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Caroline Pichler7

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Auch Caroline Pichler (1769 –1843) ist als Theaterautorin erfolgreich, sie schreibt Heinrich von Hohenstauffen, König der Deutschen, das 1813 am Burgtheater – als Benefiz-Vorstellung für die verwundeten Soldaten – aufgeführt wird. Zwar gibt es auch hier den Gegensatz intrigante Italiener – ehrliche Deutsche, doch die Grenzen sind nicht so eindeutig zu ziehen wie die zwischen Römern und Germanen bei Franul. Der nationale Gegensatz wird durch den familiären Vater-Sohn-Konflikt überlagert: Das Stück endet zwar tragisch, aber Heinrichs Tod begründet auch die Versöhnung der Überlebenden und ein allgemeines Humanitätsideal begründet die neuerliche Größe des Deutschen Reichs.


Caroline Pichler (1769 –1843) ist die erste Autorin, deren Werke in einer Gesamtausgabe (60 Bände) vorliegen.

Caroline Pichler ist die erste Autorin aus Österreich, deren Werke in einer Gesamtausgabe überliefert sind und von der sich Entwicklungslinien in die nachfolgende Zeit ziehen lassen.8

Ihr Leben und ihre schriftstellerische Karriere lesen sich wie ein erfolgreiches aufklärerisches Erziehungsexperiment, in dem die weibliche Komponente dominant ist. Ihre Mutter wird, als Waise, von Kaiserin Maria Theresia zur Vorleserin ausgebildet, wobei es sich bei den vorgelesenen Texten nicht um Literatur, sondern um Korrespondenz und Akten handelt – sie ist also eine Art Sekretärin avant la lettre. Die junge Frau erwirbt sich offensichtlich das Wohlwollen der Herrscherin und wird mit einem Beamten, dessen Karriere diese Hochzeit auch nicht schadet, verheiratet. Die arrangierte Hochzeit scheint glücklich gewesen zu sein, der Salon Pichler wird zu einer Institution in Wien, in der nicht nur die Schriftsteller und Gelehrten der Metropole verkehren, sondern in denen auch häufig durchreisende Künstler Station machten. Die beiden Kinder, ein Sohn und eine Tochter, erhalten gemeinsam einen sorgfältigen Unterricht durch Hauslehrer und nehmen selbstverständlich an den Unterhaltungen der Erwachsenen teil. Caroline Pichler trägt ihr erstes Gedicht bereits mit 12 Jahren im Salon der Eltern vor und kann ihr Produkt bald darauf im Wiener Musenalmanach gedruckt sehen. Schreiben ist für sie hinfort eine selbstverständliche Ausdrucksform, die sie selbstbewusst ausübt.

Ihr erster großer Romanerfolg ist 1808 Agathokles, ein historischer Roman aus der Römerzeit. Im Vorwort präzisiert sie ihre Absicht, mit diesem Roman Edward Gibbons Decline and Fall of the Roman Empire (1776) in einem wichtigen Punkt zu korrigieren – bei Gibbon sei das Christentum zu negativ, als Ursache des Endes des römischen Imperiums gezeichnet. Sie hingegen sehe im Christentum vor allem die Zukunftshoffnung, die sozialen Veränderungen, und möchte, ähnlich wie Chateaubriand, dessen Roman Les Martyrs von 1809 sie erst nach Beendigung ihres eigenen Werkes habe lesen können, diese positiven Seiten des Christentums unterstreichen. Hier spricht nicht nur eine gebildete Frau, die englische und französische Werke, Literatur und Wissenschaft, im Original sofort bei Erscheinen rezipiert, sondern auch eine Frau, die ohne Minderwertigkeitskomplexe Autoritäten kritisch hinterfragt, eigene Positionen bezieht und die sich selbst in eine Reihe mit Gibbon und Chateaubriand stellt – ein Selbstbewusstsein, das wir bei Schriftstellerinnen nach ihr lange vermissen werden. Ihre schriftstellerische Karriere ist spektakulär, zur Feier des Siegs über Napoleon bei der Völkerschlacht von Leipzig wird ihr Stück Germanicus am Burgtheater aufgeführt. Zwar ist sie heute primär durch ihre Memoiren, die als wichtige Quelle gelten, bekannt,9 aber ihr Werk, in 60 Bänden10 ediert, umfasst alle literarischen Gattungen, Drama, Gedichte, Erzählungen, häufig mit habsburgisch-historischem Sujet – sie gilt mit Hormayr als Begründerin von patriotischem Heldengedicht und vaterländischer (habsburgischer) Erzählung. Sie widmet sich auch aktuelleren Themen, so finden wir eine Indianergeschichte (Die Blutrache), Essays und Reisefeuilletons zeigen sie als Zeitgenossin der biedermeierlichen Entdeckung der Alpenlandschaft; aber auch auf den ersten Blick avantgardistisch anmutende Textproduktionsformen finden sich bei ihr: So ist die Erzählung Das Ideal im 37. Band der Werke die Lösung der Aufgabe, zu zehn vorgegebenen Wörtern eine Geschichte zu verfassen, eine Methode, die heute an die Wiener Gruppe erinnert, aber damals im gesellschaftlich-spielerischen Umgang mit Literatur, in der Tradition der Aufklärung, fundiert gewesen ist. Am wichtigsten sind jedoch die Romane mit historischem und/oder sozialkritischem Inhalt. Formal wählt sie häufig die Briefform (Frauenwürde), es gibt aber auch auktoriales Erzählen (Die Belagerung Wiens).

