Читать книгу Der Tartuffe - Sigrid Behrens - Страница 12

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Szene IV

VALÈRE. DORINE. MARIANE.

VALÈRE Gerade wird eine Neuigkeit verbreitet, die mir, Madame, noch gar nicht bekannt war – und die doch zweifellos sehr schön zu nennen ist …

MARIANE Welche denn?

VALÈRE Dass Ihr Tartuffe heiraten werdet.

MARIANE Es stimmt, dass mein Vater sich diesen Plan in den Kopf gesetzt hat.

VALÈRE Euer Vater, Madame –

MARIANE – hat seine Absicht geändert: Er hat mich gerade davon unterrichtet.

VALÈRE Was? Im Ernst!

MARIANE Ja, im Ernst. Er hat sich mit Nachdruck für unsere Heirat ausgesprochen.

VALÈRE Und mit welcher Absicht trägt sich nun Euer Herz?

MARIANE Ich weiß es nicht.

VALÈRE Diese Antwort ist aber – höflich. Ihr wisst es nicht!

MARIANE Nein.

VALÈRE Nein?

MARIANE Wozu ratet Ihr mir?

VALÈRE Ich … Ich rate Euch, diesen Mann zu heiraten.

MARIANE Ihr ratet es mir?

VALÈRE Ja.

MARIANE Ehrlich?

VALÈRE Zweifellos: Die Wahl ist hervorragend und durchaus wert, dass man sie annimmt.

MARIANE Ach was! Na, das nenne ich ja einen feinen Rat, den Ihr mir da gebt, Monsieur.

VALÈRE Ihr werdet bestimmt keine Schwierigkeiten haben, ihn zu befolgen, glaube ich.

MARIANE Nicht mehr, als es Euer Herz gekostet hat, ihn mir zu geben.

VALÈRE Ich? Ich habe ihn Euch doch nur gegeben, um Euch einen Gefallen zu tun!

MARIANE Und ich, ich werde ihn allein darum befolgen, um Euch einen Gefallen zu tun!

DORINE Wir dürfen gespannt sein, was daraus werden wird.

VALÈRE Sieht denn so Liebe aus? War es bloß Täuschung, als Ihr –

MARIANE Sprechen wir nicht davon, ich bitte Euch. Ihr habt mir deutlich gesagt, ich solle den zum Mann nehmen, den man mir zum Mann geben will, und hiermit erkläre ich, dass ich das auch tun werde, da Ihr mir ja nun so wohlmeinend dazu ratet.

VALÈRE Gebt nicht meinen guten Absichten die Schuld – Ihr hattet Euch doch schon längst entschieden! Ihr benutzt mich doch nur als billigen Vorwand, um Euren Wortbruch zu rechtfertigen!

MARIANE Das stimmt, das habt Ihr gut gesagt.

VALÈRE Ja sicher – und Euer Herz hat für mich niemals wahre Leidenschaft empfunden.

MARIANE Oh Gott! Schämt Euch, so zu denken.

VALÈRE Ja, ja, ich will mich schämen; nur wird mein ver­letztes Herz Eurem Plan möglicherweise zuvorkommen – ich weiß nämlich, wohin ich mein Werben und meine Hand hinzuwenden habe.

MARIANE Ach, das glaube ich gern! Leidenschaft feuert bekanntlich den Ehrgeiz an …

VALÈRE Mein Gott, lassen wir den Ehrgeiz beiseite: Ich habe ganz offensichtlich zu wenig davon, dafür seid Ihr der beste Beweis. Allerdings hoffe ich auf die Zuneigung einer anderen, denn ich kenne da eine, deren Herz meinem Rückzug offen stehen wird und der es ohne jede Scham gefallen dürfte, meinen Verlust zu ersetzen.

MARIANE So groß ist dieser Verlust gar nicht – Ihr werdet Euch bestimmt sehr leicht über diese Ver­änderung hinwegtrösten lassen.

VALÈRE Ich werde mein möglichstes tun, das könnt Ihr mir glauben. Ein Herz, das uns vergisst, rührt an unsere Ehre; man muss sämtliche seiner Kräfte aufwenden, um eine solche Kränkung zu verwinden. Schafft man das nicht, so sollte man doch wenigstens so tun, denn jemandem, der uns sitzen lässt, seine Liebe gezeigt zu haben: Diese Schwäche ist unverzeihlich.

