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1.2 Von der „Erwachsenenbildung“ zur „Weiterbildung“

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Die „realistische Wende“

In der Folgezeit hat sich im Zusammenhang mit der sogenannten „realistischen Wende“ ein Verständnis von Erwachsenenbildung durchgesetzt, das sich von der Vormachtstellung allgemeinbildenden Wissens ab- und praktisch verwertbaren Kenntnissen zuwandte. Der Begriff „Weiterbildung“ schien passender, um – zusammen mit der Idee des Fortschreitens und Aufsteigens – die Verbindung mit bereits erworbenen Kenntnissen zu verdeutlichen. Beispielhaft ist hier der „Strukturplan für das Bildungswesen“ des Deutschen Bildungsrats aus dem Jahr 1970. Ausgehend von der Vorstellung einer Verbindung zwischen den Bildungsphasen in der Kindheit und Jugend einerseits und im Erwachsenenalter andererseits wurde Weiterbildung „als Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase bestimmt“ (DEUTSCHER BILDUNGSRAT 1970, S. 197).

„Strukturplan Weiterbildung“

Der Strukturplan legte dar, dass der „Auf- und Ausbau eines Weiterbildungssystems zu einem Hauptbereich des Bildungswesens als öffentliche Aufgabe“ anzustreben sei. Auf dieser Basis wurde von einem Arbeitskreis von Erwachsenenbildnern ein „Strukturplan Weiterbildung“ ausgearbeitet, in dem die realen Voraussetzungen und erforderlichen Schritte für die Schaffung eines flächendeckenden öffentlichen Weiterbildungssystems in der Bundesrepublik beschrieben wurden. Dabei wurde empfohlen, das vorhandene System der öffentlichen Volkshochschulen als Basis zu nutzen – die Volkshochschulen, die sich bis zu dieser Zeit in ihren Verlautbarungen eher der allgemeinen Bildung verschrieben hatten, de facto aber immer beruflich verwertbare Bildungsangebote gemacht hatten, bekannten sich damit auch offiziell zur stärker berufsorientierten Weiterbildung. Allerdings wurde der politische Anspruch, auch bildungsferne Bevölkerungsgruppen zu erreichen und diesen die Teilhabe an einer demokratischen Gesellschaft zu ermöglichen (s. Kap. 2.2), nicht aufgegeben. Im Grunde ging es um die Anerkennung eines bisher vernachlässigten Bildungsbereichs und um die Behebung von ‚Versorgungsdefiziten‘:

„Die bisherige Entwicklung hat […] mit einer gewissen historischen Zwangsläufigkeit schwerwiegende Defizite bei der Versorgung der Bevölkerung entstehen lassen: soziale Defizite, regionale Defizite und curriculare Defizite. Mit sozialen Defiziten meinen wir die oft nachgewiesene Tatsache, daß große Teile der Bevölkerung in der Weiterbildung unterrepräsentiert sind, wie die Arbeiterschaft und andere Gruppen, deren Vorbildung und berufliche Qualifikation gering und deren Grad sonstiger Partizipation niedrig ist. Die regionalen Defizite werden deutlich, wenn man die außerordentliche Beschränktheit der Weiterbildungsmöglichkeiten in vielen Regionen, besonders in abgelegenen Landgebieten betrachtet. Und die curricularen Defizite, die sich auf das inhaltliche Angebot beziehen, stellen sich zur Zeit besonders in der Notwendigkeit dar, politische Bildung mit der Existenznähe beruflicher Qualifizierungen zu vermitteln, weiterhin in dem dringenden Gebot, ein differenziertes Programm bundeseinheitlicher Kurse nach dem Baukastenprinzip auszubauen und abzusichern, sowie in dem Fehlen wichtiger Sachgebiete, die, wie viele technische Fächer mit apparativen Voraussetzungen, bisher vernachlässigt werden mussten.“ (ARBEITSKREIS STRUKTURPLAN 1975, S. 8)

Verbreitung des Begriffs Weiterbilding

Beide Ziele – die öffentliche Anerkennung der Bildungsarbeit mit Erwachsenen und der Ausbau des Bildungssystems – schienen mit dem Begriff „Weiterbildung“ leichter erreichbar zu sein. Tatsächlich hat sich dieser Begriff in der politischen und öffentlichen Diskussion durchgesetzt; er wird aber auch in der Wissenschaft verwendet – auch wenn unter Weiterbildung meist funktionales Weiterlernen, unter Erwachsenenbildung dagegen eher personenbezogenes Lernen verstanden wird (vgl. TIETGENS 2003, S. 61).

Einführung in die Theorie der Erwachsenenbildung

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