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Kazumasa öffnete die Packung Hundefutter, die er auf dem Nachhauseweg im Baumarkt gekauft hatte, gab den Inhalt in eine leere Schüssel und stellte sie Tamon vor die Füße. Der Hund fing sofort an, sich geräuschvoll darüber herzumachen.

»Du musst wirklich ausgehungert sein, so mager, wie du bist.«

Kazumasa nahm im Schneidersitz auf dem Boden seines mit Tatamimatten ausgelegten Zimmers Platz, zündete sich eine Zigarette an und beobachtete Tamon beim Fressen. Nach dem Treffen mit Numaguchi hatte er den Hund an jeder roten Ampel gekrault. Dabei war ihm erst richtig aufgefallen, wie dünn er war. Tamons Rippen traten unter dem Fell hervor, und an einigen Stellen hatte Kazumasa Schorf ertastet.

»Wo kommst du nur her?«

Tamon hatte seine Mahlzeit beendet, schleckte sich über den Mund und legte sich auf die Tatamimatten.

»Komm her.«

Auf Kazumasas Zeichen hin kam Tamon auf ihn zu. Er ließ sich an Kopf und Hals kraulen und verengte dabei genüsslich die Augen.

Kazumasa hatte noch nie einen Hund gehalten und sich bis jetzt auch keinen gewünscht, aber nun fand er immer mehr Gefallen daran.

Sein Handy klingelte. Es war seine ältere Schwester Mayumi.

»Was gibt’s?«, fragte Kazumasa.

»Nichts Besonderes. Ich wollte nur fragen, wie es dir geht.«

An Mayumis Stimmlage erkannte Kazumasa sofort, dass sie nicht die Wahrheit sagte. Bestimmt war seine Schwester wieder restlos erschöpft von der Pflege ihrer beider Mutter und hatte angerufen, um ihrem Ärger Luft zu machen. Beim Klang von Kazumasas Stimme hatte sie es sich wohl spontan anders überlegt.

»Ist was mit Mama?«, fragte Kazumasa.

»Nein, nur das Übliche …«

Mayumis Antwort klang wie ein kraftloser Seufzer.

Im vergangenen Frühling waren bei der Mutter erste Anzeichen frühzeitiger Demenz festgestellt worden. Anfangs waren die Symptome schwach gewesen, doch ihr Zustand hatte sich rapide verschlechtert, als sie nach dem Erdbeben für eine Weile in einer Notunterkunft hatte wohnen müssen. Ihr bekanntes Umfeld zu verlassen und plötzlich mit lauter fremden Menschen unter einem Dach leben zu müssen, hatte sie stark belastet.

Zwei Monate nach der Katastrophe hatte Mayumi daher ihre Anstellung in der Innenstadt Sendais aufgegeben, hatte das Elternhaus wieder bewohnbar gemacht und war mit ihrer Mutter dorthin zurückgezogen. Seitdem wirkte sie jedes Mal, wenn Kazumasa sie traf, ausgezehrter.

Mayumi war gerade mal dreißig, aber in manchen Momenten sah ihr Gesicht wie das einer alten Frau aus.

»Tut mir leid, dass das alles an dir hängenbleibt, Mayumi. Wenigstens finanziell würde ich dich gern unterstützen.«

»Du kannst doch auch nichts für diese Situation.«

»Aber …«, setzte Kazumasa an, doch er führte den Satz nicht zu Ende.

»Übrigens habe ich einen streunenden Hund mitgenommen«, fügte er hinzu, um das Thema zu wechseln.

»Einen Hund?«

»Er wurde wahrscheinlich beim Erdbeben von seinem Besitzer getrennt. Er ist schlau und ruhig, also habe ich entschieden, ihn zu behalten. Bei meinem nächsten Besuch bringe ich ihn mit. Hunde werden in der Therapie und Altenpflege eingesetzt, habe ich mal gehört. Sogar auf Menschen mit Alzheimer sollen sie eine beruhigende Wirkung haben.«

»Das habe ich auch gehört«, meinte Mayumi. »Mama würde sich bestimmt freuen. Sie wollte immer einen Hund haben.«

»Wirklich? Mama wollte einen Hund?«, fragte Kazumasa.

»Als Kind hatten sie einen in ihrer Familie, aber unser Vater war strikt gegen Haustiere.«

»Das wusste ich gar nicht.«

»Du warst damals auch noch nicht geboren. Mutter hat mir später erzählt, dass sie sehr traurig war, als unser Vater ihr den Wunsch abgeschlagen hat. Aber kurz darauf hat sie erfahren, dass sie mit dir schwanger ist, und die Freude darüber hat sie die Sache mit dem Hund vergessen lassen.«

»Das ist mir alles neu«, meinte Kazumasa.

»Wie heißt denn dein Hund?«, fragte Mayumi.

»Tamon.«

Seit sie über Hunde sprachen, klang Mayumi viel fröhlicher, was wiederum Kazumasa freute.

»Tamon? Was ist das denn für ein Name?«

»Er stand auf seinem Halsband. ›Tamon‹ wie die buddhistische Gottheit ›Tamonten‹. Die Schriftzeichen sind dieselben.«

»Wie auch immer. Komm auf jeden Fall bald mit ihm vorbei. Vielleicht zaubert er Mama ein Lächeln auf die Lippen. Ich habe sie schon seit Monaten nicht mehr lächeln gesehen.«

»Ich bringe ihn ganz bald mit«, versprach Kazumasa.

»Es tut mir gut, mit dir zu reden. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich dich habe«, sagte Mayumi.

Danach verabschiedete sie sich.

Tamon hatte während des Gesprächs seinen Kopf auf Kazumasas Schoß gelegt und war eingeschlafen. Sein friedliches Gesicht und seine gleichmäßige Atmung schienen Kazumasa zu zeigen, dass er ihm vertraute.

Behutsam, um Tamon nicht zu wecken, legte Kazumasa eine Hand auf den Rücken des Hundes. Er spürte seine Wärme.

In Kazumasas Brust breitete sich ein wohliges Gefühl aus.

Tamons Geschichte

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