Pichler zeigt auffällige Parallelen mit ihren nördlichen Kolleginnen, mit den Romantikerinnen, die auch in ihrem Salon zu Gast waren: die Kombination von Salon und eigenem Schreiben, die politische Komponente dieses Schreibens, die Parallelität der Zeit um 1800. Doch in allen Darstellungen wird hervorgehoben, dass es sich bei Pichler um eine konservative, bei den Romantikerinnen hingegen um progressive und innovative Schriftstellerinnen handelt. Aber es ist notwendig, diese Pauschaletiketten zu differenzieren. Die Französische Revolution und ihre Folgen, vor allem Napoleon, haben auf der politischen Ebene diese Begriffe um 1800 kompliziert. Ähnlich wie die Romantiker – und die Romantikerinnen, mit der Ausnahme Bettina von Arnims – eine konservative Wende vollzogen haben, so findet sich auch bei Pichler ein allerdings weniger prononciertes Abweichen von den josephinischen Positionen ihres Elternhauses. Da die Wende der Romantiker in den Literaturgeschichten immer mit ihrer Faszination durch den und der Bekehrung zum Katholizismus und der Übersiedlung nach Wien parallelisiert wird, wird hier das Dispositiv progressiver, protestantischer und deutsch-nationaler Norden vs. konservatives, katholisches, habsburgisches, dem Reichsgedanken verpflichtetes Österreich installiert. Demzufolge kann Pichler, als Katholikin und Österreicherin, nur auf der konservativen Seite figurieren. Setzen wir allerdings zu dieser Zeit „Nationalismus“ – nicht zuletzt in Opposition zu Napoleons Eroberungen – als progressiv, so zeigt sich bei Pichler ein prononcierter Österreich-Nationalismus, den man nicht a priori und per se als konservativ einordnen kann. Pichler gilt als eine der „Erfinderinnen“ der nationalen Heldengedichte und Novellen, sie steht am Beginn des historischen Romans in Österreich. Ob die enge Bindung dieser Texte an die Habsburger lediglich als monarchisch, und eben nicht auch als österreich-national gesehen werden muss, ist eine offene Frage, vor allem, wenn man auch andere Komponenten, z. B. die kritische Haltung zur katholischen Kirche in ihren Texten, in Rechnung stellt.11

Auch in ihrer Haltung zu ihren Schriftsteller-Kolleginnen ist sie bemerkenswert. Zwar verkehren in ihrem Salon alle „Größen“ der Zeit, doch ihre Sommerfrische verbringt sie, ähnlich wie 50 Jahre später Ebner-Eschenbach mit Paoli und Ida Fleischl, häufig mit Maria von Zay und Therese von Arnter, beide zu ihrer Zeit geschätzte Lyrikerinnen. Sie korrespondiert mit Therese Huber, und auch die eingangs erwähnte Johanna Franul von Weissenthurn, die die Kombination von Schauspielerin und Dramatikerin repräsentiert, gehört zu ihrem Freundeskreis.

Österreichische Schriftstellerinnen 1800-2000

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