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»Warst du etwa schon wieder beim Pachinko

Mayumi starrte das Geld, das Kazumasa ihr in die Hand gedrückt hatte, mit großen Augen an.

»Anfängerglück.«

»Ich habe doch gesagt, du sollst deine Finger davon lassen.«

»Ich höre auch auf. Langsam ist mein Glück sowieso aufgebraucht.«

Die beiden verließen die Bäckerei und gingen zurück zum Auto. Auf Kazumasas Vorschlag hin war die ganze Familie zu einem Ausflug in die Bergregion Zaō aufgebrochen.

Da ihre Mutter während der Fahrt Hunger bekommen hatte, hatten sie bei einer Bäckerei gehalten und Brötchen und Sandwichs gekauft.

»In letzter Zeit besuchst du uns täglich mit Tamon und ein neues Auto hast du auch. Sag mal, was machst du eigentlich den ganzen Tag? Zu arbeiten scheinst du ja nicht.«

Kazumasas Brust zog sich unter Mayumis kritischem Blick zusammen.

»Ich mache eine Pause von der Arbeit, weil ich so oft beim Pachinko gewinne.«

Es hatte ein Scherz sein sollen, doch Mayumi fand ihn offensichtlich nicht lustig. »Ich hoffe stark, dass du nicht in zwielichtige Geschäfte verwickelt bist.«

»Wie meinst du das?«

»Mir ist zu Ohren gekommen, dass du für Numaguchi arbeitest. Stimmt das?«

»Numaguchi? Meinst du diesen Kleinkriminellen aus unserer Schulzeit? Nie im Leben!«, wehrte Kazumasa empört ab.

Mayumi hatte schon immer eine gute Intuition gehabt.

»Kazumasa.«

Kazumasa blieb stehen, da Mayumi ihn am Arm festhielt. Wenn sie seinen Namen in diesem Tonfall sagte, konnte er sich auf eine Predigt gefasst machen.

»Du bist meine einzige Stütze. Ist dir das klar? Was, glaubst du, wird aus Mama und mir, wenn du dich nicht zusammenreißt?«

»Das weiß ich doch«, antwortete Kazumasa mürrisch.

»Einfach verdientes Geld hat immer einen Haken. Im Moment werden händeringend Leute für den Wiederaufbau gesucht. Wenn du dich nicht vor körperlicher Arbeit scheuen würdest, gäbe es mehr als genug zu tun für dich.«

»Ja, ja. Jetzt sei nicht so streitsüchtig. Wir machen endlich mal wieder zusammen einen Ausflug.«

Kazumasa befreite sich aus Mayumis Griff und ging schnell zum Auto. Auf dem Rücksitz sah er seine Mutter fröhlich lachen. Sie redete auf Tamon ein, der in seinem Käfig im Kofferraum saß.

Kazumasa wusste, dass Mayumi recht hatte, wollte jetzt aber nicht mit einem Streit die Stimmung verderben.

»Ich suche mir eine anständige Arbeit«, sagte Kazumasa zu Mayumi, bevor er in den Wagen stieg.

Schon bald würden Miguel und seine Leute Sendai verlassen. Dann wäre dieser lukrative Job vorbei, und Kazumasa müsste wieder richtig arbeiten. Bislang hatte er körperliche Arbeiten gescheut, aber diesen Luxus konnte er sich nicht mehr leisten. Er musste es vermeiden, sich zu lange von Numaguchi abhängig zu machen.

»Wir haben dir ein Schinkensandwich mitgebracht«, sagte Kazumasa und reichte seiner Mutter ihre Leibspeise.

»Danke, Kazulein«, antwortete sie.

Kazumasa war gerührt. Seit seiner Zeit in der Mittelschule hatte seine Mutter ihn nicht mehr »Kazulein« genannt. Ihre Erinnerungen waren zwar konfus, aber immerhin erkannte sie ihn.

»Kaito sagt, er will Gassi gehen«, meinte seine Mutter.

»Wir erreichen bald einen großen Park, da gehen wir spazieren«, antwortete Kazumasa.

»Na gut.«

Als Mayumi auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, ließ Kazumasa den Motor an.

»Ich liebe Kaito«, sagte seine Mutter und biss von ihrem Sandwich ab.

»Wir alle lieben Kaito«, meinte Kazumasa, während er den Rückwärtsgang einlegte.

»Und Kaito sagt, er liebt uns auch«, fügte Mayumi hinzu.

Ihre Mutter sah glücklich aus.

***

Zehn Tage nach dem zweiten Coup kam der nächste Anruf von Numaguchi. Wieder sollte Kazumasa die Gruppe abholen, an einem bestimmten Ort absetzen und nach getaner Arbeit zurückfahren. Ein einfacher Job. Mittlerweile kam es Kazumasa unwahrscheinlich vor, dass die Polizei sie verfolgen würde. Miguel und seine Kollegen waren Profis.

