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3|1 Ihr Bauchgefühl oder: Wie Sie einen persönlichen Zugang zu Kunst finden

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Sie sind gefragt: Welche Haltung würden Sie beim Betrachten eines Bildes vorziehen?

1. Vor ein Bild hat jeder sich hinzustellen wie vor einen Fürsten, abwartend, ob und was es zu ihm sprechen werde.21

2. [Die Bilder] beunruhigen den Betrachter; er fühlt: zu ihnen muss er einen bestimmten Weg suchen.22

3. Sie sind der Empfänger einer Bild-Botschaft. Fühlen Sie sich also angesprochen!

Antwort: Ihre Antwort muss sich nicht mit der hier weiterverfolgten Methode decken. Wenn Sie sich aber für Punkt 3 entschieden haben, liegen Sie auf der Linie dieses Buches! Aber: 1 und 2 sind keine Irrwege. Es gibt tatsächlich Kunstwerke, die einen überwältigenden Eindruck machen und den Betrachter vor Ehrfurcht erstarren lassen. Andere faszinieren, und man versucht herauszufinden weshalb.

Fühlen Sie sich einfach einmal angesprochen! Die erste Reaktion beim Betrachten eines Kunstwerkes läuft bei den meisten Menschen auf die Beurteilung gefallen beziehungsweise nicht gefallen hinaus. Wir reagieren damit nicht anders, als wenn wir einen Menschen kennenlernen: Wir fällen eine spontane, mehr oder weniger bewusste Entscheidung: sympathisch – unsympathisch beziehungsweise gefallen – nicht gefallen. Wenn wir uns etwas näher mit einem Menschen auseinandersetzen, fragen wir uns, weshalb wir ihn sympathisch beziehungsweise unsympathisch finden. Genauso können Sie sich beim Kunstwerk fragen, weshalb es Ihnen gefällt oder nicht. Es genügt schon, wenn Sie die Entscheidung begründen: Dieses Bild gefällt mir, weil … Hier können Sie nun das Passende einsetzen, also etwa: … weil es in meinen Lieblingsfarben gemalt ist; weil es mich an … erinnert; weil ich auch gerne so malen würde; weil ich es einfach schön finde; weil es in mir ein Gefühl von … auslöst etc. Analog verfahren Sie bei Nicht-Gefallen: Dieses Bild gefällt mir nicht, weil … mir das Sujet nichts sagt; weil mir zu viel Farbe drauf ist; weil es mich abstößt, weil ich es langweilig finde etc. Sie haben damit Ihr Urteil des Gefallens beziehungsweise Nichtgefallens begründet und als ein Angesprochener auf die Mitteilung reagiert.

Die Anekdote zum Thema: Über einen Besuch Aurelio Luinis in Tizians Atelier wird erzählt: „Er sah ein wunderbares Landschaftsbild, das Tizian im Hause hatte. Auf den ersten Blick hielt Aurelio es für eine Schmiererei. Nachdem er aber zurückgetreten war, schien es ihm, aus größerer Distanz, als ob ihm das Bild die Sonne leuchtete und die Straßen vor ihr nach allen Seiten zurückwichen.“23

Wie bei Menschen kann es auch beim Kunstwerk sein, dass Sie nach näherem Kennenlernen Ihr erstes Urteil überdenken oder gar revidieren müssen. Dies kann geschehen, indem Sie es differenzieren. Vielleicht sticht Ihnen in einem Bild, das Ihnen grundsätzlich missfällt, doch noch etwas ins Auge, das Sie gelungen finden. Möglicherweise gefallen Ihnen die Farben, obwohl Sie die Figuren unschön finden, oder Sie finden ein Bild kitschig, aber technisch gut gemalt, oder Sie fühlen sich auf gut Deutsch „verarscht“, und trotzdem finden Sie die Idee des Künstlers originell, oder Sie würden ein bestimmtes Bild nie in Ihre Wohnung hängen, können es sich aber gut in einem öffentlichen Raum vorstellen. Allein aufgrund dieser persönlichen Annäherung findet eine Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk statt und Sie lernen schon einiges über das Werk.

Kunst sehen und verstehen

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