Читать книгу Gift - Sandra Schaffer - Страница 16

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Mark saß noch lange an seinem Schreibtisch, dachte über die Frau nach und die Bitte, die sie ihm gegenüber geäußert hatte. Sie war ihm so verloren vorgekommen und hatte ihn sofort zwei Jahre zurückgeworfen. Zurück in eine Zeit, die er vergessen wollte, der er zu entfliehen versucht hatte, indem er nach New Orleans kam. Doch nun kam durch diese Frau alles wieder hoch. Die Erinnerung an den damaligen Fall; an Denise, vor allem an Denise! Sie war die Frau gewesen, der er sein Herz geschenkt hatte. Er hatte sich in Denise verliebt, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Diese haselnussbraunen Augen, das lange dunkelblonde Haar, der sinnliche Blick. Denise hatte all das verkörpert, was Mark an einer Frau mochte. Sie stand auf eigenen Beinen und mochte es dennoch, einen Mann an ihrer Seite zu haben, der sie beschützen konnte. Nur hatte Mark sie nicht beschützen können! Sie war seine Kronzeugin gewesen, sollte gegen eine irische Familie namens O’Conner aussagen. Sie war einige Zeit mit dem jüngsten Sohn zusammen gewesen und hatte dabei einige Dinge mitbekommen, die die Familie zum Gelderwerb genutzt hatte. Drogenschmuggel, Diebstahl, selbst vor Mord hatten sie nicht zurückgeschreckt. Mark hatte Denise in Sicherheit gewogen, hatte geglaubt sie sicher untergebracht zu haben, doch die O’Conners hatten sie dennoch gefunden. Er hatte sie nicht beschützen und nicht retten können. Wie er auch seinen Partner nicht hatte retten können, ja nicht einmal sich selbst, dazu war die Hilfe eines Kollegen nötig!

Wenn Mark jetzt dieser Frau half, würde sich nur alles wiederholen, das wusste er so sicher, wie er wusste, dass am nächsten Morgen die Sonne aufging. Und trotzdem ging ihm ihre Geschichte nicht mehr aus dem Kopf und er entwickelte einen Plan, wie er vorzugehen gedachte. Doch er schüttelte ihn wieder ab, stand auf und verließ das Büro.

* * *

In dieser Nacht bekam Mark kein Auge zu, weil ihm die Geschichte der Frau nicht mehr aus dem Kopf ging. Obwohl er seit mittlerweile zwei Jahren Privatdetektiv in New Orleans war, hatte ihn noch nie jemand gebeten, einen solchen Fall zu bearbeiten. Für gewöhnlich handelten seine Aufträge von Ehebrechern oder ab und an mal einem Diebstahl. Aber eine Mordermittlung? Er konnte sich nicht in eine Mordermittlung einmischen, er wollte sich nicht mit der hiesigen Polizei anlegen. Trotzdem schwirrten Abbys Worte weiterhin in seinem Kopf herum und egal, was er auch tat, wie viel Alkohol er auch trank, sie verstummten nicht.

Nachdem Mark sich zwei Stunden schlaflos im Bett hin und her gewälzt hatte, stand er schließlich wieder auf. Er ging in die Küche, machte sich Kaffee und nahm an seinem Tresen Platz. Dann schaltete er den Laptop an und gab den Namen Prof. Dr. Martin Roberts ein. Der Mann stammte aus reichem Hause, hatte in amerikanischer Geschichte promoviert, war der Beste seines Jahrgangs gewesen und wurde sofort nach dem Studium als Professor an der University of New Orleans eingestellt. Professor Roberts war bei seinen Studenten und den anderen Dozenten sehr beliebt, er schien eine Art Heiliger gewesen zu sein. Er hatte sich nie etwas zu Schulden kommen lassen und war mit jedem ausgekommen. Jedenfalls laut Internet.

Mark entschied, sich am nächsten Tag in der Bar umzusehen und mit dem Personal zu sprechen, auch wenn er nicht vorhatte, sich in die Ermittlungen einzumischen, die Neugier konnte er nicht einfach ignorieren. Er kam nicht umhin, sich pausenlos zu fragen, was der Mann in dieser Bar verloren hatte, wenn er doch nicht fremd gegangen war und eine wunderschöne Frau zu Hause gehabt hatte.