MARIANE Diese Ansicht ist zweifellos nobel und vorbildlich.

VALÈRE Wunderbar, dann muss man sie wohl auch gutheißen! Ja, was? Wollt Ihr etwa, dass ich bis ans Ende meiner Tage nur für Euch brenne, dass ich Euch dabei zusehe, wie Ihr in fremden Armen liegt, ohne meinerseits dieses verstoßene Herz einer anderen zuzuwenden?

MARIANE Ganz im Gegenteil: Genau das ist es, was ich mir wünsche – wenn es nach mir ginge, die Chose wäre schon erledigt.

VALÈRE Das wünscht Ihr Euch?

MARIANE Ja.

VALÈRE Jetzt reicht es aber mit den Beleidigungen, Madame: Möge dieser Schritt Euch Befriedigung verschaffen. (er macht Anstalten, sich zu entfernen, kommt jedoch immer wieder zurück)

MARIANE Sehr gut.

VALÈRE Vergesst nur nicht, dass Ihr selbst es seid, die mich dazu nötigt, diesen äußersten Schritt zu tun.

MARIANE Ja.

VALÈRE Und dass das Schicksal, dem mein Herz entgegen geht, ganz Eurem Beispiel folgt.

MARIANE Meinem Beispiel folgend: So sei es.

VALÈRE Genug! Ihr habt bestellt, Ihr sollt zeitig bedient werden!

MARIANE Das will ich aber hoffen.

VALÈRE Hier seht Ihr mich – es wird das letzte Mal sein!

MARIANE Wurde auch Zeit.

VALÈRE (indem er zur Tür geht und sich im letzten Moment noch einmal umdreht) Äh –

MARIANE Was.

VALÈRE Habt Ihr mich nicht gerufen?

MARIANE Ich? Das hättet Ihr wohl gern.

VALÈRE Na gut! Dann kann mich ja nichts aufhalten! Adieu, Madame!

MARIANE Adieu, Monsieur.

DORINE Wenn Ihr mich fragt, so scheint mir, dass Ihr über diese wilden Vorhaltungen gerade den Verstand verliert …Ich habe Euch die ganze Zeit streiten lassen, nur um zu sehen, wie weit Ihr die Sache wohl treiben würdet – He da, mein guter Valère! (hält ihn am Arm zurück – er gibt sich den Anschein des größten Widerstandes)

VALÈRE Was willst du, Dorine?

DORINE Kommt mal her.

VALÈRE Oh nein, dazu bin ich viel zu sauer. Hindert mich nicht daran, zu tun, was sie gewollt hat!

DORINE Schluss jetzt.

VALÈRE Nein, hörst du? Das ist beschlossene Sache.

DORINE Ach was.

MARIANE Er erträgt es nicht, mich zu sehen, meine Gegenwart vertreibt ihn, und ich täte besser daran, meinen Platz zu räumen.

DORINE (indem sie VALÈRE zurücklässt und zu MARIANE springt) Also zu dir – Wo lauft Ihr hin?

MARIANE Lass mich.

DORINE Kommt zurück!

MARIANE Nein, Dorine, nein: Du wirst mich nicht aufhalten können.

VALÈRE Ich sehe schon, mein Anblick ist für sie die reinste Qual – Ich sollte sie besser davon befreien.

DORINE (indem sie von MARIANE ablässt und wieder zu VALÈRE hinüberrennt) Schon wieder? Der Teufel soll Euch holen, aber erst, wenn ich es will! Hört endlich mit diesem Unsinn auf und kommt her, alle beide. (zieht sie beide aufeinander zu)

VALÈRE Was denkst du dir eigentlich?

MARIANE Was hast du vor?

DORINE Euch beiden Hübschen wieder zusammenzubringen, um Euch aus diesem Sumpf wieder herauszuholen. Seid Ihr denn wahnsinnig, einen solchen Streit vom Zaun zu brechen?

VALÈRE Hast du denn nicht gehört, wie sie mit mir geredet hat?

