Читать книгу Lux und Umbra 2 - Silke M. Meyer - Страница 17
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Durch Flucht gerät man mitten ins Verderben.
Titus Livius
„Herr, wir haben in der neuen Welt einen magischen Schein entdeckt“, sagte der Masama, während er den Thronsaal betrat und seinen Oberkörper fast bis auf den Boden neigte. Trotz der guten Nachricht, die er gerade übermittelt hatte, war es geraten, so lange Demut zu zeigen, bis Nalar ihm erlaubte, sich aufzurichten.
Der dunkle König setzte sich interessiert auf. „Schaut mich an!“, forderte er. Seine Stimme donnerte durch den Saal, strahlte jedoch Freude aus.
Der Masama hob den Kopf und sah seinem König fest ins Gesicht. Die Augäpfel des Kriegers zuckten aufgeregt in ihren Höhlen, verrieten seinem Herrn, dass es noch mehr gab, wovon er berichten wollte. Nalar erhob sich und ging auf den Masama zu.
„Wo?“
„Italien, mein Herr. Allerdings nicht in unserer Zeit. Es war nur ein Aufflackern und sehr schwach, aber es war ein magischer Impuls jener Art, den nur die Geburt einer neuen Königin auslöst.“
„Die Geburt? Du meinst, den Moment, in dem sich die Magie in ihr freisetzt, nicht die Geburt eines Babys?“
„Ja Meister. Es geschah so viel gleichzeitig heute Morgen.“
„Was noch?“
„Unsere Späher drangen in die neue Welt ein, ganz ohne die üblichen Schmerzen dabei zu empfinden. Zwei von den Wachen konnten ihnen folgen. Die Grenze scheint aufzuweichen. Die beiden Masama, die in die neue Welt gelangten, konnten nicht lange bleiben, wurden schon nach wenigen Minuten zurückgezwungen, bevor der Schmerz sie töten konnte, aber die Späher blieben. Sie sind noch immer drüben.“
„Interessant“, murmelte Nalar. „Sehr interessant.“ Ein hämisches Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus, als Mason zu ihm trat.
„Was bedeutet das, Vater? Wieso ist das möglich?“
Der Dunkle König sah seinen Sohn nachdenklich an. „Das vermag eigentlich nur die Dreiheit. Mathis muss also einen Entschluss gefasst haben. Er ist mindestens dir wohlgesonnen. Anders kann ich es mir nicht erklären. Ich beginne meinen Enkel wirklich zu mögen.“ Nalar marschierte zum Fenster und blickte auf Sephoras Lichtstrahl. „Wie spät ist es?“
„Es wird gleich sechs sein, Vater. Warum?“
„Sieh selbst!“ Nalar deutete aus dem Fenster und das Lächeln in seinem Gesicht wurde breiter.
Mason schaute in die gewiesene Richtung. Sephoras Lichtstrahl bebte, verlor seinen Glanz immer wieder, wirkte instabil, als würde seine Basis erschüttert werden. „Ich verstehe das nicht. Bitte erklär es mir!“, bat Mason.
„Du wirst es bald merken. Welch guter Tag!“ Nalar drehte sich zu dem Masama herum, der noch immer abwartend in der Mitte des Thronsaales stand. „Bringt mir eine der Schwestern des Lichts. Irgendeine. Wascht sie und seid nicht zimperlich. Ich werde mich in meine Gemächer zurückziehen und noch ein wenig ruhen. Uns erwartet Großes die nächsten Tage, etwas, womit Sephora nicht gerechnet hat. Das ist es wert zu feiern und mir ist nach einem Lichtweib. Lasst ihre Kleidung gleich weg, die braucht sie nicht.“ Beschwingt, beinah hüpfend, begab sich Nalar in seine Schlafräume.