»Das ist bestimmt ihr letzter Coup in Sendai«, meinte Numaguchi. »Wie wär’s? Hast du Lust, ähnliche Dinger zu drehen, wenn die Kerle wieder weg sind?«

»Nein, das ist das letzte Mal. Meine Mutter und Schwester machen sich schon Sorgen. Ich will mir eine anständige Arbeit suchen.«

»Alles klar. Ich zwinge dich zu nichts. Dann zähle ich dieses letzte Mal auf dich.« Numaguchi lachte und legte auf.

Die Hälfte seines bisherigen Lohns hatte Kazumasa Mayumi gegeben, den Rest hatte er nicht angerührt. Dieser Job würde ihm weitere zweihunderttausend Yen einbringen. Mit insgesamt vierhunderttausend könnte er für eine Weile über die Runden kommen. Er hätte Zeit, sich eine rechtschaffene Arbeit zu suchen.

»Gehen wir«, sagte Kazumasa zu Tamon.

Tamon lag in der Nähe der Haustür auf dem Boden. Er reagierte auf Kazumasas Stimme, stand auf und streckte sich.

Es schien, als hätte er genau gewusst, dass sie heute Nacht noch einmal das Haus verlassen würden. Vielleicht hatte er Kazumasas veränderte Stimmung wahrgenommen. Tamon war gut darin, die Gefühle von Menschen zu lesen.

Als Kazumasa die Tür zum Kofferraum öffnete, sprang Tamon von allein hinein. Er setzte sich in den Käfig und wartete darauf, dass Kazumasa die Gittertür schloss.

»Beschütz uns heute ein letztes Mal.«

Kazumasa legte wie zum Gebet die Hände aneinander. Tamon gähnte.

Der Oktober stand kurz bevor, und es wurde täglich kälter. Heute konnte Kazumasa seinen Atem in weißen Wölkchen aufsteigen sehen.

Er setzte sich hinter das Lenkrad, startete den Wagen und zündete sich eine Zigarette an. Damit Tamon nicht den Rauch einatmen musste, öffnete er das Fenster. Sofort wurde es eiskalt. Kazumasa hielt die Kälte nicht lange aus, löschte seine Zigarette und schloss das Fenster wieder.

»Ich nehme beim Rauchen zum ersten Mal Rücksicht auf andere«, sagte er zu Tamon.

Der blickte schon wieder nach Süden.

Am selben Ort wie die Male zuvor sammelte Kazumasa die Männer ein. Miguel setzte sich auf den Rücksitz. Er begrüßte Tamon und lächelte.

»Nach Kokubunchō«, sagte Miguel.

»Wieder Kokubunchō?«, fragte Kazumasa.

Genau dort hatte ihr erster Einbruch stattgefunden. Es ging gegen jede Vernunft, zweimal am selben Ort zuzuschlagen.

»Die Polizei glaubt nicht, dass wir wieder in der Gegend unterwegs sind. Das nutzen wir aus.«

Kazumasa nickte und fuhr in Richtung Kokubunchō. Die drei sind Profis und wissen, was sie tun, sagte er sich. Einem Amateur wie mir steht es nicht zu, sie zu hinterfragen.

»Heute ist unsere letzte Nacht in Sendai«, sagte Miguel. »Also frage ich Sie ein letztes Mal: Würden Sie mir Ihren Schutzgott nicht doch überlassen?«

»Nein.«

Kazumasa schüttelte den Kopf.

»Okay, okay.«

Miguel lachte und sprach das Thema nicht mehr an.

Am Rande des Vergnügungsviertels setzte Kazumasa die drei Männer ab, bevor er wie immer ziellos durch die Straßen fuhr. Wie Miguel vorausgesagt hatte, waren weit und breit keine Polizeiautos zu sehen. Seit dem ersten Einbruch waren drei Wochen vergangen. Vielleicht hatte die Polizei ihre Ermittlungen hier bereits beendet.

Nach einer halben Stunde kehrte Kazumasa zu ihrem Treffpunkt zurück. Sofort tauchten Miguel, José und Ricky auf und stiegen in den Wagen. Ihnen war keine Nervosität anzumerken.

»Vielen Dank für Ihre Hilfe, Herr Kimura. Sendai ist eine schöne Stadt. Ich würde gern wiederkommen«, sagte Miguel.

»Wo geht es als Nächstes für Sie hin?«, fragte Kazumasa.

Er sah im Rückspiegel, dass Miguel vielsagend lächelte. »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«

»Ja, natürlich. Dumme Frage.«

Kazumasa verstummte und konzentrierte sich aufs Fahren. Die drei Männer unterhielten sich noch angeregter als die Male zuvor. Sie waren in Hochstimmung, weil sie ihren letzten Job in Sendai erledigt hatten.

Als das Wohngebäude in Sicht kam, drosselte Kazumasa die Geschwindigkeit.

»Hm?«

Kazumasa sah im Rückspiegel, dass sich Tamon seltsam verhielt. Er blickte in Richtung des Wohngebäudes.

Dabei schaut er sonst immer nach Süden, wunderte sich Kazumasa. Was war los?

