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Der Job, der neue Job – au weia!

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Ein dumpfes aber heftiges Klopfen weckte mich extrem unsanft auf. „Lara, LARA, BIST DU DA DRIN?“, rief von weit her eine mir doch irgendwie sehr bekannte Stimme.

Ich öffnete meine Augen und brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, wo ich mich überhaupt befand. Der Bulli, Jägermeister, Raphael, ach ja! OH JA! Das war schön, ER war schön, die Nacht war schön gewesen. Ich lächelte und rekelte mich gemütlich.

„LARA!!!“, unterbrach schon wieder diese Stimme mein wohliges Gefühl, dazu klopfte jemand erneut heftig von außen an den Bus.

Ich schüttelte mich, bewegte mich widerwillig in Richtung Tür und öffnete sie einen Spalt.

„Lara, endlich, meine Güte, wir müssen los, dein Zug fährt gleich! Den musst du erwischen, du hast morgen deinen ersten Arbeitstag, du erinnerst dich vielleicht? Osnabrück, neuer Job, du musst morgen dort anfangen?“

Lilith stand aufgeregt draußen vor dem Bulli, hüpfte leicht auf und ab und rief diese ernüchternden und sehr unschönen Worte in mein müdes Gesicht hinein.

„Mist, ja, stimmt! Okay, bin gleich da“, antwortete ich, während sich Liliths Aufregung direkt auf mich zu übertragen schien.

Mein Herz raste und gab mir so praktischerweise und gänzlich kostenlos die Energie von drei Espresso, für die ja nun leider keine Zeit mehr war.

Der Job, Osnabrück, mein Zug – au weia!

„Bin sofort da“, stammelte ich leise und hektisch zurück.

Schnell und möglichst leise sammelte ich meine Sachen zusammen, zog mich notdürftig an und gönnte mir schließlich noch einen letzten, sehnsuchtsvollen Blick auf den noch tief schlummernden Raphael.

Lilith jedoch begann bereits wieder mit der Klopferei gegen die Tür, und so löste ich mich widerwillig von diesem wundervollen Anblick, drehte mich um und robbte fast geräuschlos zur Tür. Ich öffnete und schaute Lilith mit dem Blick einer Katze an, die weiß, dass sie gleich gewaschen und geschäumt wird und dass der Spaß des Herumtollens im Dreck nun endgültig vorbei war.

„Ich will nicht, ich will hierbleiben“, dachte ich trotzig, stieg aber dennoch brav aus dem Bus und schloss so sanft wie möglich die Tür hinter mir.

„Komm jetzt erst mal, Süße!“ Lilith blickte mich verständnisvoll an und strich mir über meinen Arm. Dabei stupste sie mich sanft in Richtung von Michaels Wagen, den ich ja am Abend zuvor direkt neben dem Bulli von Raphael geparkt hatte. „Ich fahre später zurück und erkläre ihm alles, ok?“ sagte sie mit ihrer liebevollen Große-Schwester-Beschützer Stimme.

„Aber jetzt müssen wir echt los, ok, also bitte, bitte beeile dich etwas!“

Ok, jetzt wurde der Ton doch etwas rauer, was vielleicht auch nötig war, um mich in Gang zu bekommen.

Wie paralysiert stieg ich in Michaels Auto ein, Lilith war mit dem Fahrrad hergefahren und hatte dieses bereits hinten im Kofferraum verstaut.

Sie startete den Motor und gleichzeitig auch ihr Mundwerk. Sie redete die ganze Zeit über, während sie ordentlich Gas gab und dabei sogar eine rote Ampel ‚übersah‘.

„Mensch Lara, ich habe mir solche Sorgen gemacht um dich! Michael meinte zwar, das ginge schon alles klar und ich wäre sicher in guten Händen – aber mir war echt nicht so ganz wohl bei dieser Sache hier!“

Es folgte eine längere Moralpredigt darüber, dass sie froh sei, dass wenigstens eine hier mitdenken würde und ich echt dankbar sein könne, dass sie das sei. Bla bla bla.

Ich stierte aus dem Fenster und schnüffelte an meinem Pullover. Hmmm, roch nach Raphael, hmmmm!

Einige Bilder der letzten Nacht zogen an meinem inneren Auge vorbei und ließen mich breit und wehmütig lächeln.

Wir hielten kurz bei Liliths & Michaels Appartement an und luden meinen Koffer in den Wagen. Ich nutzte die Gelegenheit, um mich ausgiebig von Michael zu verabschieden, mit „Tschüss“ und „Danke für alles“ und diesen Sachen eben. Michael war einfach toll gewesen in den letzten Wochen und ich freute mich sehr für Lilith, dass sie so einen netten Freund gefunden hatte.

Michael nickte immer nur, gab Kommentare ab wie „da nich für“ oder „ja, schön kann es hier sein, nicht wahr?“. Dabei grinste er mich die ganze Zeit superschelmisch an, was echt nervte.

Am Ende drückte ich Michael noch mal fest und wusste ja, dass dieser Abschied zum Glück nur für kurze Zeit sein würde. Schon bald würden schließlich auch Lilith und Michael wieder zurück nach Osnabrück ziehen und ebenfalls in Annelieses Haus einziehen, was mir den Abschied von Liliths supernetten Freund jetzt und hier ganz klar sehr einfach machte.

„Bis bald, Michael!“, entsprach also sehr der Wahrheit und so fiel es mir nicht schwer, mich umzudrehen und schnell mit Lilith weiter zum Bahnhof von Sylt zu fahren.

Lilith brachte mich genau pünktlich zum Zug und versprach mir, sofort wieder zurück zu Raphael zu fahren und ihm alles zu erklären. Und vor allem, ihm meine Handynummer zu geben, was ja noch viel wichtiger war!

Ich stieg in den Zug ein, schlurfte in den Waggon hinein und ließ mich müde auf den erstbesten Sitz fallen. Lilith hatte sich direkt vor mein Fenster gestellt und schaute mich liebevoll an. Ich gab ihr einen Handkuss und winkte ihr so lange zu, bis ich sie nicht mehr erkennen konnte. Meine liebe Schwester, ja, sie dachte mit und sie war immer für mich da, recht hatte sie!

Dankbar lehnte ich mich zurück und genoss das ruhige Rumpeln des Zuges über den Deich aufs Festland zu. Dabei beobachtete ich verträumt das Meer und die Insel, wie sie langsam am Horizont durch die Weite des Festlandes abgelöst wurden und schließlich ganz verschwanden.

Ich leckte über meine Lippen und konnte noch immer Raphael schmecken. Ob Lilith jetzt schon bei ihm war, ob er wohl wütend war? Na ja, sie würde ihm ja alles erklären und dann würde ich ihm sicher bald eine Nachricht schicken können, in der ich ihm schreiben konnte, wie sehr ich die letzten Stunden mit ihm genossen hatte.

Zufrieden lehnte ich meinen Kopf an die Rückenlehne an, schloss meine Augen und dachte an letzte Nacht. Fast konnte ich Raphael an meiner Seite fühlen, als mich das ruhige Rattern des Zuges sanft einschlummern ließ.

Nebeneffekt

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