Читать книгу Zwanzig Sekunden Ewigkeit - Siegfried Langer - Страница 6
Оглавление1 3. Kapitel
Alex lauschte.
Kein Laut. Nichts.
Die Tür war vorhin definitiv geschlossen gewesen – und abgesperrt.
Sie hätte es hören müssen, wenn sie jemand entriegelt hätte.
Allerdings war sie mit dem Anziehen beschäftigt gewesen. Hatte der oder die Unbekannte exakt in dem Augenblick den Schlüssel herumgedreht, als die Spindtür beim Öffnen gequietscht hatte?
Er oder sie müsste noch in der Nähe sein.
“Hallo?”, fragte sie leise. “Ist da jemand?”
Doch niemand antwortete ihr.
Sie wiederholte die Fragen etwas lauter, mit dem gleichen Ergebnis.
Spielte da jemand Verstecken mit ihr?
Bisher war sie von einem Missverständnis ausgegangen. Man hatte sie für tot gehalten und hier in diesem Kühlraum aufgebahrt.
Aber was, wenn sie jemand absichtlich hierher gebracht hatte? In bestem Wissen, dass sie noch lebte.
Ein Entführer!
Aber warum hatte er sie ausgezogen und ihr das Namenskärtchen um den Zeh gebunden?
Was für ein kranker Mensch musste das sein!
Ob er sie auch …?
Als sie nackt vor ihm lag?
Nein, das glaubte sie nicht. Sie war sich sicher, dass sie dies noch spüren würde.
Sein Interesse musste ein anderes sein: Spielte er ein seltsames Spiel mit ihr?
“Geben Sie nur acht!”, rief sie nun, mit mehr Selbstbewusstsein, als sie sich zugetraut hätte. “Ich habe den schwarzen Gürtel in Karate.”
Kamae, Shizentai, Kokutsu-dachi.
Die Begrifflichkeiten fielen ihr ein, mitsamt der dazugehörigen Stellungen. Auch das Gedächtnis funktionierte also.
Sie knickte die Finger ein und streckte sie, wieder und wieder. Dann ein paar Kniebeugen. Allmählich verringerten sich die Verspannungen.
Beherzt ging sie auf die Tür zu und brachte sich in Kampfstellung. Falls dort draußen jemand war, so stand er in der Dunkelheit, jenseits des Lichtkegels, den die Deckenlampe warf.
Die Tür führte in einen Gang hinaus, Alex konnte gegenüber eine weitere Tür erkennen, links eine Wand, die andere Richtung verlor sich im Dunkeln.
Da musste er stehen, rechts. Und da würde er auf sie lauern.
Sie sprang in den Gang und boxte noch im Sprung auf die Stelle, an der jemand seinen Kopf haben müsste, wenn er sich neben der Tür versteckt hielt.
Aber sie schlug ins Leere.
Langsam gewöhnte sie sich an das Dämmerlicht und konnte etwas mehr erkennen: niemand zu sehen.
Entweder der Unbekannte war längst verschwunden oder er versteckte sich weiter hinten in der Finsternis.
Aus den Augenwinkeln heraus sah sie etwas Rotes.
Da: ein weiterer Lichtschalter.
Sie drückte drauf. Wieder flackerte es ein paar Sekunden, ehe es endgültig hell wurde.
Der Gang endete an einer Treppe, die nach oben führte. Die Stufen kamen ihr bekannt vor, doch sie konnte sich nicht erinnern, wo sie sie schon einmal gesehen hatte.
Etwas knisterte.
Das Geräusch kam von der anderen Seite der Tür.
Natürlich! Da hinein musste der Unbekannte verschwunden sein! Er hatte ihre Tür geöffnet und war dann schnell gegenüber durch die andere gehuscht und hatte sie leise hinter sich geschlossen.
Sie zwang sich dazu, ruhig und besonnen zu bleiben.
Auch an dieser Tür befand sich ein Schlüsselloch.
Sie beugte sich hinab und blickte hindurch.
Der Raum war hell beleuchtet.
Eine Badewanne stand darin, bis zum Rand mit dampfendem Wasser gefüllt.
Daneben eine dicke, grauhaarige Frau. Sie trug ein weißes Oberteil mit einem roten Symbol darauf, das Alex nicht so richtig erkennen konnte. Außerdem hielt sie einen Gegenstand in der Hand, den sie just in diesem Moment über die Wanne führte. Er machte ein surrendes Geräusch.
Worum handelte es sich dabei?
Endlich konnte Alex das Objekt identifizieren: ein Fön.
Die Frau wollte doch nicht etwa den eingeschalteten Fön in die volle Badewanne …?
Doch die Frau drehte sich nun um und ihr Blick traf den von Alex.
Gerade so, als wüsste sie, dass sie jemand durchs Schlüsselloch beobachtete.
Die Hand mit dem Fön immer noch über dem Wasser, streckte sie Alex nun die andere entgegen. Mit dem Zeigefinger machte sie eine Bewegung, als wolle sie Alex heranlocken, genau wie es die Hexe im Märchen mit Hänsel vor dem Knusperhäuschen getan hatte.
Alex schwanden die Sinne.