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3 Begründungen für Erwachsenenbildung 3.1 Anpassung an Veränderungen

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Aufklärung

Die Entstehung der Erwachsenenbildung in der Aufklärung ist zum einen den geistigen Strömungen der Zeit, zum anderen den realen Veränderungen zu verdanken, die sich in dieser Epoche abzeichneten, um dann im 19. Jahrhundert zur vollen Wirksamkeit zu gelangen. Gemeint ist die wirtschaftliche, technische und soziale Entwicklung, der sich die Menschen durch den Erwerb neuer Kenntnisse und Fertigkeiten anpassen wollten und mussten. In dieser Zeit entstanden in den Städten Handwerker- und Sonntagsschulen, in denen neben Elementarfächern vorzugsweise naturwissenschaftliche und technische Fächer unterrichtet wurden.

Landwirtschaftliche Erwachsenenbildung: Anpassung an Zeitumstände

Für die Landbevölkerung wurden sogenannte Ackerbauschulen und landwirtschaftliche Akademien errichtet. Überlegungen zur Weiterbildung der bäuerlichen Bevölkerung wurden bereits im 18. Jahrhundert angestellt – so etwa im „Grundriss einer zu errichtenden Ackerschule“ von PHILIPP ERNST LÜDERS (1702–1786). In dem „Provisorischen Regulativ“, einer Art Grundsatzerklärung der „Höheren Bauernschule“ in Rendsburg, heißt es 1842 zum Zweck einer solchen Einrichtung:

„Der Zweck der Anstalt ist, vorzugsweise dem Bauernstände der Herzogthümer Schleswig-Holstein eine Gelegenheit darzubieten, ihren confirmierten Söhnen eine den Zeitumständen anpassende allgemeine Ausbildung zu verschaffen, und sie in besonderer Berücksichtigung der Landwirtschaft für diesen ihren Beruf auch in praktischer Hinsicht möglichst zu vervollkommnen.“ (zit. nach LAACK 1960, S. 56)

Man wandte sich demnach bewusst an konfirmierte, das heißt an erwachsene Menschen bzw. Männer mit der Absicht, ihnen eine allgemeine und speziell berufliche Ausbildung auf dem neuesten Stand zu vermitteln.

Handwerkerbildungsvereine und die ‚mechanics institutes‘

Auch die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandenen Handwerkerbildungsvereine wollten ihren Mitgliedern fachliches und allgemeines Wissen vermitteln, um ihnen zu ermöglichen, ihre Arbeit den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen und technische Neuerungen für sich zu nutzen.

In England und in den Vereinigten Staaten entstanden um diese Zeit die ‚mechanics institutes‘ als freiwillige Zusammenschlüsse, die der Selbstbildung von handwerklich Tätigen dienten und – je nach Ausstattung – über eine Bibliothek, ein Museum oder ein Laboratorium verfügten und öffentliche Vorträge sowie Fortbildungen aller Art anboten.

Mit der Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Handwerker und dann auch der Arbeiter änderte sich die Zielrichtung der Vereine, die sich nun politisch ausrichteten und eine Veränderung der Lage ihrer Adressaten anstrebten. Als dann durch staatliche Intervention nach 1848 politisch auffällige Vereine verboten wurden, wurde der Schwerpunkt wieder auf die Vermittlung fachlichen (Anpassungs-)Wissens gelegt. Dies war möglich, weil die fachbezogene Ausbildung immer ein integraler Anteil der Bildungsarbeit war.

Gutachten des Deutschen Ausschusses: Anpassung und Widerstand

Einen Ausgleich zwischen fachlicher Anpassung und politischem Widerstand, der de facto die Erwachsenenbildung in weiten Teilen schon immer gekennzeichnet hatte, strebte man explizit nach dem Zweiten Weltkrieg im Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen an (s. Kap. 1.1). Die dort fixierte Formel „Anpassung und Widerstand“ war stärker als heute auf die Erfahrungen bezogen, die man in der Zeit des Nationalsozialismus gemacht hatte, erscheint aber in den Formulierungen des Gutachtens als allgemeine, fast überzeitliche Aussage zur Bildung:

„Im Feld der Polarität von Anpassung und Widerstand vollzieht sich der Prozeß der Bildung; in der Fähigkeit, zu bestimmen, wo Anpassung und wo Widerstand geboten ist, bewährt sich die Freiheit des Menschen in dieser Welt.

Es bedarf daher bedeutender Anstrengungen der Erwachsenenbildung, um möglichst viele Menschen der gegenwärtig lebenden Generation so zu bilden, daß sie in Anpassung und Widerstand sowohl sich selbst als Menschen bewahren als auch ihren Beitrag zu einem glimpflichen Ausgang unserer Epoche leisten können.“ (DEUTSCHER AUSSCHUSS 1960, S. 27)

Auch in dem Abschnitt unter der Überschrift „Ausbildung und Bildung“ wird jede Polarität abgelehnt, und es wird hervorgehoben, dass eine gründliche Ausbildung eine Existenznotwendigkeit sei und dass auch Berufsausbildung eine allgemeinbildende Wirkung habe. Diese Einschätzung bezieht sich auch auf nachträgliche Veränderungen und Erweiterungen der ursprünglichen Ausbildung, wie sie durch neue Entwicklungen notwendig geworden seien. Am Bildungsanspruch wird eindeutig festgehalten und eine Beschränkung „auf die unmittelbar notwendigen Fertigkeiten, auf ‚Abrichtungen‘“ (a.a.O., S. 31) abgelehnt.

