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3.3 Antizipation von Zukunft

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Erwachsenenalter und Zukunft

Anders als in der Kinder- und Jugendbildung, die sich per se als Vorbereitung auf Künftiges versteht, scheint Antizipation in der Erwachsenenbildung nicht selbstverständlich. Sie ist auch nicht zufällig die historisch jüngste der hier vorgestellten Konzeptionen. Mit der Verlängerung der Lebenszeit wird es aber für immer mehr Menschen notwendig, sich auch im Erwachsenenalter auf in der Zukunft liegende Phasen vorzubereiten. Das betrifft auch die verlängerte Zeit nach dem Aufziehen der Kinder und nach der Erwerbstätigkeit. Für diese Phase gibt es noch kaum historische Vorbilder. Die Gestaltung dieser Lebensphase – ob im privaten oder im öffentlichen Rahmen – stellt somit eine Herausforderung dar, die von der Erwachsenenbildung theoretisch und praktisch vielfältig aufgegriffen wird.

Auch im beruflichen Sektor ist das Sich-Einstellen auf künftige Veränderungen nicht mehr eine individuelle Entscheidung, sondern wandelt sich zu einem allgemeinen Prinzip: Zum einen kann kaum noch auf einen klar abgegrenzten Lebensberuf hin ausgebildet werden, zum andern geht es weniger um den Erwerb von Wissen als um die Sicherstellung von Lernfähigkeit und Lernbereitschaft, um künftigen Anforderungen besser gerecht werden zu können.

Schlüsselqualifikationen

Diese Einschätzung liegt der in den 1970er Jahren entwickelten Idee der sogenannten Schlüsselqualifikationen zugrunde, die später als Schlüsselkompetenzen bezeichnet wurden (s. Kap. 10). Unter diesen Kompetenzen versteht man grundlegende Wissenselemente, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zur Bewältigung unterschiedlicher Situationen geeignet sind. Das Konzept entstand, als erkennbar wurde, dass einmal erworbene Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt in immer geringerem Ausmaß verwertbar sind. Schlüsselqualifikationen – so die Grundüberlegung – können zwar nicht das zweifellos fundamentale Fachwissen ersetzen, helfen aber auf einer allgemeinen Ebene, mit nicht vorhersehbaren künftigen Anforderungen im Berufsleben umzugehen.

Beschäftigungsfähigkeit

Das in den 1970er Jahren vom damaligen Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit entwickelte Konzept wird mit dem aktuellen Bildungsziel der sogenannten Beschäftigungsfähigkeit (,employability‘) weitergeführt. Ausgangspunkt ist hier die Tatsache, dass immer weniger Unternehmen ihren Mitarbeitern die Sicherheit eines langfristigen Arbeitsplatzes gewähren können. Der Einzelne ist darauf angewiesen, seine Beschäftigungsfähigkeit nicht nur für ein Unternehmen, sondern für den gesamten Arbeitsmarkt zu sichern. Bildungsmaßnahmen sind also dann attraktiv, wenn sie möglichst global verwertbar sind. Auch hier stellt die fachliche Kompetenz das Fundament dar; Schlüsselqualifikationen und eine Leistung und Flexibilität fördernde Mentalität bilden die Säulen, die das Dach der Beschäftigungsfähigkeit tragen. Zu beachten ist, dass es sich bei dem Konzept der employability – ebenso wie bei dem der Schlüsselqualifikationen – um ein originär beschäftigungspolitisches handelt (vgl. KRAUS 2006), dessen (erwachsenen-)pädagogische Bearbeitung nachgeordnet ist.

Club of Rome: innovatives Lernen

Aus nicht-pädagogischer Sicht ist auch das Konzept des innovativen Lernens entwickelt worden, nämlich 1978 in einem Report des Club of Rome zur Überwindung der Wachstumskrise. Dort wurde die Bedeutung „innovativer“ statt „tradierter“ Lernprozesse betont und damit den Merkmalen Partizipation, Autonomie und Integration sowie Antizipation Wichtigkeit zugeschrieben, die die traditionelle Adaptation ersetzen sollten.

In einer Auseinandersetzung mit dem Konzept wurde hervorgehoben, das jeder Lernvorgang – auch in der Erwachsenenbildung – zukunftsbezogen ist, ein Lernziel ‚Zukunftsbewältigung‘ aber problematisch sei. Hilfreich dagegen sei es, zwei Dimensionen der Bildungsmotivation von Teilnehmern zu unterscheiden, nämlich eine retrospektive „Weil-Motivation“ und eine zukunftsorientierte „Um-zu-Motivation“. Die Folgerung laute dann:

„Adaption und Antizipation sind keine Gegensätze; nur aufgrund einer kritischen Aneignung gesellschaftlicher Erfahrungen kann Zukunft verantwortlich gestaltet werden.“ (SIEBERT 1983, S. 229)

Bildung als Investition

Eine ökonomische Ausrichtung bestimmt die zukunftsorientierten Vorstellungen von globaler Bildung, die die Weltbankgruppe – zusammen mit anderen supranationalen Organisationen – unterstützt (vgl. THE WORLD BANK 1999; SCHEMMANN 2007, S. 159ff.). Demnach ist Weiterbildung eine Investition in die Zukunft, die wirtschaftliches Wachstum und soziale Sicherheit entstehen lassen. Diese Vorstellung liegt auch der sogenannten Lissabon-Strategie der Europäischen Union zugrunde, die 2000 das Ziel formulierte, Europa innerhalb eines Jahrzehnts zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen (vgl. http://ec.europa.eu/growthandjobs/pdf/COM2005_330_de.pdf).

In einer Grafik aus einem Papier der Weltbank wird diese zukunftsgerichtete Funktion von Bildung verdeutlicht (vgl. 3-1). Investition in Bildung erscheint als Voraussetzung für makroökonomisches Wachstum, das auch von der durch Bildung abhängigen Entwicklung von Human- und Sozialkapital gefördert wird und das auf die Lebensverhältnisse positiv zurückwirkt. Es geht also nicht nur um die Fähigkeiten, Fertigkeiten und das Wissen, die Individuen in die Lange versetzen, ökonomisch verwertbare Tätigkeiten auszuüben und damit ein Einkommen zu erzielen (Humankapital), sondern auch um die Fähigkeit einer Gesellschaft zur Zusammenarbeit und sozialen Vernetzung bzw. Bürgerbeteiligung (Sozialkapital).


Abb. 3–1: Bildung als Zukunftsinvestition (nach THE WORLD BANK 1999)

Einführung in die Theorie der Erwachsenenbildung

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