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Ein kleines Gummibärchen

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Ich stieg in den Bus und fuhr direkt zu Liliths Fitnessstudio, dies alles hier konnte nun wirklich nicht bis heute Abend warten. Lilith hatte gerade eine halbe Stunde frei, und die verbrachten wir nun aufgeregt tuschelnd und ich viel weinend in einem der Hinterzimmer. Lilith war echt so lieb, ich lag in ihrem Arm und erzählte ihr alles, wieder und wieder, bis es endlich langsam etwas besser wurde.

Lilith räusperte sich. „Lara? Ich wollte dir das heute Morgen nicht per Handy mitteilen, aber jetzt kann dich das ja vielleicht etwas aufheitern“, sprach sie bedeutungsvoll und plötzlich milde lächelnd in mein doch noch sehr trauriges Gesicht.

Meine Depression schaute kaum auf, winkte nur ab und meinte, was das denn schon so super-Gutes sein könne, was mich jetzt noch aufheitern sollte?

„Ich bin schwanger! So richtig schwanger, schon in der 13. Woche, schon über den Berg der unsicheren Zeit!“, strahlte Lilith mich an. „Ist schon so groß wie ein Gummibärchen, das neue Baby da in meinem Bauch! Ist das nicht einfach toll? Ich bin so aufgeregt und ich freue mich einfach so!“, überschlugen sich nun fast ihre Worte beim Erzählen.

„Sag was, Lara, schön, oder? Ein kleines Baby, nur für uns, ich freue mich so, ich bin so happy!“

Meine Depression gab auf und verzog sich. Ich nahm Lilith kräftig in den Arm und drückte sie, gab ihr ein paar Küsse und sah sie mir noch mal ganz genau an von oben bis unten an. Schwanger!

„Meine Güte, wie herrlich ist das denn bitte? Und, wie fühlst du dich? Geht es dir gut? Ist dir schlecht? Tut was weh?“, löcherte ich sie mit meinen Fragen.

„Nein, alles ok, geht mir wie immer“, antwortete mir Lilith völlig locker. „Deshalb habe ich es ja auch so lange nicht bemerkt. Ich muss jetzt hier etwas langsamer machen, werde das gleich mal mit meiner Chefin besprechen. Aber heute Abend, da möchte ich die Neuigkeit ausführlich mit euch allen feiern, ok? Wir können es ja Mama und Papa per Skype erzählen, die werden sich sehr freuen! Und wollen wir dann mit Michael, Anneliese, ihrem Freddie, Mama und Papa am Laptop mit einem Sekt darauf anstoßen? Was denkst du?“, fragte sie mich zum Abschluss und grinste dabei immer noch von einem Ohr zum anderen.

„Ja gerne, sehr gerne! Ach Lilith, ich freu’ mich so für dich! Dann geh jetzt mal zu deiner Chefin und alles weitere dann heute Abend, ok?“, verabschiedete ich mich nun von meiner frisch schwangeren Schwester, denn es klopfte bereits an der Tür. Jemand brauchte diesen Raum, in dem sich in den letzten 10 Minuten die Ereignisse nun wirklich überschlagen hatten.

Den Weg nach Hause ging ich zu Fuß, ich brauchte frische Luft und frische Gedanken. Liebevolle Gedanken, die auch die letzte Feuchtigkeit auf meinen Wangen trocknen sollten.

Ich schlenderte den Weg entlang und nahm einen kleinen Umweg in Kauf, der mich durch den herrlichen Park mit den satt-grünen Blättern führte. Der Herbst stand vor der Tür, bald würde hier alles gold-gelb schimmern und man konnte das beruhigende Rascheln des Laubes hören, wenn man es mit seinen Füßen beim Spaziergang zur Seite schieben würde.

Ich setzte mich auf die Bank und nahm mein Herz in meine Arme. So lag es da wie ein kleines Kind, welches hingefallen war und nun über sein aufgeschlagenes Knie weinte. So wie man dem Kind ein Eis gibt, hatte Lilith mir diese herrliche Schwangerschaftsnachricht gegeben – genau zur richtigen Zeit! Nun brauchte mein Herz nur noch etwas Liebe und ein paar wohlige Worte, dann würde es ihm bald bestimmt wieder besser gehen.

Ich konzentrierte mich also auf tröstende, beruhigend positive Gedanken, die mein Herz besänftigen sollten.