Die Idee der Anpassung an Veränderungen im Berufsleben ist bis heute eine wesentliche, weitgehend akzeptierte Aufgabe der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung. Besonders herausgestellt wird sie von den Berufsverbänden selbst. So schreibt eine regionale Vertretung der Industrie- und Handelskammer zum Thema „Weiterbildung“:

„Weiterbildung wird im heutigen wirtschaftlichen Umfeld immer wichtiger. Durch steigenden Wettbewerb und den raschen Wandel in technischen und politischen Bereichen entstehen für Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer immer wieder neue Herausforderungen, die eine hohe geistige Flexibilität sowie eine ständige Anpassung an die neuen Bedingungen erforderlich machen“ (http://www.weiterbildung-ist-zukunft.de/index.htm).

Unter beruflicher Weiterbildung werden auch im Alltagsverständnis häufig Anpassungsmaßnahmen an moderne Arbeitsmittel und -abläufe verstanden; diese werden manchmal auch explizit als Anpassungslehrgänge bezeichnet. Eine Anpassung ist demnach durch von außen gesetzte Veränderungen nötig. Dies kann sich auf die Anpassung von Qualifikationen im erlernten Beruf beziehen, aber auch eine Umschulung, also die Ausbildung für einen neuen Beruf, bedeuten.

Daneben wird aber auch immer wieder auf die allgemeinbildenden Anteile derartiger Ausbildungen hingewiesen. So heißt es auf der Homepage eines Zentralverbandes Aus- und Weiterbildung in einem der neuen Bundesländer:

„Die Weiterbildung ist neben der Schule, der Berufsausbildung und der Hochschule Teil des Bildungssystems. Sie erfüllt in unserer Gesellschaft vorrangig zwei Aufgaben:

1. Sie trägt zur Anpassung und Erweiterung des Bildungsniveaus im Hinblick auf die sozialen, technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bei.

2. Sie bietet dem Einzelnen die Möglichkeit zur Entfaltung der Persönlichkeit und zur Teilnahme am gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Leben“ (http://zaw-mv.de/zaw/images/pdf/siegel/qualittsstandards.pdf).

Anpassung an soziale Entwicklungen

Dass die Anpassung an soziale Veränderungen mit dem Zusammenbruch des Sozialismus eine neue Bedeutung erfahren hat, liegt auf der Hand. Die langwierige Umgestaltung der Staaten des ehemaligen Ostblocks machte gerade auch für Erwachsene Anpassungen notwendig, die so gut wie jeden Lebensbereich betrafen und die zum Teil durch die institutionelle Erwachsenenbildung zu leisten versucht wurden.

Anpassung an moderne Gesellschaften

Während die Veränderungen durch den Zusammenbruch des Sozialismus für jeden Bürger des Ostblocks unmittelbar spürbar und Anpassungsnotwendigkeiten mehr oder weniger unausweichlich waren, stellte sich das Problem der Anpassung an aktuelle Veränderungen in Westeuropa ein wenig anders dar. Das Thema Anpassung an moderne Gesellschaften wird auffallend häufig in Form von Appellen behandelt (vgl. NOLDA 2001a). Wirtschaft und Politik rufen dazu auf, sich auf künftige gesellschaftliche Veränderungen durch eine gesteigerte Lernbereitschaft einzustellen.

Neben der Komponente des technologischen Wandels sind es vor allem, aber nicht nur, wirtschaftliche Veränderungen wie die Globalisierung der Herstellungs-, Innovations- und Vertriebsprozesse, die Dezentralisierung und Vernetzung von Klein- und Mittelbetrieben oder die steigende Bedeutung des Dienstleistungssektors, auf die es sich einzustellen gilt. Die Anpassung gilt nicht nur konkreten Erscheinungsformen, sie ist generell auf Veränderung gerichtet und betrifft deshalb auch Folgen von Veränderungen wie „steigende Unsicherheit“ und „veränderte Arbeits- und Lernbiographien“ (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG 2007, S. 5f.).

Kritik der Anpassungskonzeption

Kritiker der Anpassungskonzeption sehen darin die Gefahr einer Fremdbestimmung. Im Bereich der beruflichen Bildung weisen sie darauf hin, dass mit der Forderung, sich durch Bildung und Lernen an die Erfordernisse des Arbeitsmarkts anzupassen, die Verantwortung an den Einzelnen delegiert werde. Nicht der strukturelle Mangel an Arbeitsplätzen, sondern die mangelnde Anpassungsbereitschaft der Betroffenen werde dann als Ursache für Arbeitslosigkeit gesehen. Außerdem verdecke die Formulierung von der überlebensnotwendigen Anpassung die Interessen, die hinter der Forderung nach Anpassung stehen. Als Beispiel für eine solche Kritik sei folgende, im Internet verbreitete, Position zitiert:

„Die Prediger des Unvermeidlichen predigen von oben herab, wohl wissend das(!) schicksalhafte Zeiten einer Renaissance des Glaubens Vorschub leisten und einer Dekadenz des kritischen Geistes. Wohl deshalb reden hohe Funktionäre und Amtsinhaber so gerne von ‚unvermeidlichen Entwicklungen‘. Sie rechtfertigen so selbst Ihre Existenz, die Ihrer Organisation ebenso wie deren hierarchische Konstruktion: Das heraufbeschworene Unvermeidliche legitimiert die Hierarchie, die zur Metapher für die Unmöglichkeit wird, als einfacher Mensch das Unvermeidliche ändern zu können.“ (http://www.labournet.de/diskussion/arbeitsalltag/ho–wissen.html)

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