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Kapitel 13 - Chris
ОглавлениеUnbehaglich nippte er an seiner Cola, während er den Blick durch den Pub gleiten ließ. Was zum Henker sollte er mit dieser, ihm noch völlig fremden Frau reden, die neben ihm saß und ihrerseits keinen Ton sagte. Kian war schon eine Leuchte. Da schleppte er seine Freundin mit zu seinem Gig und Chris sollte den Babysitter spielen oder was?
Und hinzu kam noch, dass Khyra direkt den Platz an der Theke angesteuert hatte, den Chris um jeden Preis hatte meiden wollen. Unter keinen Umständen wollte er mit Nadeya reden. Nicht seit der Sache mit der geplatzten Verabredung. Und doch ging sie hin und wieder an ihnen vorüber, bediente Gäste und wechselte ein paar Worte mit ihrer Schwester. Ihn ignorierte sie jedoch ebenso geflissentlich, wie er sie.
»Sag mal, was ist denn bei euch verkehrt?«
Er zuckte zusammen. Khyra blickte ihn aus diesen blauen Augen an, die denen ihrer Schwester so ähnlich waren.
»Was?«
»Letzte Woche habt ihr euch noch ganz gut verstanden und kanntet euch plötzlich von irgendwoher und jetzt guckt ihr euch nicht einmal an, geschweige denn, dass ihr ein Wort miteinander wechselt.«
Chris wich ihrem Blick aus und beobachtete stattdessen ein Paar, das ein Stück entfernt an einem der runden Tische saß und sich innig umschlang.
»Was heißt hier kennen? Ich habe an dem Abend zum ersten Mal mit ihr gesprochen. Kein Grund anzunehmen, dass wir wer weiß wie vertraut miteinander sind.«
Was ging sie das überhaupt an? Wer war sie denn schon... Ja okay, sie war ihre Schwester. Na und? Kian bohrte doch auch nicht dauernd nach.
»Sah aber so aus.« Nachdenklich nippte sie an ihrer Apfelschorle. Ihm war schnell aufgefallen, dass sie ebenso wenig Alkohol trank, wie er und sein Bruder. Irgendwie ärgerte es ihn plötzlich, dass sie das nur noch sympathischer machte. Vielleicht war da ein verborgener Beschützerinstinkt für seinen kleinen Bruder, der ihm verbot, dessen Freundin vorbehaltlos zu akzeptieren.
»Wir haben uns vielleicht einfach nur nichts zu sagen.«
Khyra erwiderte nichts darauf. Sie stützte sich mit den Unterarmen auf der Theke ab und seufzte.
»Mann, bin ich müde... Ich komm nie wieder mit, wenn ich Frühdienst hatte.«
Sie legte den Kopf auf den Armen ab und schloss die Augen.
»Willst du Kians Auftritt verschlafen?« Er musste grinsen. Okay. Zugegeben, er konnte seinen Bruder ein wenig verstehen. Khyra war eine tolle Frau, offen und freundlich, doch vielleicht ein bisschen zu perfekt. Mit solchen Mädchen konnte er meistens nichts anfangen, weil sie zu glatt waren, zu nett... Aber diese Khyra hatte irgendetwas an sich. Ja, er war ein wenig skeptisch gewesen, hatte sich gefragt, wie Kian sich in eine Wildfremde verliebt hatte und der Beziehung nicht viel Zeit eingeräumt. Doch seinem Bruder schien es ernst mit ihr zu sein. Die Frage war nur, wie weit es mit ihrer Ehrlichkeit her war. Sah sie in Kian dasselbe, wie er in ihr? Im Augenblick hatte er keinen Grund, das Gegenteil anzunehmen, doch man konnte nie wissen.
Khyra gähnte herzhaft und grinste dann.
»Ganz bestimmt nicht«, antwortete sie.
»Naja, zehn Minuten hast du noch Zeit zum Schlafen.«
Ihr Grinsen wurde breiter.
