Читать книгу Lux und Umbra 2 - Silke M. Meyer - Страница 13
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Nimmer hat die Wut sich gut verteidigt.
William Shakespeare
Mason saß direkt neben dem Thron seines Vaters und blickte auf die geschundene Rose hinab. Sie hatte sich bisher allen Versuchen widersetzt, sie auf ihre Seite zu ziehen.
Nalar erhob sich und schritt gemächlich die wenigen Stufen nach unten, ging einmal um Rose herum und blieb dann vor ihr stehen. „Du wirst dich auf unsere Seite stellen oder sterben. Es ist deine Entscheidung, meine Liebe.“ Er sah über sie hinweg auf die anderen Frauen, die sich hinter Rose gestellt hatten und ihm so lange widerstehen würden, wie sie es tat. Ihre Entscheidung war wichtig, das wussten Vater und Sohn.
Rose richtete sich auf, sah ihm hasserfüllt in die Augen und sprach mit fester Stimme: „Dann tötet mich! Ich habe keine Angst zu sterben. Die Lichtseite wird siegen und das wisst Ihr sehr genau. Warum sonst wollt Ihr uns auf eurer Seite haben? Was können wir schon, was Ihr nicht selbst könnt? Nein, Ihr macht mir keine Angst. Tötet mich oder bringt mich zurück in den Kerker. Mich zum Umentscheiden zwingen zu wollen, ist Zeitverschwendung.“
Regungslos blickte Nalar in ihre Richtung. Sein Gesicht lief rot an, Rose konnte förmlich spüren, wie der Zorn in ihm hochkochte. Dann zog er sein Schwert aus der Scheide.
Rose schloss die Augen und wartete auf ihr Ende. Es geschah jedoch nichts. Seine Schritte entfernten sich von ihr, gingen um sie herum. Noch immer verharrte Rose reglos, mit geschlossenen Lidern, davon ausgehend, dass sein Schwert sie von hinten treffen würde.
„Sieh mich an!“ Nalars Stimme donnerte durch die Halle.
Vorsichtig drehte Rose sich in die Richtung, aus der sie ihn hörte, und öffnete erst dann ihre Augen. Nalar stand zwischen ihren Schwestern und wandelte von einer zur nächsten. Allesamt schauten sie zu ihr - bis auf Alma. Deren Körper zuckte verräterisch, ihr Blick war zu Boden gerichtet. Alma war seit jeher die Ängstlichste unter ihnen gewesen. Noch hatte Nalar es nicht entdeckt, und wenn doch, dann zeigte er es nicht. Höhnisch fuhr Nalar fort: „Du hast vielleicht keine Angst, aber gilt das auch für die anderen Weibsbilder hier? Was wäre, wenn ich jeden Tag eine von ihnen töte? Kannst du damit leben? Oder hilft dir ihre Rettung, dich zu entscheiden?“ Triumphierend wartete er auf ihre Antwort.
Rose durchschaute seinen Plan und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Was sollte sie tun? Konnte sie ihre Schwestern opfern?
Als Masons Stimme von hinten direkt an ihrem Ohr erklang, zuckte sie zusammen. „Opfere sie nicht. Das ist es nicht wert. Ihr seid seit Jahrhunderten zusammen. Willst du sie alle verlieren? Du hast mir all die Jahre gut gedient. Warum soll es jetzt anders sein? Gib dir einen Ruck und niemand wird sterben.“
Roses Blick wurde unscharf. Nicht jetzt! Nicht weinen! Mit einer schnellen Bewegung wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen. Ihre Stimme zitterte, als sie antwortete: „Niemand wird sterben? Was sind wir neun gegen all die anderen, die wir verraten würden? Ihr werdet trotzdem töten. Ganz egal, wen, aber ihr tötet die Falschen!“
Mit einem Schnaufen entfernte sich Mason von ihr, öffnete ein Fenster und drehte sich ein letztes Mal zu ihr um. „Dann verantworte alles, was nun folgen wird. Und bevor wir dich töten, wirst du dabei zusehen, wie Sephora durch meine Magie ihr Leben endgültig aushaucht. Das verspreche ich!“
Ein Raunen ging durch die Reihen der Frauen. Nalar lächelte zufrieden und machte sich durch ein Räuspern bemerkbar. „Du hast also entschieden, dass eine von ihnen sterben wird?“ Selbstgefällig deutete er mit seinem Schwert über die Köpfe der Schwestern hinweg.
Rose war kaum fähig zu atmen, ihre Stimme inzwischen brüchig: „Ich habe entschieden, dass ich der Lichtseite treu bleibe. Was Ihr daraus macht, ist einzig und allein Eure Wahl.“
Eine der Schwestern hob ihren Kopf und sprach mit deutlich festerer Stimme als Rose: „Es ist egal. Du wirst dich nicht der Finsternis beugen. Ich stehe zu dir. Dann soll er mich auch töten.“ Ihren Rücken noch ein wenig mehr durchstreckend fügte sie hinzu: „Für Sephora!“ Eine nach der anderen Schwester richtete sich auf. Zwar knieten sie nach wie vor am Boden, jedoch in ehrbarer Haltung. Bei jedem Aufrichten murmelte die Betreffende: „Für Sephora!“
Eine winzige Lichtkugel schoss an Masons Gesicht vorbei in den Saal hinein. Alle konnten sie sehen - alle bis auf Alma, die noch immer zusammengekauert am Boden kniete. Ganz gezielt flog die Kugel direkt zu ihr und schmiegte sich einen winzigen Moment an sie. Dann schwebte sie genau in die Mitte des Raumes.
Nalar richtete seine Hände zornig auf den leuchtenden Ball. Dunkle Schwaden schossen direkt in das Leuchtobjekt hinein. Die Kugel stand einfach in der Luft, zitterte kurz, begann zu flackern, bevor sie ein letztes Mal hell aufleuchtete, zu Boden sank und dort verglühte. Übrig blieb ein schwarzer Schatten, der wenige Sekunden später ebenfalls verschwand.
Alle Anwesenden starrten auf die Stelle am Fußboden. Niemand bemerkte die kleine zierliche Alma, die sich langsam auf ihre Füße rappelte, bis sie aufrecht stand. Sie musste all ihren Mut zusammennehmen, ihr Atem ging schwer. Trotzdem schaffte sie es, laut und klar zu sprechen: „Für Charlotte und Sephora!“
Mit einem bestialischen Schrei drehte sich der dunkle König mit erhobenem Schwert zu ihr herum und schlug mit immenser Wucht zu. Almas Kopf flog im hohen Bogen durch den Raum, bis er mit einem dumpfen Geräusch aufschlug. Das Blut spritzte an die Kleidung der verbleibenden Schwestern. Eine Blutspur nach sich ziehend, rollte er durch den Raum. Vor Roses Füßen kam der Kopf zum Liegen. Die leblosen Augen ihrer Schwester starrten zu ihr hoch. Rose schloss die Lider, Tränen liefen ihr über das Gesicht. Die anderen Frauen taten es ihr gleich.
„Das war Nummer eins. Du hast Zeit bis morgen Mittag, Rose. Sonst ist die Nächste deiner Schwestern dran.“ Nalars Gesicht verzog sich zu einer Fratze, er machte eine Handbewegung.
Die Masamas zerrten die Frauen brutal aus dem Raum.
Bevor Nalar zu seinem Sohn ans Fenster ging, gab er den verbliebenen Wachen im Raum den Befehl: „Räumt den Körper weg. Den Kopf spießt auf und postiert ihn so vor die Kerkerräume, dass alle ihn sehen können. Lasst sie das Antlitz ihrer Schwester nicht vergessen.“