Читать книгу Zwanzig Sekunden Ewigkeit - Siegfried Langer - Страница 4

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1 1. Kapitel

Alex erwachte.

Sie spürte, dass sie auf etwas Kaltem ruhte. Auch die Raumtemperatur lag deutlich unterhalb ihres Wohlfühlbereichs. Sie fröstelte.

Verunsichert öffnete sie die Augen, doch um sie herum herrschte Dunkelheit.

Wo, um alles in der Welt, befand sie sich?

Mit ihrer Hand tastete sie nach ihrer Kleidung und stellte fest, dass sie lediglich ein dünnes, ärmelloses Kleidchen trug. Viel zu wenig für diese Kälte. Eine Decke hätte ihr geholfen, doch sie lag einfach so, nur mit dieser knappen Bekleidung, auf einer glatten Oberfläche.

Als sie den Kopf drehte, entdeckte sie einen kleinen, roten Kreis, der schwach leuchtete.

Ob es sich dabei um einen Lichtschalter handelte?

Sie war ungeübt darin, Entfernungen abzuschätzen, und streckte versuchshalber den Arm aus.

Es schmerzte. So, als ob sie ihn lange Zeit nicht bewegt hätte. Und er war zu kurz. Es blieb ihr nichts Anderes übrig, als zu versuchen, hinüber zu gehen.

Ihr gesamter Körper fühlte sich starr an; als habe sie überall Muskelkater. Leise stöhnend gelang es ihr, sich aufzusetzen. Ihre Beine baumelten, erreichten aber keinen Boden.

Sie wagte den Sprung und landete nach wenigen Zentimetern auf etwas ebenfalls Kaltem. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie barfuß war. Sie schüttelte sich. Mit den Zehen erfühlte sie Fugen und vermutete quadratische Fliesen unter sich.

Auf unsicheren Beinen schwankte sie vorwärts, bis sie den roten Punkt erreichte.

Tatsächlich: ein Knopf. Sie drückte darauf. Ein paar Sekunden lang flackerte das Licht, dann blieb es konstant und erhellte die Örtlichkeit.

Alex sah, dass sie in einem etwa zwanzig Quadratmeter großen Raum stand, die Wände im gleichen Grauton gestrichen, den die Bodenfliesen hatten. Kein einziges Fenster. In der Mitte stand ein zwei Meter langer Tisch aus Edelstahl. Auf der ihr gegenüberliegenden Seite sechs überdimensionierte Schubladen, ebenfalls aus Metall und ins Mauerwerk eingelassen: drei nebeneinander, darunter eine weitere Reihe mit der gleichen Anzahl. Sie standen alle leicht geöffnet. An der rechten Wand ein Spind, an der linken ein Waschbecken.

Sie bemerkte, dass sich neben dem Lichtschalter eine Tür befand. Vorsichtig drückte sie die Klinke nach unten. Zu Alex' Leidwesen war sie verschlossen. Sie bückte sich und spähte durchs Schlüsselloch: alles dunkel.

Erneut musterte sie die Schubladen.

Leichen, fuhr es ihr durch den Kopf, hier werden Leichen aufbewahrt!

Sie ängstigte sich sehr vor dem, was sie in den Schubladen vorfinden würde, und doch übten diese einen Sog aus, dem sie sich nicht widersetzen konnte. Immer noch quälte sie jede Bewegung und so ging sie in kleinen Schritten um den Tisch herum.

Ihr Herz schlug schneller, aber sie nahm allen Mut zusammen und zog eine der sechs auf. Es quietschte leise, als das Metall der Schublade an dem der Führungsschiene rieb.

Leer.

Aber sie schien Alex tatsächlich groß genug, um einen menschlichen Körper darin zu lagern.

Sie widmete ihre Aufmerksamkeit den fünf anderen und stellte aufatmend fest, dass sich auch dort niemand befand.

Als sie sich umsah, entdeckte sie, dass unterhalb des Tisches etwas auf dem Boden lag, ebenfalls grau, wie die Fliesen. Ihre Muskeln taten weh und der Schmerz ließ sie aufstöhnen, während sie sich neugierig nach dem Gegenstand bückte und ihn aufhob. Er entpuppte sich als ein handtellergroßes Pappkärtchen, an dessen einer Ecke ein Draht befestigt war.

Blutstropfen klebten darauf, die einen Teil des Textes unleserlich machten:

----------------------

Alex***** Wilke

Geb. 24.11.1982

Gest. **********

----------------------

Ja, sie war Alexandra Wilke.

Aber sie war doch noch am Leben!

Hatte man sie für tot gehalten und hier unten aufgebahrt?

Das Kärtchen musste sie verloren haben, als sie vom Tisch gesprungen war. Vermutlich war es um ihren großen Zeh gebunden gewesen.

Immer wieder gab es Fälle von Scheintoten.

Nun war ihr so etwas passiert?

Oh, nein!

Sie musste unbedingt auf sich aufmerksam machen!

Ihr Körper verweigerte immer noch den Gehorsam. Ihr Kampf ums Gleichgewicht zwang sie, sich langsam zu bewegen. Sie wollte zurück zur Tür und schließlich erreichte sie ihr Ziel, ohne zu stolpern.

Mit ihren Fäusten schlug sie dagegen. Und sie schrie.

“Hallo?”

“Hört mich jemand?”

“Ich lebe!”

Abgesehen davon, dass ihre Stimme im Raum widerhallte, blieb ihre Aktion ergebnislos.

Sie hämmerte weiter. Bis ihre Fäuste schmerzten.

Sie rief weiter. Bis sie außer Atem war.

Dann sackte sie kraftlos vor der Tür zusammen.

Zwanzig Sekunden Ewigkeit

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