Читать книгу Nebeneffekt - Sandra Diepenbrock - Страница 12
The same procedure as every tuesday …
ОглавлениеSo verging das Semester, ich arbeitete, ging zu den Vorlesungen und half Lilith dabei, das Babyzimmer zu einem perfekten Willkommensgeschenk für Anna werden zu lassen – so sollte nämlich das kleine Mädchen heißen, welches nun schon bald richtig in unser Leben einziehen würde.
Jeden Dienstag traf ich Raphael in der BWL1-Vorlesung: 10.00 Uhr, Raum 202, letzte Reihe, Raphael und ich, mein ganz persönlicher Höhepunkt der Woche! Wir saßen immer nebeneinander und ich glaube, keiner von uns konnte sich wirklich auf das konzentrieren, was der immer noch braun gebrannte Professor da vorne so von sich gab. Anschließend gingen wir jedes Mal zusammen in die Kantine und aßen gemeinsam zu Mittag, danach einen Espresso am Automaten und dazu ein Snickers, durchgeteilt, für jeden die Hälfte.
Die Sache mit dem Snickers war echt süß, jedoch entsprang sie einem Ereignis, was ich schon lange vergessen und eigentlich als erledigt abgehakt hatte. Eigentlich.
Als Raphael und ich nach einer Vorlesung gemeinsam vor dem Süßigkeitenautomaten gestanden hatten, kramte ich nach meinem Portemonnaie und wollte es nach einem passenden Geldstück für das Snickers durchsuchen. Wollte ich, ja, konnte ich aber nicht. Meine Hände begannen plötzlich und aus heiterem Himmel wieder mit dieser Parkinson-Nummer, die ich ja schon vom ersten Tag bei Anneliese her kannte, damals, als ich den Taxifahrer gezahlt hatte.
Es begann so unerwartet und so heftig, dass mir meine Geldbörse sogar aus der Hand fiel und der komplette Inhalt über den Boden verteilt wurde. Verwirrt hatte ich alles zusammengeklaubt und dabei versucht, meine Zitterei vor Raphael geheim zu halten.
„Ich zahl den mal für uns, okay?“, hatte Raphael nur schmunzelnd geäußert, und damit war die Sache dann auch erledigt gewesen. Für den Moment zumindest. Ein Segen auch für kommende Momente, denn so sehr mich dieser Vorfall kurzfristig auch verwirrt hatte, so schnell war er dann aber auch schon wieder vergessen und für nichtig erachtet worden.
So jedenfalls war dieses wundervolle Ritual entstanden, welches wir nun jeden Dienstag in der Kantine wiederholten, hegten und pflegten wie eine kleine Pflanze, die unbedingt gut gedeihen und bald groß und schön erblühen sollte.
Niemals jedoch sprachen wir dabei über Sophie, immer nur über alles andere. Und doch war sie immer da. Raphael und ich flirteten schon recht heftig miteinander, jeden Dienstag, das war für alle offensichtlich und für uns beide sehr schön. Aber immer wahrten wir dabei die unsichtbare Linie der Fairness gegenüber Sophie, immer berührten wir uns nur ganz zufällig an der Schulter oder am Finger, nie mehr. Das war herrlich und das musste reichen – für den Moment.
Einmal sah ich dann Sophie auf einer der Studentenpartys, welche ich mit Sara manchmal besuchte. Ihr gelber Mantel leuchtete mir entgegen, bevor ich Raphael überhaupt entdeckt hatte. In einer Art Fluchtreflex versteckte ich mich schnell hinter einer Säule und zog Sara ebenfalls dorthin. Gemeinsam beobachteten wir die beiden von dort aus eine Weile lang, was allerdings schnell ziemlich langweilig wurde. Immerhin sahen sie nicht sehr verliebt aus, sie waren einfach beide da und unterhielten sich mit einigen Freunden – das war schon alles.
Ich wollte mir das Ganze allerdings nicht aus der Nähe geben, Raphael neben Sophie statt neben mir, nein, das war nix für mich. Wenn man etwas weiß, ist es nämlich noch mal ganz was anderes, als wenn man es dann sieht und spürt.
Also ging ich nach Hause, direkt von dem dunklen Versteck hinter der Säule in mein einsames Bett, na ja.
Das war dann natürlich wieder einer dieser Abende, an denen ich nicht an ein gutes Ende für mich und Raphael glaubte. Eher an gar kein Ende, denn es gab nun mal in der wahren Welt außerhalb unseres Vorlesungsraum-Kosmos kein ‚Lara & Raphael‘, es gab ‚Sophie & Raphael‘ – und dann noch ‚Lara & nix‘. Gut, er hatte sich verliebt, in mich, damals, vor einer gefühlten Ewigkeit. Aber dann waren wir uns nicht mehr begegnet, lange, sehr lange. Obwohl wir beide in Osnabrück lebten, sind wir uns ein ganzes Jahr lang nicht über den Weg gelaufen. Auch irgendwie blöd von Amor, hat er nicht gut gemacht, wirklich nicht. Daraufhin hatte sich Raphael eben wieder entliebt und neu verliebt, nämlich in Sophie. Da konnte man nichts machen, so war das, jedenfalls an den meisten Tagen in der Woche.
Aber es gab auch diese anderen Tage, die Dienstage nämlich, an welchen ich dann doch immer mehr das Gefühl hatte, dass Raphael und ich einfach zusammen gehörten. Da gab es nur diesen unseren Kosmos des Unigeländes – mich und Raphael und seine braunen Augen. Mit denen schaute er mich dann immer so tief und leidenschaftlich an, so als gäbe es für ihn eben einfach nur mich, Lara, seine einzige, wahre große Liebe! Augen können doch einfach nicht so doll lügen, oder? Augen sprechen auch eine Sprache, die Sprache des Herzens, die Sprache der Wahrheit – oder nicht? Ich musste also einfach nur abwarten, sagte ich mir an diesen anderen Tagen, einfach nur Geduld haben, dann würde irgendwann dieser unser Kosmos mit dem da draußen verschmelzen und wir wären überall Lara & Raphael – forever!