Читать книгу Zwanzig Sekunden Ewigkeit - Siegfried Langer - Страница 5

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1 2. Kapitel

Mit dem Rücken lehnte Alex an der Tür.

Sie holte tief Luft und überlegte.

Falls sie dich für tot gehalten haben, dachte sie, würden sie dich sicher nicht sehr lange hier herumliegen lassen.

Und: Falls sie in den Schubladen tatsächlich Leichen aufbewahrten, so müssten sie diese dort auch kühlen können.

Sie streckte den Kopf, um über den Tisch hinwegzusehen.

Tatsächlich, jetzt entdeckte sie ein Control-Panel neben den Schubladen. Damit, vermutete sie, konnte man die Temperatur einstellen.

Sicherlich würde also bald jemand auftauchen, um ihren vermeintlich toten Körper hinüberzutragen und hineinzulegen.

Nur eine Frage der Zeit.

Bis jemand kam, so entschloss sie sich, könnte sie sich den Spind näher ansehen.

Sie stand auf und bemerkte zufrieden, dass sie sich inzwischen schon etwas besser auf den Beinen halten konnte.

Mist!

Ein Zahlenschloss hing an der Spindtür.

Vier Stellen hatte es, das hieß 10.000 Möglichkeiten für die richtige Kombination, 0-0-0-0 bis 9-9-9-9.

Zufrieden registrierte sie, dass das logische Denken funktionierte.

Wie sie wusste, neigten die meisten Menschen dazu, einfache Zahlenmuster zu wählen: 1-2-3-4, 0-0-0-0, 1-1-1-1, 2-2-2-2.

Kein Erfolg.

Sie probierte die jeweils vier gleichen Ziffern bis 9-9-9-9.

Auch nichts.

Dann 0-8-1-5, 4-7-1-1.

Wieder kein Klicken.

Mist. Mist. Mist.

Was gab es noch für häufige Ziffernkonstellationen?

Ihr fielen keine mehr ein und sie versuchte, den Bügel so herauszuziehen.

Ein sinnloses Unterfangen.

Manchmal benutzten die Leute auch ihr Geburtsdatum, um ein Zahlenschloss zu sichern. Wusste man, wann der Inhaber des Schlosses Geburtstag hatte, war es ein Leichtes, es zu öffnen.

Spaßeshalber drehte sie die Zahlen, bis ihr eigenes Geburtsdatum zum Vorschein kam: 2-4-1-1.

Was war das denn?

Sie glaubte, das erlösende Geräusch gehört zu haben.

Hatte das Datum für den Inhaber des Spinds etwa ebenfalls eine spezielle Bedeutung? War er gar am selben Tag geboren worden wie sie selbst?

Was für ein Zufall!

Auf den Inhalt des Spinds war sie sehr neugierig, doch jetzt fühlte sie sich plötzlich wie eine Diebin. Vorsichtig blickte sie sich um.

Aber wer hätte sie schon beobachten sollen?

Die Zimmertür war nach wie vor geschlossen.

Und hineinsehen könnte sie ja mal ...

Mit einem lauten Quietschen öffnete sie die Spindtür, das unangenehme Geräusch schmerzte in ihren Ohren.

Vielleicht hörte das jemand von draußen und kam nun, um nach dem Rechten zu sehen?

Sie blickte hinein.

Zwei Kleiderbügel hingen darin, an jedem ein Kleidungsstück.

Ein fliederfarbenes Sweatshirt und eine blaue Jeans.

Alex wunderte sich; sie hatte eher mit einem Arztkittel oder etwas Ähnlichem gerechnet.

Als sie sich das Sweatshirt genauer ansah, konnte sie sehr schnell ein Motiv auf der Vorderseite identifizieren: Dornröschen im innigen Tanz mit ihrem Prinzen. Als kleines Mädchen hatte sie diesen Märchenfilm von Walt Disney geliebt. Wie oft sie ihn gesehen hatte, wusste sie nicht. Sicher einige Dutzend Male.

Alex spürte, dass es ihr kalt den Rücken hinablief, denn sie hatte damals exakt das gleiche Sweatshirt besessen.

Guckten die Kinder von heute noch klassische Märchen wie Dornröschen?

Und vor allem: Welcher Erwachsene trug so ein Kleidungsstück?

Denn das Sweatshirt war zweifellos nicht für ein Kind. Alex vermutete, dass es sich um ihre eigene Konfektionsgröße handeln könnte.

Ihr Erstaunen hielt an: Auch die Jeans kam ihr bekannt vor. So eine war damals, im Alter von zwölf Jahren, ihre erste Markenjeans gewesen. Sie konnte sich noch genau daran erinnern, wie sehr sie seinerzeit ihre Mutter gegängelt hatte, genau so eine zu bekommen, und wie lange es gedauert hatte, bis ihre Mutter endlich eingeknickt war.

Sie besah sich die Zahlen im Bund: exakt ihre heutige Größe.

Ob sie mal hineinschlüpfen sollte?

Schließlich fror sie. Und sie lieh sie sich ja nur aus. Sie konnte ja nichts dafür, dass man sie hier versehentlich eingeschlossen hatte.

Sie zog die Jeans an und sie passte perfekt.

Das Sweatshirt würde sie sicher auch wunderbar wärmen.

Sie tauschte ihr graues Kleidchen dagegen ein und entdeckte nun weitere Kleidungsstücke am Boden des Spinds: rote Hausschuhe und rot-blaue Ringelsocken.

Sie nahm sie ebenfalls heraus und zog sie an: Viel besser als die kalten Fliesen unter ihren Füßen.

Irgendwie kam sie sich albern vor, nach all den Jahren wieder Dornröschen auf ihrer Brust zu tragen.

Aber egal, es sah sie im Moment ja niemand.

Ein Spiegel wäre nicht schlecht.

War nicht über dem Waschbecken einer gehangen?

Sie drehte sich und entdeckte zu ihrer großen Überraschung, dass die Zimmertür offenstand.

Zwanzig Sekunden Ewigkeit

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