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2.4.4 Literarische Performativität: Ein Beispiel

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Zur Verdeutlichung der oben beschriebenen theoretischen Grundlagen bietet sich der Blick auf einen spezifischen Beitrag aus Herberichs/Kienings Sammelband zur literarischen Performativität an. Obwohl die Thematik und die historische Verortung sich scheinbar sehr von der vorliegenden Arbeit unterscheiden, ist Christa Haeselis Beitrag zu den althochdeutschen Zaubersprüchen in ihrem Überlieferungskontext auch interessant im Hinblick auf die Untersuchung der skaldischen Dichtung in der P-E.1 Haeseli kommt weg von der klassischen Sprechakttheorie und bestimmt auch den Begriff performance neu, indem sie ihn für eine Handschriftenanalyse und die Frage nach Textstrategien zusammendenkt. Dabei verschiebt sich der Fokus der Fragestellung von der realweltlichen Verwendung der Zaubersprüche hin auf Zaubersprüche als schriftliche Texte mit ihren je eigenen Wirkungsstrategien. Der Begriff performance wird dazu im Gegensatz zu seiner üblichen Verwendung bewusst für den „Auftritt“ eines Textes im schriftlichen Kontext verwendet:

Mit diesem Perspektivenwechsel wird gegen die schematische Vorstellung von situativer, wirkmächtiger mündlicher Aufführung versus dauerhaftem, wirkungslosem, schriftlich fixiertem Text argumentiert. Es stellt sich die Frage nach den textuellen Strategien, die darauf abzielen, textüberschreitende Wirkung zu erlangen. Dabei werden die sprachmagischen Texte nicht als defizitär, als Überreste einer umfassenderen mündlichen und deshalb nicht mehr zugänglichen performance betrachtet, sondern sie können als eine Art Partitur verstanden werden, welche die Bedingungen von Wirkungsmöglichkeiten erst herstellen und dabei selber performativ verfasst sind.2

Haeseli zeigt, wie althochdeutsche Zaubersprüche in Handschriften eingefügt werden und da je unterschiedliche performative Wirkung entfalten. Sie fragt dabei nicht nur nach zauberspruchinhärenten performativen Strategien, sondern auch danach, wie die spezifische Eintragungsart und der handschriftliche Kontext als Wirkungssteigerung funktionieren können. Dies ist etwa der Fall, wenn sich Zaubersprüche an kryptographische Alphabete anlagern oder andere auratische Texte als performative Rahmungen nutzen.3 Aus ihren Ausführungen wird klar, dass die Performativität der Rahmentexte aber nicht einseitig gedacht werden darf. Die „gerahmten“ Texte wirken genauso auch als performative Rahmen für die sie umgebenden Texte. Deshalb sollte man die Kompositionsprinzipien der Handschrift ernst nehmen.

Dies wird auch für die im Codex Upsaliensis enthaltenen Texte zu beachten sein, sowie auf einer anderen Ebene auch für die Integration skaldischer (und auch eddischer) Strophen in Prosatexte. Die Parallelen von skaldischen Gedichten und Zaubersprüchen mögen etwas gewagt sein, dennoch überschneiden sie sich in gewissen Dingen: Beides sind kulturelle Phänomene aus einer (vermeintlichen) heidnischen und mündlichen Vorzeit. Beide werden im Zusammenhang mit schriftlicher Gelehrsamkeit tradiert und ihnen wird eine hohe sprachliche Wirkmacht zugesprochen. Haeseli zählt vier Aspekte auf, die für ihre Untersuchung literarischer Performativität zentral sind4: (1) Die Wirkmacht eines Zauberspruchs ist in einem Text nicht unmittelbar gegeben. Man muss also nach den Mechanismen fragen, die ihre Wirkung im Schriftlichen mitkonstituieren. Unter (2) „wird der Dynamisierungsprozess selbst verstanden, der den Zauberspruch zwischen stillgelegtem Muster und wirkmächtiger Rede oszillieren lässt. Solche Prozesse lassen sich an Umschlagpunkten ausmachen, die in den Zaubertexten angelegt sind.“ Aspekt (3) betrifft die Rahmungen der Zaubertexte, die sich nicht im Anfügen von Rahmenerzählungen oder liturgischen Formeln und Gebeten erschöpfen. Dieser Punkt verbindet sich mit dem Aspekt (4), dem Überlieferungskontext innerhalb von Sammelhandschriften. Ihm kann eine legitimierende, Evidenz stiftende oder auratisierende Funktion zukommen. Abschliessend fasst Haeseli zusammen:

Die performative Strategie des Zaubertextes besteht also darin, ein Szenario zu erschaffen, in dessen Rahmen er wirksam werden kann. Damit gehört zur Performativität nicht nur die Handlung selbst, sondern auch das Hervorbringen ihrer Wirkungs- und Gelingensbedingungen.5

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