Читать книгу Unequally Love - Sara Wagener - Страница 5
Kapitel 2 - Kian
Оглавление»Chris, nun mach schon. Ich muss auch noch da rein«, rief Kian durch die geschlossene Badezimmertür. Er klopfte ungeduldig gegen das helle Holz und stütze sich mit der anderen Hand am Türrahmen ab. Der Schlüssel wurde herumgedreht und sein Bruder stand in karierten Boxershorts und mit der Zahnbürste im Mund vor ihm. Sein fragender Blick glitt über Kians Sportkleidung.
»Iff dafte du bift fon weg«, sagte er durch den Schaum, der aus seinen Mundwinkeln quoll.
»Von wegen«, gab Kian zurück und drängte sich an dem Älteren vorbei ins Badezimmer. Ein Kribbeln schoss ihm durch sämtliche Gliedmaßen, als er an den Grund dachte, weshalb er noch nicht weg war. Diese Lippen...
Chris spuckte ins Waschbecken und spülte sich den Mund aus.
»Bist du nicht ein bisschen arg spät dran?«, fragte er, während er sich das Gesicht abtrocknete.
»Ach wirklich? Wäre mir gar nicht aufgefallen, wenn du es nicht erwähnt hättest.«
Kian drehte den Duschhahn auf und zog sich das verschwitzte T-Shirt über den Kopf.
Er war gerade im Begriff gewesen, umzukehren, als er sie hatte stürzen sehen. Und dann war er losgerannt, hatte das Handy aus der Tasche gezogen und den Notruf gewählt. Dass er gleich arbeiten musste, war in den Hintergrund gerückt. Was spielte das schon für eine Rolle?
»Was ist denn bei dir verkehrt?«, wollte Chris wissen und fasste seine langen blonden Locken mit einem Gummiband zusammen. Kian warf ihm die nicht minder verschwitzte Jogginghose an den Kopf.
»Nichts ist bei mir verkehrt. Ich hab‘s einfach eilig.«
Er hielt die Hand prüfend unter den Wasserstrahl, während sein Bruder nach dem Rasierer griff und so etwas wie »Teenager« murmelte. Kian war schon lange kein Teenager mehr und nur zu dieser Zeit hätte ihn der Spruch seines Bruders geärgert.
»Kannst du nicht raus gehen? Du hast doch noch genug Zeit.«
Dennoch stieg Kian unter den angenehmen Strahl der Dusche und gönnte sich einen winzigen Augenblick der Ruhe. Er schloss die Augen und spürte das heiße Wasser an seinem Körper abperlen. Es tat unheimlich gut.
»Von wegen, Mister Ich-habs-eilig. Ich habe ein Date mit der Werkstatt.«
»Und dafür rasierst du dich seit Wochen mal?«, fragte Kian und griff nach dem Duschgel. Er quetschte ein wenig zu viel aus der Tube und seifte sich hastig ein.
»Ne, aber da arbeitet eine Neue.«
»In der Werkstatt arbeitet eine Frau? Sicher, dass die nicht lesbisch ist?«
Kian grinste, griff nach dem Shampoo und drückte sich das glitschige Zeug direkt aus der Tube auf den Kopf. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er vergessen hatte, seinen Pferdeschwanz zu lösen. Er griff nach dem widerspenstigen Haargummi und warf es auf die Ablage neben die Shampooflasche, bevor er seine Haare einschäumte.
»Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Könnte sein... Und wenn schon. Ich will sie ja schließlich nicht aufreißen. Nur einen guten Eindruck machen, damit‘s nicht so teuer wird. Und sie sollen die Arbeit ja auch vernünftig machen. Mein Guter darf nur in die besten Hände.«
Kian schnaubte und stellte sich unter den Wasserstrahl. »Mein Guter«, war ein alter T1, den Chris seit etwa einem halben Jahr restaurierte. Der hatte ihn schon viel Geld und Mühen gekostet, doch das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Manchmal glaubte Kian, dass sein Bruder überhaupt kein Interesse mehr an Frauen hatte, seit er sich diesen lang gehegten Traum erfüllt hatte. Aber das war natürlich Blödsinn. Chris war einfach wählerisch und hätte sicher nicht einfach ein fremdes Mädchen geküsst, das sich wohl ohnehin eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Oh man, was hatte ihn in diesem Augenblick nur geritten?
»Sag mal hörst du mir eigentlich zu?«
»Was?« Kian drehte das Wasser ab und tat, als hätte er seinen Bruder deshalb nicht verstanden, obwohl das vorher auch kein Problem gewesen war. Chris warf ihm ein Handtuch zu und verdrehte die Augen.
»Ich habe gefragt, was dich aufgehalten hat.«
Kian presste kurz die Lippen aufeinander, doch das konnte der Ältere nicht sehen, weil der ihm den Rücken zugekehrt hatte.
»Ein Unfall«, antwortete er, während er sich abtrocknete. Chris drehte sich kurz zu ihm herum.
»Was ist passiert?«
»Ein Mädchen. Sie ist hingefallen, beim Inlineskaten und hat sich den Kopf angeschlagen. Ich habe gewartet, bis der Krankenwagen kam«, erklärte Kian ausweichend.
»Oh und ist sie okay?« Chris wusch den Rasierer unter dem Wasserhahn ab und legte ihn zurück auf die Ablage.