Er klappte den Laptop wieder zu und ging mit dem Kaffee ins Wohnzimmer. Dort schaltete er den Fernseher ein.

Die Sonne schien ihm ins Gesicht und er schreckte hoch und schaute auf seine Uhr. Sechs Uhr dreißig. Er war doch noch einmal eingeschlafen. Der Kaffee war mittlerweile kalt. Also kochte er sich einen neuen. Während der Kaffee durchlief, ging er unter die Dusche und rasierte sich. Am Abend würde er die Bar aufsuchen. Doch bis diese öffnete, vergingen noch ein paar Stunden, in denen er sich klar werden konnte, ob er das wirklich tun wollte; ob er sich wirklich auf eine Mordermittlung einlassen wollte, zwei Jahre nachdem er geschworen hatte, es nie wieder zu tun!

* * *

Sobald der Barmann um fünf Uhr abends den Laden aufschloss, stand Mark bereits wartend davor. Der Barmann – etwas kleiner als Mark, mit einem breiten Kreuz und einem Bauch, der weit über den Hosenbund hinausragte – hielt seinem ersten Gast des Abends wortlos die Tür auf. Mark trat in das schummrige Licht. Er konnte nur Schemen erkennen. Erst als seine Augen sich an die Lichtveränderung gewöhnt hatten, erblickte er den Tresen auf der linken Seite. Der übrige Raum wurde ausgefüllt von runden Tischen mit jeweils vier Stühlen.

„Woll’n Sie’n Bier?“

„Nein danke. Ich bin hier, um Ihnen ein paar Fragen zu dem Mordfall, der sich vor knapp einer Woche hier zugetragen hatte, zu stellen.“

„Sie woll’n was über den Typ wissen?“

„Ja.“ Mark zog seinen Detektivausweis aus der Hosentasche und zeigte ihn dem Mann. „Mein Name ist Mark Fallon. Haben Sie an besagtem Abend irgendetwas Ungewöhnliches beobachtet?“

„Nicht nur an dem Abend!“

Mark horchte auf. „War das Opfer vorher schon einmal hier?“ Abby hatte nichts davon erwähnt!

„Mehrmals. Er trank immer zwei Bier und ging dann wieder. Aber die letzten drei Tage, bevor er starb, schien ihn jemand zu beschatten oder so was.“

„Er ist beschattet worden?“ Verdammt, was ging hier eigentlich vor? „Können Sie den Mann beschreiben?“

„Na ja, mal sehen. Viel hab ich nicht gesehen. Es ist ziemlich dunkel hier drin und der Kerl war vollkommen in Schwarz gekleidet.“

Mark machte sich Notizen, hielt einen dunkel gekleideten Mann aber noch nicht für verdächtig. „Warum denken Sie, dieser Mann beschattete das Opfer?“

„Na ja, er kam kurz nach ihm rein, bestellte nur Wasser und hielt das Opfer die ganze Zeit über im Auge. Sein Wasser hatte er in den drei Tagen, die er hier war, nie angerührt, ging auch immer sofort wieder, nachdem der andere die Bar verlassen hatte. Ich bin kein Experte! Aber das sah mir schon nach ‘ner Beschattung aus.“

„Sie haben aber nicht gesehen, ob er aufgestanden ist und dem Opfer etwas in den Drink kippte?“

„Nein, tut mir leid, aber an dem Abend war viel los. Na ja, kurz bevor der arme Mann mit dem Kopf auf den Tresen knallte, schaute ich zu dem Tisch, an dem der Kerl gesessen hatte. Aber er war verschwunden.“

„Er ging also, kurz bevor das Opfer starb.“ Also konnte er sich an Mr. Roberts herangeschlichen, ihm etwas ins Glas geschüttet haben und verschwunden sein. Alles im Schutze der düsteren Beleuchtung. „Fällt Ihnen sonst noch etwas ein, das ungewöhnlich war?“

Der Barmann legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. Doch dann schüttelte er den Kopf. „Nein, sonst war alles wie immer.“

Also könnte der Mörder doch ein Mann gewesen sein!

Gift

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