Читать книгу Der Tartuffe - Sigrid Behrens - Страница 11
ОглавлениеSzene III
DORINE. MARIANE.
DORINE Sagt mal, hat es Euch die Sprache verschlagen, ist es meine Aufgabe, Euch in dieser Sache zu vertreten? Da nehmt Ihr es einfach hin, dass man Euch einen hanebüchenen Plan vorstellt, ohne auch nur ein Wörtchen des Widerspruches einzulegen!
MARIANE Was soll ich denn deiner Meinung nach gegen einen absolutistischen Vater unternehmen?
DORINE Was immer nötig ist, um eine solche Bedrohung abzuwenden.
MARIANE Und das wäre?
DORINE Dass Ihr ihm sagt, dass ein Herz nicht auf Befehl eines anderen liebt, dass Ihr um Euretwillen heiratet und nicht für ihn, dass der Ehemann, da es bei der ganzen Geschichte um Euch geht, ausschließlich Euch gefallen muss, bestimmt nicht ihm, und dass ihn niemand daran hindern dürfte, seinen Tartuffe, wenn er ihn tatsächlich so charmant findet, einfach selbst zu heiraten.
MARIANE Ich gebe es zu, dieser Vater hat eine solche Macht über uns, dass ich es noch nie gewagt habe, ihm zu widersprechen …
DORINE Dann denken wir noch einmal nach. Valère ist in mancherlei Hinsicht auf Euch zugekommen, liebt Ihr ihn nun, ich bitte Euch, oder liebt Ihr ihn nicht?
MARIANE Ach Dorine, wie ungerecht du über meine Liebe sprichst! Musst du mich das wirklich fragen? Habe ich dir in dieser Sache nicht schon hundertmal das Herz ausgeschüttet, weißt du nicht, wie sehr ich für diesen Menschen brenne?
DORINE Was weiß ich denn, ob aus dem Mund tatsächlich das Herz gesprochen hat, und ob Ihr Euch aus diesem Liebhaber tatsächlich etwas macht?
MARIANE Du tust mir ein großes Unrecht, Dorine, wenn du daran zweifeln kannst – so oft, wie ich meine ehrlichen Gefühle schon in aller Deutlichkeit gezeigt habe.
DORINE Mit anderen Worten, Ihr liebt ihn also?
MARIANE Ja, und zwar von ganzem Herzen.
DORINE Und so wie es aussieht, liebt er Euch genau so?
MARIANE Ich glaube schon.
DORINE Und beide könnt Ihr es gar nicht erwarten, endlich miteinander verheiratet zu sein?
MARIANE Keine Frage.
DORINE Was erwartet Ihr nun von dieser anderen Verbindung?
MARIANE Dass ich mich umbringen werde, wenn man mich dazu zwingt.
DORINE Großartig, an diesen Ausweg habe ich ja gar nicht gedacht! Dann braucht Ihr Euch also nur umzubringen, um Euch aus dem Schlamassel zu befreien! Wenn das kein wunderbares Mittel ist! Es macht mich wahnsinnig, Euch so sprechen zu hören.
MARIANE Mein Gott, Dorine! In welche Stimmung gerätst du denn da! Du kennst wohl gar kein Mitgefühl, wenn es um den Kummer anderer geht?
DORINE In der Tat, mein Mitgefühl hält sich in Grenzen, wenn man große Reden schwingt und sich duckt, sobald die Sache ernst wird – so wie Ihr.
MARIANE Was soll ich denn tun, wenn ich nun einmal so ängstlich bin …
DORINE Ein liebendes Herz verlangt eben Entschlossenheit.
MARIANE Aber die habe ich doch, wenn es um Valères Liebe geht! Außerdem ist es doch an ihm, bei meinem Vater um mich –
DORINE Ja wie denn! Wenn Euer Vater nun mal ein ausgemachter Dickschädel ist, der an seinem Tartuffe einen Narren gefressen hat und plötzlich nichts mehr auf die Verbindung gibt, der er vordem sein Wort gegeben hatte – ist das alles dann die Schuld Eures Geliebten?