»Ich bin schon gespannt.«
Irgendetwas an ihrem Blick machte ihn stutzig. Ihre Augen funkelten ganz merkwürdig, als hätte sie einen Plan ausgeheckt. Was hatte sie vor? Wollte sie wie ein wild gewordenes Groupie auf die Bühne springen?
Die Vorstellung ließ ihn grinsen. Nein. Das würde nicht zu ihr passen. Sie sah so brav aus. Es musste etwas Harmloseres sein.
Irgendwann trat Kian mit seiner Gitarre auf die Bühne. Er wirkte fast so nervös, wie bei seinem ersten Auftritt, doch unter der Woche waren deutlich weniger Leute im Pub.
Er begrüßte das Publikum und kündigte sein Abendprogramm an.
»Das erste Lied habe ich gerade erst geschrieben. Es ist also quasi eine Premiere heute.«
Und dann spielte er die ersten Akkorde und eine Gänsehaut lief Chris über den Rücken. Das war einfach... Schon jetzt war es das Beste, was er je von ihm gehört hatte. Und als Kian anfing zu singen, wusste Chris, dass es Khyra war, die ihn so inspiriert hatte. Sie war seine Eine. Die Liebe seines Lebens. Aber wie war das möglich? Wie konnte er das wissen, nach diesen eineinhalb Wochen Beziehung? Wie konnte er sich so unglaublich sicher sein? Doch er war es, ganz offensichtlich. Und jeder, absolut jeder konnte das sehen. Auch Chris. Es war ihm nicht möglich, die Augen länger davor zu verschließen. Khyra gehörte einfach zu Kian, wie der Deckel auf seinen Topf. Sie brauchten einander, wie man die Luft zum Atmen brauchte.
Chris warf der Frau neben sich einen Seitenblick zu. In diesem Licht sah sie unglaublich schön aus. Sie lächelte und wandte den Blick nicht von ihrem Freund ab.
Er seufzte. Okay... na gut! Dann war das eben so.
Kian endete mit einem rauen, tiefen Ton, der ihm erneut eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
»Und jetzt meine Lieben, brauche ich eure Hilfe. Es gibt einen Menschen in diesem Pub, den ich hier oben brauche. Aber sie ist ein wenig schüchtern, also helft mir, sie ein bisschen anzufeuern.«
»Spinnt er jetzt total? Als ob jemand einfach so zu ihm da rauf geht«, sagte eine weibliche, ein kleines bisschen raue, Stimme hinter ihnen. Chris wandte sich um, doch Nadeya hatte bloß mit ihrer Schwester gesprochen. Die grinste plötzlich und sah fast ein wenig schuldbewusst aus. Kannte sie etwa Kians Plan?
»Das Lied, was ich jetzt spiele, ist ein Duett. Ich weiß, dass sie es heimlich geübt hat, aber noch nie hat sie mit mir gemeinsam gesungen, geschweige denn überhaupt auf der Bühne gestanden.«
»Khyra?«, stieß Nadeya plötzlich alarmiert aus. Ihre Stimme zitterte leicht.
»Ihr kennt sie vielleicht daher, dass sie euch hinter der Theke die Drinks reicht. Aber heute wollen wir sie hier oben sehen. Nadeya, komm doch bitte rauf zu mir.«
Chris klappte der Mund auf. Er blickte über die Schulter zu der jungen Frau, die hinter dem Tresen erstarrt war. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Khyra schuldbewusst die Schultern hob und verlegen grinste. Sie hatten das gemeinsam eingefädelt. Doch glaubten sie ernsthaft, dass Nadeya das durchzog? Sie rührte sich nicht von der Stelle.
Wut kochte in ihm. Was dachten die beiden sich dabei? Man konnte doch niemanden zu so etwas zwingen.
Kian jedoch animierte das Publikum zu Beifall und Anfeuerungsrufen. Es war erst sein zweiter Abend im Underground und doch hatte er seine Zuhörer schon voll im Griff.
Und Nadeya sprang tatsächlich über den Tresen.