Mit einem unguten Gefühl bremste er ab. Kurz bevor der Wagen zum Stehen kam, fing Tamon zu knurren an.

»Was hast du, Tamon?«

Kazumasa zog die Handbremse an und drehte sich um. So hatte er den Hund noch nie erlebt.

José und Ricky waren gerade dabei auszusteigen, als Miguel ihnen plötzlich etwas zuschrie. Etwa zehn Meter vor dem Auto kamen aus einer Seitengasse drei Männer mit Metallstangen und Schlägern in den Händen auf sie zugestürmt. Hinter dem Auto tauchten weitere drei Männer auf.

»Losfahren!«, schrie Miguel.

Kazumasa löste die Handbremse und griff nach dem Schalthebel. José warf sich zurück ins Auto, doch Ricky, der auf dem Beifahrersitz gesessen hatte, war wie in Schockstarre. Er stand mit einem Bein auf der Straße und machte keine Anstalten, sich zu bewegen.

»Fahr los!«, rief Miguel erneut.

»Aber Ricky …«

»Fahr, wenn du nicht sterben willst!«

Als er das hörte, trat Kazumasa reflexartig aufs Gaspedal. Ricky fiel auf die Straße. Die Angreifer brüllten etwas.

»Gib Gas!«, rief Miguel.

»Aber …«

Einer der Männer stand vor seinem Auto und versperrte ihnen den Weg. Kazumasa riss das Lenkrad herum. Die Reifen quietschten, als er in einem rasanten Slalom dicht an dem Mann vorbeifuhr.

Kazumasa sah, dass er auf eine Wand zuraste. Plötzlich kam vor ihm ein Toyota HiAce aus einer Seitenstraße geprescht. Kazumasa trat mit voller Kraft auf die Bremse. Die Wand kam näher, er würde nicht stoppen können. Kazumasa zog den Kopf ein. Er hörte noch Tamon bellen, als er den Aufprall spürte und wenige Sekunden später in Dunkelheit versank.

***

Heftiger Schmerz durchzuckte Kazumasas Körper. Er stöhnte laut. Ihm taten Kopf, Hals und Rippen weh. Das Innere seines Wagens war voller Rauch. Er hustete und zitterte vor Schmerzen.

Langsam kamen die Erinnerungen zurück. Er war frontal in die Seite des Toyota gerauscht.

»Tamon.«

Sein schwacher Ruf blieb unbeantwortet. Kazumasa ignorierte den Schmerz und löste seinen Sitzgurt. Er versuchte, die Tür zu öffnen, aber sie blieb verschlossen. Wahrscheinlich hatte sie sich bei dem Aufprall verformt.

»Geh auf, bitte! Mir ist egal, was mit mir passiert, aber ich muss Tamon retten.«

Als er sich mit der Schulter gegen die Tür warf, öffnete sie sich endlich. Kazumasa fiel auf die Straße. Er wollte aufstehen, konnte seinen Unterkörper aber nicht bewegen. Schweiß tropfte ihm von der Stirn in die Augen. Er wischte ihn mit der Hand ab und erschauderte, als er merkte, dass es gar kein Schweiß war. Es war Blut.

Ihm war kalt, so kalt, dass er meinte, er müsste erfrieren. Er zitterte am ganzen Körper. Seine Zähne klapperten.

Kazumasa hörte ein Stöhnen. Er versuchte sich umzuschauen, und suchte nach der Stimme.

In einiger Entfernung sah er Männer auf dem Boden liegen. Es waren die Angreifer. Ihre Metallstangen lagen verstreut auf dem Asphalt.

Wo war Tamon? Wo war Miguel?

Kazumasa drehte den Kopf.

Er entdeckte Miguel. José und Ricky waren nirgends zu sehen.

Miguel stand unter einer Straßenlaterne. Er war voller Blut und hielt ein Messer in seiner rechten und eine Schnur in seiner linken Hand.

Eine Schnur?

Nein. Das war eine Leine. Tamons Leine. Kazumasa ließ seinen Blick daran hinunterwandern. Tamon. Da stand er. An Miguels Seite.

»Tamon!«

Es hatte ein lauter Ausruf sein sollen, doch Kazumasas Stimme klang schwach. Trotzdem spitzte Tamon die Ohren und drehte sich zu ihm um.

»Tamon. Tamon …«

Tamon kam auf ihn zugestürmt, doch die Leine spannte sich und zog ihn zurück zu Miguel.

»Warte! Tamon!«

Kazumasa streckte seine Hand nach Tamon aus, doch Miguel nahm den Hund auf den Arm und rannte los.

»Tamon …«

Das Zittern wollte nicht aufhören. Die Schmerzen wurden immer schlimmer.

Wo willst du mit Tamon hin, Miguel? Was wird aus meiner Mutter und meiner Schwester?

Miguel und Tamon verschwanden aus Kazumasas Sichtfeld.

»Mama, Mayumi, verzeiht mir«, flüsterte Kazumasa und schloss die Augen.

Tamons Geschichte

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