MARIANE Aber durch lauten Protest und offene Verachtung würde ich doch meine allertiefsten Gefühle offen zeigen …Soll ich für Valère, so wunderbar er auch sein mag, sämtlichen Anstand meines Geschlechtes, die Pflichten einer Tochter gar, in den Wind schießen? Willst du wirklich, dass ich meine Liebe vor der ganzen Welt ausbreite?
DORINE Nein, nicht doch – ich will gar nichts! Ich sehe ja, Ihr wollt die Frau des Herrn Tartuffe werden, und wenn ich darüber nachdenke, so täte ich falsch daran, Euch von dieser Verbindung abzuraten. Aus welchem Grunde sollte ich mich Eurem Wunsch entgegenstellen? Diese Partie hat zweifellos viele Vorteile. Monsieur Tartuffe! Oho! Wenn das kein Angebot ist! Schließlich ist der Mensch, wenn man sich die Sache genau besieht, ein ziemlich anspruchsvoller Mensch, da ist es doch keine Schande, seine bessere Hälfte zu sein. Schon jetzt wird er von aller Welt mit Ruhm gekrönt: Da, wo er herkommt, ist er adelig, gut gebaut ist er auch, seine Ohren sind blutrot und sein Teint von ausgesuchter Rosigkeit – mit einem solchen Mann erwartet Euch ein herrliches Leben –
MARIANE Um Gottes Willen!
DORINE Welch Freude wird erst in Eurem Herzen wohnen, wenn Ihr die Frau eines derart schönen Mannes sein werdet!
MARIANE Ach, ich bitte dich, hör auf, so zu sprechen, und rette mich vor dieser Ehe! Es ist vollbracht, ich ergebe mich und bin zu allem bereit.
DORINE Nein, eine Tochter muss ihrem Vater gehorchen, und wenn er ihr einen Affen zum Mann geben wollte. Dagegen ist Euer Schicksal doch ganz wunderbar – worüber wollt Ihr Euch beschweren? Ihr werdet mit der Postkutsche in seine kleine Heimatstadt fahren, wo Ihr die Bekanntschaft mit zahllosen Onkel und Cousins machen werdet, mit denen Ihr zweifellos ganz viel Spaß haben werdet. Dann wird man Euch in die bessere Gesellschaft einführen, Ihr werdet der Frau Amtmännin und der Frau Untersteuerrätin einen Willkommensbesuch abstatten, die es Euch mit einem Plätzchen auf ihrem Klappstuhl danken werden; zum Karneval dürft Ihr Euch dann auf den Ball mit großer Kapelle freuen, wobei letztere lediglich aus zwei Dudelsäcken bestehen dürfte, mit Glück vom Tanzäffchen und ein paar Marionetten begleitet, sofern es Euch Euer Ehemann –
MARIANE Ach, du bringst mich noch um! Gib mir besser gute Ratschläge.
DORINE Ich bin doch nur Eure Dienerin.
MARIANE He, Dorine, ich bitte dich …
DORINE Ihr habt es nicht anders verdient, als dass diese Sache einfach ausgestanden wird.
MARIANE Aber meine liebes, gutes Mädchen!
DORINE Nein.
MARIANE Wenn ich offen über meine Liebe spräche –
DORINE Genug: Tartuffe ist Euer Mann, und Ihr werdet ihn zu spüren bekommen.
MARIANE Du weißt, dir habe ich mich immer anvertraut – tu mir den Gefallen und –
DORINE Nein, Ihr werdet, was hilft’s!, tartüffiert.
MARIANE Also gut! Wenn mein Schicksal dich also partout nicht erweichen kann, dann überlasse mich endlich meiner Verzweiflung – durch sie allein wird mein Herz Erleichterung erfahren, denn ich kenne das letzte Mittel für mein Leiden. (will abgehen)
DORINE He da! Moment! Jetzt kommt schon zurück. Ich bin nicht mehr wütend. Man muss doch Mitleid mit Euch haben, nichtsdestotrotz.
MARIANE Weißt du, Dorine, will man mich tatsächlich diesem grausamen Martyrium aussetzen, ich sage es dir, dann hilft es nichts: Ich bringe mich um.
DORINE Macht Euch keine Sorgen. Mit ein wenig Geschick werden wir bestimmt verhindern können, dass – Doch da kommt Valère, Euer Geliebter.