»Dafür, Khyra, putzt du einen Monat lang mein Klo.«
Ihre Schwester lachte schallend.
»Nun geh schon!«
Nadeya bahnte sich einen Weg zur Bühne und stieg unsicher hinauf. Jeder konnte ihre Angst und ihren Widerwillen sehen.
»Ihr seid vollkommen übergeschnappt«, fuhr Chris Khyra an. »Was habt ihr euch dabei gedacht?«
Doch die lächelte nur.
»Wart‘s ab!«
Chris wandte sich missbilligend zur Bühne. Er würde nachher ein ernstes Wort mit seinem Bruder reden müssen. Der sprach gerade mit Nadeya und hielt die Hand vor das Mikrofon, damit die Geräusche nicht zum Publikum durchdrangen. Sie nickte und bekam von einem Tontechniker ein zweites Mikro in die Hand gedrückt.
»Das Lied heißt ‚Eternal heartbeat‘ und ich habe es geschrieben, nachdem ein ganz besonderer Mensch in mein Leben getreten ist.«
Er zupfte ein paar Saiten auf der Gitarre an und begann damit, die erste Strophe zu singen. Nadeya neben ihm nestelte an dem Kabel ihres Mikrofons herum und schwieg. Doch als er ihr einen Blick zuwarf, fing sie an genau der richtigen Stelle, in exakt der richtigen Tonlage an, zu singen. Vor Überraschung sprang Chris von seinem Hocker und starrte die Frau auf der Bühne an. Das war... so vollkommen und rein, dass ihm ein Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte. Nadeyas Stimme harmonierte in untadeligem Einklang mit der seines Bruders. Sie war perfekt... Sie war... sie war... Er konnte sie nur anstarren. Ihre geschlossenen Augen, ihre wilde, rote Haarmähne, die sie an ihrem Hinterkopf zu einem Pferdeschwanz gebändigt hatte und ihren Mund. Ihre vollkommenen rosa Lippen, die diese Worte formten.
Chris atmete hörbar aus. Diese Frau war... war einfach...
»Was bitteschön soll das?«, zischte eine Stimme hinter ihm. Widerwillig riss er den Blick von ihr los. Joe stand hinter dem Tresen, das Gesicht wutverzerrt.
»Sie soll hier arbeiten und nicht da vorne auf der Bühne rumspringen«, schimpfte er.
»Aber sie ist doch unglaublich gut«, sagte Chris und genau in diesem Augenblick endete das Lied mit einem melancholischen Ton und das Publikum brach in Begeisterungsstürme aus. Joe schien das nicht wahrzunehmen.
»Ich bezahl sie fürs Gläserfüllen, nicht fürs Singen.«
»Entspann dich, Mann!«, sagte Chris und stimmte in die Beifallsbekundungen ein. Joe hatte wohl mal wieder einen seiner schlechten Tage.
Nadeya kam strahlend vor Glück auf sie zu und umarmte ihre Schwester fest.
»Du bist so eine absolut irre, hirnverbrannte Kuh«, schimpfte sie, doch jede ihrer Fasern drückte Dankbarkeit aus.
»Das war unglaublich«, bekundete Chris, bevor er sich auf die Zunge beißen konnte. Überrascht sah sie ihn an und ihre Blicke begegneten sich. Ein merkwürdiges Fallgefühl machte sich in ihm breit. Oh verdammt, diese Augen... Was passierte nur mit ihm?
»Danke«, gab sie ein wenig reserviert zurück, bevor sie wieder über die Theke kletterte.
»Du - Küche - sofort!«, knurrte Joe und packte sie an der Schulter. Sofort spürte Chris das absurde Verlangen, hinterher zu rennen und sie vor dem Wutausbruch ihres Chefs zu bewahren. Doch was sollte er schon tun? Joe würde es sich nicht nehmen lassen, auf seiner Angestellten herumzuhacken. Dabei konnte sie nicht einmal etwas dafür.