Raphael, mein Raphael, ER war hier, ganz nah, was waren das allein schon für herrliche Neuigkeiten! Gut, abgesehen davon, dass er eine Freundin hatte, war es einfach nur sooo cool, dass ich ihn hier wiedergetroffen hatte! Nun würde ich ihn ja auch noch öfter sehen können, jeden Dienstag gab es ab jetzt dieses wundervolle Highlight der Woche für mich, stetig, zuverlässig und einfach nur wundervoll!

Ich würde neben ihm sitzen dürfen, konnte ihn ansehen und mich an seiner Nähe erfreuen. Vielleicht würde ich sogar sein Aftershave riechen können, welches auch jetzt noch sanft meine Nasenflügel umwehte. Vielleicht würde er mich ab und an ansehen, tief und liebevoll, mit seinen braunen, samtweichen Augen. Genau so, wie er es vorhin wieder getan hatte.

Herrliche, engelsgleiche Gedanken waren das, die mein Herz bereits tatsächlich ein wenig zu besänftigen schienen.

Nun mischte sich mein kleines Teufelchen auch noch ein und half mit: Ja, und wer wusste das denn schon, vielleicht lief es ja auch gar nicht so gut mit ‚seiner‘ Sophie? Vielleicht stellte Raphael fest, dass sie beide ja eigentlich doch nicht so gut zusammen passten? Vielleicht nervte sie ihn bald mit der ein- oder anderen Macke, nach und nach immer etwas mehr? So was kam vor, gerade in den ersten Monaten einer Beziehung konnte das ganz schnell alles auch wieder vorbei sein – einfach weil man sich eben doch vertan hatte und eben doch gar nicht so richtig zueinander passte.

Ich jedenfalls würde da sein, jeden Dienstag, und gerne einspringen, falls es da mal Probleme geben sollte …

Engelchen widersprach nicht.

Mein Herz sprang nun auch von meinem Arm und ging auch wieder fröhlich spielen.

Zufrieden stand ich auf und setzte meinen Heimweg fort. Ich unterbrach diesen nur noch einmal kurz, indem ich zum ersten Mal die kleine Boutique an der Ecke besuchte. „Exklusive Baby- und Schwangerschaftskleidung“, stand auf dem großen, rosa-weißen Schild über der Tür.

Frei nach dem Motto: „Wenn man Bauchweh hat, muss man etwas dagegen kaufen – Schuhe oder so“, shoppte ich ordentlich drauf los. Schließlich hatte ich Liebesweh und dagegen kaufte ich nun Babykleidung. Half auch ganz gut, obwohl ich leider fast mein ganzes Monatsbudget ausgab.

Engelchen schimpfte nun doch etwas mit mir wegen der großen Ausgaben, aber da Engelchen weiblich war und natürlich auch total auf Babyklamotten stand, war es schon ok so.

Am Abend feierten wir alle dann noch eine richtige, kleine Party. Lilith beschwerte sich etwas über das viele Geld, was ich für sie bzw. das Baby in ihrem Bauch ausgegeben hatte: „Gerade mal so groß wie ein Gummibärchen und schon komplett ausgestattet!“, kommentierte sie den fünften Strampelanzug.

Aber sie freute sich doch sehr über die vielen süßen Klamotten, das konnte man an ihrem seligen Gesichtsausdruck und Worten wie „Aaach, wie süüüß“ oder „Och neee, oooder?“ leicht erkennen.

Anneliese, Freddie, Michael und meine Eltern (am Laptop), Lilith und ich schwatzten den ganzen Abend zusammen und planten schon detailliert die Einrichtung des neuen Babyzimmers. Wir waren ganz in unserem Element und manchmal vergaß ich dabei sogar, an Raphael zu denken.

So ging ich selig ins Bett, sehr spät und ganz schön angeduselt von dem vielen Sekt, mit dem wir die frohe Nachricht ausgiebig begossen hatten. Ich war zufrieden, der Plan Namens ‚Abwarten und bereit sein‘ stand. Ich liebte Pläne, vielleicht auch einfach deshalb, weil sie einen so herrlich beruhigen können. Man hatte für heute alles getan, man wusste, was man morgen tun musste und so hatte man irgendwie alle Probleme abgegeben. Wenigstens für den Moment.

Keine fünf Minuten später war ich auch schon im Land der Träume. Engelchen und Teufelchen schliefen auch sofort ein und waren sich ausnahmsweise mal sogar fast einig.

Nebeneffekt

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