»Ja, ich denke schon«, gab Kian zurück, schlang sich das Handtuch um die Hüften und verließ ohne ein weiteres Wort das Bad. Er durchquerte barfuß den kleinen Flur und ließ die Tür zu seinem Schlafzimmer offen stehen. Rasch schlüpfte er in Boxershorts, ein weißes T-Shirt mit irgendeinem nichtssagenden Aufdruck und schlichte Bluejeans.
So kehrte er ins Bad zurück, wo Chris noch immer vor dem Spiegel stand. Er fasste gerade die vordere Haarpartie seiner schulterlangen, blonden Locken zusammen und flocht sie am Hinterkopf.
»Ich habe sie geküsst«, sagte Kian und schaltete im nächsten Augenblick den Föhn ein. Er konnte sich das Grinsen kaum verkneifen, als sein Bruder ihm gegen die Schulter boxte.
»Ist das dein Ernst?«, rief er gegen das laute Dröhnen an. Kian nickte und biss sich auf die Unterlippe. Allein der Gedanke an diese unglaublich blauen Augen ließ seinen ganzen Körper erneut kribbeln. Khyra... Wie sie ihn angesehen hatte... Als wüsste sie genau, was er im Begriff war, zu tun. Dabei hatte er es nicht einmal selbst gewusst.
Chris zog den Stecker und der Krach erstarb. Kian blickte seinen Bruder an, der ihn ungläubig musterte.
»Du hast sie geküsst? So richtig?«
Kian nickte.
»So richtig...«, gestand er und schloss für eine Sekunde die Augen, während er sich an das Gefühl ihrer Lippen auf seinen erinnerte.
»Hat sie dir wenigstens eine verpasst? Hast du vorher überhaupt nachgedacht?«
»Ehrlich gesagt nein«, gab Kian ein wenig zerknirscht zurück.
»Oh man, du bist echt irre«, sagte Chris, lachte kopfschüttelnd und wollte den Stecker schon wieder in die Dose befördern, als er sich noch einmal zu seinem Bruder umwandte.
»War‘s gut?«
Kian grinste.
»Sehr gut.«
Mit lautem Knall zerschellte der Stapel Teller am Boden und Kian stieß einen unschönen Fluch aus.
»Sorry, Kian. Tut mir so leid.«
Payla hatte sich die Hände vor den Mund geschlagen. Wie erfroren stand sie mit ihren High Heels im Türrahmen zur Küche. In Kian kochte die Wut. Das war so typisch. Er gab keinen Laut von sich, während er sich zwischen die Scherben kniete, einen Mülleimer heranzog und den Unrat beseitigte, bevor...
»Was ist denn hier los?«
Kian schloss für einen Augenblick genervt die Augen, bevor er den Kopf hob und Connors Blick begegnete.
»Kian hat die Teller fallen gelassen«, sagte Payla zuckersüß und nahm den Arm ihres Liebsten. Galle stieg ihm in der Kehle auf, während er sich wieder dem Chaos zuwandte.
»Willst du mir alle Gäste vergraulen?«, fragte Connor wütend.
»Welche Gäste?«, murmelte Kian, doch nicht laut genug, damit sein Chef ihn hörte.
»Tut mir leid. Payla hat mir die Tür vor den Kopf geschlagen.«
»Willst du ihr jetzt die Schuld geben?«, fuhr Connor ihn an.
»Natürlich nicht. Ich passe beim nächsten Mal besser auf.« Seine Stimme triefte vor Sarkasmus, während er sich aufrichtete, um Handfeger und Kehrblech zu holen.
»Kian, ich warne dich. Das ist schon das zweite Mal, dass du Geschirr zertrümmerst. Beim nächsten Mal ziehe ich dir das vom Gehalt ab.«
Kian verdrehte die Augen. Dann konnte er auch gleich kündigen. Vielleicht wurde das ohnehin langsam Zeit. Er arbeitete jetzt seit über zwei Jahren im Pub und hatte die Nase gestrichen voll. Vor allem seit Payla hier aufgetaucht war. Sie war schlappe 13 Jahre jünger als Connor und kaum den Windeln entschlüpft.
Aber er wollte sich nichts vormachen. Er brauchte diesen Job. Anders konnte er sich die Miete nicht leisten und mit seinen Songs hatte Kian noch keinen Cent verdient. Der Job in Connors Pub war zwar nicht gerade gut bezahlt und machte ihm keinen Spaß, doch irgendwie musste er sich ja über Wasser halten. Sein Cousin hatte ihm damals einen Gefallen tun wollen und ihn eingestellt, doch Kian fragte sich manchmal, ob er ihm damit wirklich geholfen hatte. Vielleicht hätte er längst einen anderen Job gehabt, der ihm mehr brachte, als die Bestellungen von unfreundlichen Touristen entgegen zu nehmen.
Kian beeilte sich, die restlichen Scherben zu beseitigen und ging dann in die Küche zurück.
»Alles okay mit dir?«, fragte Jayden, der an dem großen Herd stand und klein geschnittene Pilze in die Suppe gab.
»Verfluchte Göre«, murmelte Kian. Jayden grinste.
»Payla oder Connor?«
Kian musste lachen.
»Beide, glaub ich«, antwortete er und machte sich daran, das schmutzige Geschirr - das, was nicht zerdeppert war - in die Industriespülmaschine zu räumen.