»Kriegt sie jetzt wirklich Ärger?« Khyra blickte zerknirscht zu der Schwingtür hinüber. Chris nickte.
»Ich glaube schon. Joe ist manchmal etwas... eigen.«
»So ein Mist... Wenn ich das gewusst hätte.«
Chris antwortete nicht. Er starrte immer noch die Tür an, während sein Bruder auf der Bühne zum Mitsingen einiger Radiosongs animierte. Das Publikum stimmte bereitwillig ein.
Irgendwann kamen Joe und Nadeya wieder aus der Küchentür. Ihre Miene war eine steinerne Maske. Chris konnte nicht anders. Er funkelte seinen ehemaligen Chef böse an. Das sah der jedoch gar nicht, weil er sich freudestrahlend einigen Gästen zuwandte, die er offenbar gut kannte.
Nadeya sagte kein Wort mehr, während sie Gläser füllte und Gästen ihre Getränke reichte. Die Komplimente, die sie hin und wieder für ihre unglaubliche Stimme bekam, quittierte sie mit einem unverbindlichen Lächeln.
Irgendwann kündigte Kian das letzte Lied an, musste noch eine Zugabe geben und sprang schließlich von der Bühne.
»Endlich nach Hause«, sagte Khyra und stöhnte erleichtert. Sie sah wirklich fertig aus. Ihre Augen waren schon ganz trüb und das, obwohl sie bereits das vierte Glas Cola trank.
»Geht‘s oder muss Kian dich tragen?«
Chris grinste und sie musste lachen.
»Ich werd es grad noch so schaffen«, beteuerte sie.
»Was ist mit deiner Schwester?«
Verwirrt blickte sie auf.
»Willst du nicht auf sie warten?«
»Nein, wieso? Sie arbeitet, bis der Pub dichtmacht.«
Chris blickte sie nur einen Augenblick an, bevor er sich seiner Cola zuwandte. Wahrscheinlich ging sie Abend für Abend allein nach Hause. Die Vorstellung gefiel ihm überhaupt nicht, bei den ganzen Kleinkriminellen, die heutzutage draußen herumliefen. Doch was sollte er tun? Er konnte sie schlecht jeden Abend hier abholen. Und auch heute würde er mit Kian und Khyra nach Hause gehen müssen. Zu auffällig wäre es, wenn er auf sie warten würde. Damit würde er nur zu viel von sich preisgeben.
»Du schläfst ja schon im Sitzen ein«, sagte Kian, der über das ganze Gesicht strahlend auf sie zu trat. Ein wenig verlegen stand er vor seiner Freundin und streckte die Hände nach ihr aus. Sie ergriff sie und ließ sich von dem Barhocker ziehen.
»Du warst klasse«, sagte sie leise, das Gesicht dicht vor dem seinen. Chris wandte sich ab. Es gab Dinge, die wollte man als Bruder einfach nicht sehen.
Die beiden küssten sich, das musste er wohl oder übel aus dem Augenwinkel beobachten.
»Können wir nach Hause gehen? Ich penn gleich ein«, sagte sie und umarmte ihren Freund.
»Klar. Ich sag nur eben Joe auf Wiedersehen.«
Er ließ sie kurz los, trat an die Theke und winkte Joe zu. Der kam zu ihnen hinüber.
»Kian. Du warst wirklich klasse heute Abend. Aber solche Showeinlagen musst du vorher mit mir absprechen.«
Er grinste entschuldigend.
»Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor.«
»Alles klar. Bis nächste Woche.«
Khyra winkte ihrer Schwester kurz zu, doch die war von irgendwelchen Gästen abgelenkt.
Zu dritt verließen sie den Pub und folgten der dunklen Straße. Nach der Lautstärke im Underground war die Stille draußen fast drückend. Aber Chris hatte das Bedürfnis, allein zu sein. Nein, eigentlich wollte er nur nicht mit diesem frisch verliebten Paar herumlaufen. Er wollte... Innerlich seufzte er. Es war nicht zu leugnen. Er wollte Zeit mit Nadeya verbringen...