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Gesellschaftsromane

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Das Thema der gefährlichen Leidenschaft findet sich häufig bei Pichler, so auch in dem Roman Frauenwürde (1828). Die leidenschaftliche Liebe der Künstlerin Rosalie von Sarewsky zu Ludwig von Fahrnau gefährdet nicht nur dessen Familienglück, sondern auch das eigene Lebensglück Rosaliens – sie endet nach der sozialen und privaten Katastrophe durch Selbstmord12. Eleonore von Fahrnau, Ludwigs vernachlässigte Gattin, hingegen weiß die beginnende Leidenschaft zu Julius, einem Jugendfreund ihres Mannes, unter Kontrolle zu halten; der private Konflikt zwischen den Freunden Julius und Ludwig wird politisch, im vaterländischen Kampf gegen Napoleon, entschieden, in dem Julius stirbt, so dass Ludwig zu seiner Familie aufs Land zurückkehren kann.

Das Thema der gemäßigten Leidenschaft wird meist dem Biedermeier zugerechnet, und es passt in die Zeit, doch scheint es bei Pichler noch stark in der aufklärerischen Vernunft-Tradition zu stehen. Zum einen wird die Leidenschaftlichkeit keineswegs nur negativ geschildert, sowohl Zriny als auch Ludmilla aus der Belagerung von Wien wie auch Rosalie und Lothar aus Frauenwürde haben auch positive Eigenschaften, sie sind faszinierende Persönlichkeiten. Und es sind nicht nur Versagung und Bescheidung, die Katharina und Eleonore auszeichnen, sondern sie sind auch aktive, handelnde Frauen, die neben der Liebe noch durch andere Lebensinhalte bestimmt werden – das soziale Engagement (Krankenpflege, Hilfe im belagerten Wien) bei Katharina, die Kunst bei Eleonore (sie ist eine ausgezeichnete Malerin). Die isolierte Vernunft, wie sie Ida von O’Born in Frauenwürde verkörpert, die nur in Kategorien des sozialen Scheins denkt, wird viel negativer gezeichnet als die Leidenschaft.

Caroline Pichler kann also nach ihren Werken nicht eindeutig dem „konservativen Lager“ zugeordnet werden, eine Beobachtung, die sich auch durch ihren Freundeskreis bestätigen lässt. Sie ist noch stark den Idealen der österreichischen Aufklärung verpflichtet, teilt aber auch den vaterländischen Patriotismus der jüngeren Generation. Und ob ein Festhalten an den Aufklärungsidealen, die immerhin die Basis der Moderne und der Menschenrechte bilden, als Konservativismus abgetan werden kann, ist mehr als fragwürdig.

Pichlers Werke zeichnen sich sowohl durch sprachliche als auch durch kompositorische Reife aus, Merkmale, die, denkt man z. B. an einen der wenigen heute noch bekannten österreichischen Autoren aus dem 18. Jahrhundert, Johann Pezzl, keineswegs selbstverständlich sind. Mit Pichler hat die österreichische Literatur den Anschluss an die internationale Literatur gefunden. Dass sie heute kaum mehr bekannt ist und kaum mehr gelesen wird, ist ein Schicksal, das sie mit ihren männlichen Kollegen und Zeitgenossen wie Gottfried Wenzel Graf von Purgstall, Johannes Müller, Joseph von Hormayr und Joseph von Hammer teilt,13 die die Repräsentanten der österreichischen Literatur in dieser Zeit darstellen.

Österreichische Schriftstellerinnen 1800-2000

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