es ein erhebliches Interesse, aber – verglichen mit Experimental- oder Befragungsstudien – deutlich weniger Forschung, die mit psychophysiologischen Daten arbeitet. Dies ist vermutlich auf den großen Aufwand und die Anschaffungskosten zurückzuführen. In der Regel können nur ein oder zwei Versuchspersonen gleichzeitig beobachtet werden. Auch aufgrund des Aufwandes werden insbesondere fMRT-Studien mit kleinen Stichproben und geringer Power durchgeführt (Turner et al., 2019). Es kann also sein, dass bestimmte, kleinere Zusammenhänge und Effekte nicht signifikant werden und schlimmstenfalls sogar weniger veröffentlicht werden ( Kap. 2.1 zum Publication Bias). Häufig sind Projekte, in denen psychophysiologische Verfahren eingesetzt werden, große, interdisziplinäre Projekte, um das Grundlagenwissen aus Medizin, Psychologie und Kommunikationswissenschaft zu vereinen. Denn diese Methoden sind Mittel zum Zweck, man möchte und muss mit ihnen auch theoretisch arbeiten, um generalisierende medienpsychologische Aussagen treffen zu können (Weber et al., 2018). Fast immer ist die psychophysiologische Forschung auch Grundlagenforschung im Hinblick auf die Methode: Die psychophysiologischen Methoden werden für die angewendeten, medienpsychologischen Designs entwickelt und mit ihnen weiterentwickelt. Dass sich der Aufwand lohnt, sehen wir anhand der publizierten psychophysiologischen Studien ( Tab. 2.1).

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