DORINE (zu MARIANE) Seit Ihr denn verrückt, Euch so in Rage zu reden?

MARIANE Hast du denn nicht gesehen, wie er mich behandelt hat?

DORINE Dummheit auf beiden Seiten: Ihre einzige Sorge ist, sich für Euch zu bewahren, das kann ich bezeugen – und er liebt nur Euch, und sein einziger Wunsch ist, Euch zur Frau zu nehmen, dafür würde ich mein Leben verwetten.

MARIANE Warum mir dann einen solchen Rat erteilen?

VALÈRE Warum mich in einer solchen Lage darum bitten?

DORINE Ihr seid beide verrückt. Hier, Eure Hand, alle beide. Jetzt kommt schon!

VALÈRE (zu DORINE) Was nützt da meine Hand?

DORINE (zu MARIANE) So, und jetzt die Eure.

MARIANE (indem auch sie ihre Hand reicht) Und was soll das alles bringen?

DORINE Himmelherrgott! Schnell, tretet schon näher! Ihr liebt Euch beide viel mehr, als Ihr es glaubt.

VALÈRE (zu MARIANE) Jetzt gebt Euch doch mal ein bisschen Mühe und schaut dem Menschen zur Abwechslung mal ganz ohne Verachtung ins Gesicht. (MARIANE schaut vorsichtig in seine Richtung und lächelt ein klitzekleines bisschen)

DORINE Eines ist mal klar, Verliebte sind wirklich verrückt.

VALÈRE (zu MARIANE) Hört mal, habe ich nicht allen Grund, mich über Euch zu beschweren? Und wenn ich schon mal Klartext rede, ist es nicht bösartig von Euch, mir solch hässliche Dinge an den Kopf zu werfen?

MARIANE Ja und was ist mit Euch, hat man denn je einen undankbareren Mann gesehen, der –

DORINE Vertagen wir diese Diskussion auf die nächste Jahreszeit, und versuchen wir lieber, diese unselige Heirat zu verhindern.

MARIANE Dann sag uns, welche Hebel wir in Bewegung setzen müssen.

DORINE Alle, die uns zur Verfügung stehen: Euer Vater treibt es so bunt, dass es zum Himmel stinkt, trotzdem solltet Ihr besser so tun, als wäret Ihr bereit, seinem Irrsinn Folge zu leisten, damit Ihr dann, sobald die Sache ernst wird, die ange­dachte Hochzeit leichter verzögern könnt – mit etwas Zeit findet man für alles eine Lösung: Mal werdet Ihr Euch eine dumme Krankheit zulegen, die sehr plötzlich auftreten wird und nach Aufschub verlangt; beim nächsten Mal werdet Ihr von schlechten Vorzeichen sprechen: Ihr werdet ärgerlicherweise einem Toten begegnet sein, einen Spiegel zerbrechen oder von schlammigem Wasser träumen. Das Gute an der Sache wird sein, dass man Euch einem anderen als ihm hier nur dann vermählen kann, wenn Ihr auch Ja sagt – Nur scheint es mir für das allgemeine Gelingen sinnvoll, wenn man Euch beide nicht miteinander sprechen sieht. (zu VALÈRE) Geht, und spannt sofort Eure Freunde ein, dass man auch hält, was man Euch versprochen hat. Wir werden ihren Bruder auf den Plan rufen und die Stiefmutter auf unsere Seite ziehen. Lebt wohl.

VALÈRE (zu MARIANE) Was immer wir alle bewegen mögen, ich sage es Euch im Vertrauen, meine größte Hoffnung ruht auf Euch …

MARIANE (zu VALÈRE) Für den Willen meines Vaters kann ich mich nicht verbürgen, doch werde ich niemals einem anderen gehören als Valère.

VALÈRE Wie macht Ihr mich froh! Und sollte es auch nur einer wagen –

DORINE Puh, Verliebte haben aber auch nie genug! Raus mit Euch, sage ich.

VALÈRE (macht einen Schritt, kommt jedoch sogleich zurück)

Nun …

DORINE Seid Ihr immer noch nicht fertig! (indem sie beide an den Schultern hinausschiebt). Jetzt ab mit Euch, in diese Richtung, und Ihr, ab nach dort!

Der Tartuffe

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