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4. Der offizielle und staatliche Islam

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Es gibt keine klare Trennung zwischen dem offiziellen und staatlichen Islam (d), dem populären und kulturellen Islam (e) und den beiden Formen des radikalen Islam (f und g). Doch kann eine Differenzierung aufgrund der verschiedenen Grade der Übereinstimmung zwischen den staatlichen Verfassungen und der Scharia gerechtfertigt erscheinen.

Der offizielle und staatliche Islam ist der von Institutionen wie der Al-Azhar-Universität in Kairo propagierte. Diese Universität wurde ursprünglich (Ende des 10. Jh.) von fatimidischen Schiiten gegründet und hat sich im Laufe der Jahrhunderte zur Hochburg der Ausbildung von sunnitischen Muslimen entwickelt. Die Al-Azhar-Universität ist geprägt durch die theologische Strömung der Aschʿarīya* und offen für verschiedene Formen des Sufismus. Sie hat Position bezogen gegen den Salafismus* und für eine gewisse Anerkennung der Schia*.

In den mehrheitlich muslimischen Ländern sind überall Ausbildungsstätten für Imame entstanden, die den dortigen Anforderungen entsprechen. So wurde in Marokko ein neues Ausbildungszentrum eröffnet: das „Institut Mohammed VI de formation des imams prédicateurs et des prédicatrices“ (Institut Mohammed VI. zur Ausbildung von Imamen, Predigern und Predigerinnen), dessen Ziele u. a. der Kampf gegen den Wahhabismus* der Imame ist, die in Saudi-Arabien ausgebildet werden. Dieses Institut versucht also einen Islam der „goldenen Mitte“ und der „Mäßigung“ zu fördern.

Der türkische Staat sorgt für die Ausbildung und Finanzierung von Tausenden von Imamen sowie für deren Entsendung in die türkischen Gemeinschaften überall auf der Welt.

Die freie Meinungsäußerung dieser Imame ist in der Regel stark eingeschränkt. Als Sprachrohr der offiziellen und traditionellen Grundsätze des Staates, der sie ausgebildet hat, neigen sie dazu, das Gelernte einfach zu wiederholen und zeigen praktisch kein Interesse an einem „liberalen“ Islam, der mit den im Westen entwickelten grundlegenden Menschenrechten voll und ganz vereinbar wäre. Die meisten Länder der arabischen Welt (mit Ausnahme des Libanon) und einige andere darüber hinaus (Iran, Afghanistan, Pakistan, Indonesien etc.) nehmen in ihrer Verfassung auf den Islam Bezug. Während verschiedene Länder, wie die im Maghreb, den Islam lediglich als ihre Staatsreligion anführen, berufen sich andere im Mittleren Osten ausdrücklich auf die Scharia* als Quelle oder eine der Quellen ihrer Rechtsprechung.

Innerhalb der islamischen Bevölkerung bedeutet das die Entstehung eines Klimas der Gewalt, insbesondere für die Muslime, die eine Wiedereinführung – durch den Staat, Parteien oder radikale Gruppen – von Scharia-konformen Strafen (wie Steinigungen, Auspeitschungen und Amputationen) hinnehmen müssen.

In den Ländern, in denen „Staatsbürgerschaft“ mit „muslimischer Religion“ gleichgesetzt wird, erzeugt das natürlich auch echte Gewalt gegen Nicht-Muslime. Tatsächlich werden dort Nicht-Muslime als Menschen zweiter Klasse behandelt. Und der Zugang zu Regierungsposten ist ihnen in der Regel verwehrt.

Die Verbreitung des „offiziellen“ Islam findet jedoch nicht nur innerhalb der Staaten statt. Sie wird weltweit von staatenübergreifenden Organisationen vorangetrieben, wie beispielsweise der Organisation für islamische Zusammenarbeit (OCI). Hier eine Darstellung, wie sich die OCI selbst präsentiert:

„Die Organisation für islamische Zusammenarbeit (OCI) (früher: Organisation der islamischen Konferenz) ist die zweitgrößte zwischenstaatliche internationale Organisation nach den Vereinten Nationen (UNO) mit derzeit 57 Mitgliedsstaaten, die über vier Kontinente verteilt sind. Die Organisation ist das Sprachrohr der islamischen Welt. Sie garantiert die Wahrung und den Schutz ihrer Interessen im Geiste der Förderung des internationalen Friedens und der Harmonie zwischen den verschiedenen Völkern der Erde. Die Gründung der Organisation wurde am 25. September 1969 bei dem historischen Treffen in Rabat (Marokko) im Anschluss an den kriminellen Brandanschlag auf die al-Aqsa-Moschee im besetzten Jerusalem beschlossen.“13

Die OCI-Staaten repräsentieren zusammen mehr als 1,3 Milliarden Einwohner. Ziel der OCI ist es, ihren Sitz in Jerusalem zu etablieren und zur Errichtung eines neuen Kalifats beizutragen. Da es interne Spannungen gibt und die OCI angibt, eine Quelle des „Friedens“ sein zu wollen, muss sie die divergierenden Positionen ihrer Mitglieder gegenüber den verschiedenen Formen des radikalen Islam in den Griff bekommen. Was diese Staaten eint, ist ihr gemeinsamer Kampf gegen den politischen Zionismus*.

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