Mason starrte weiter aus dem Fenster, suchte nach einer Erklärung für die gute Laune seines Vaters und wurde erst aus seinen Grübeleien gerissen, als eine der Lichtschwestern wimmernd durch den Thronsaal gezerrt wurde. Mason drehte sich um, sein Blick traf den der Frau, die ihn flehend ansah. Mason drehte sich weg. Er verfolgte denselben Plan, wie sein Vater, er hielt die Schwestern nur dann für nützlich, wenn sie auf seiner Seite standen, doch er teilte die Leidenschaft seines Vaters nicht, sich an unschuldigen Frauen zu vergehen. Ihm wurde übel, wenn er darüber nachdachte, was der jungen Frau nun bevorstand, doch er konnte ihr nicht helfen. Glücklicherweise war ihr Widerstand schwach, der Masama zerrte sie eilig durch den Saal und klopfte vorsichtig an das Schlafgemach des dunklen Königs. Als die Tür sich hinter der Frau schloss, klangen zunächst nur gedämpfte Laute an Masons Ohren, doch er wusste, dass das nicht lange so bleiben würde. Deshalb verließ auch er den Thronsaal und begab sich in den schneebedeckten Garten. Ziellos lief er die Wege entlang, schaute immer wieder zum flackernden Lichtstrahl Sephoras und grübelte über das nach, was sein Vater bezüglich Mathis gesagt hatte.
*
Benedicta hämmerte wie wild gegen Mathis Zimmertür, doch auch jetzt, zwanzig Minuten später, regte sich nichts im Raum. Als einer der Wachen den Flur betrat und sie missbilligend anblickte, war Benedicta den Tränen nahe.
„Kann ich Euch helfen?“, fragte der Wachmann ernst.
„Bekommt Ihr die Tür auf? Mathis rührt sich nicht und ich sehe ihn auch nicht durch das Schlüsselloch. Er war nicht in der Küche und nicht bei Sephora. Die Bibliothek ist ebenfalls leer ...“
„Ja“, unterbrach sie der weißhaarige Mann. „Wartet einen Moment!“
Benedicta trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, während sie darauf wartete, dass er wiederkam. Nach nicht endenden Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, kam er zurück. In der Hand hielt er einen einzelnen Schlüssel. Wortlos öffnete er die Tür.
Benedicta stürmte hinein. Mathis Bett war leer, doch das hatte sie schon durchs Schlüsselloch erspäht. Sie rannte in das angrenzende Badezimmer, das sie ebenfalls leer vorfand. Benedicta riss den Schrank auf und stieß einen kleinen Schrei aus. Mathis Kleidung fehlte fast vollständig, von seinem Rucksack war nichts zu sehen. Auch unter dem Bett herrschte gähnende Leere. Da begriff Benedicta, sprang hoch und stieß die Wache unwirsch zur Seite. So schnell sie konnte, lief sie in den Saal zu Sephora. Mit einem lauten Krachen stieß sie die beiden Flügeltüren auf.
Sephora saß am Frühstückstisch und zuckte zusammen, als Benedicta förmlich in die Halle flog.
„Er ist weg“, schrie das Mädchen aufgelöst. Tränen der Verzweiflung liefen ihre Wangen hinab. Sie bemerkte den Wachmann nicht, der ihr gefolgt war und nun unschlüssig im Türrahmen stehen blieb.
„Warte!“ Sephora bekam Benedictas Arm zu fassen. „Wer ist weg?“
„Mathis“, keuchte Benedicta. „Er muss heute Nacht weggelaufen sein. Ich habe ihn überall gesucht, aber nicht gefunden. In seinem Zimmer ist er nicht, aber seine Sachen fehlen.“
Sephoras Augen weiteten sich. Mit einem Handzeichen befahl sie der Wache, zu ihr zu kommen. „Sucht das gesamte Gelände ab. Dreht jeden Stein um und verstärkt die Wachen. Er darf nicht hier herauskommen.“
Der Wachposten eilte aus dem Zimmer. Sephora erhob sich. Unruhig murmelte sie vor sich hin: „Was heckt der Bengel nur aus?“
„Er wird versuchen, seine Mutter zu finden. Oder ...“ Benedicta erstarrte. „... oder er geht zu seinem Vater. Er war so zornig auf uns, wollte nicht glauben, was wir ihm gesagt haben.“ Die letzten Worte flüsterte Benedicta nur noch.
Sephora umklammerte die Tischkante, ihr Gesicht verlor jegliche Farbe und sie sackte auf einem der Stühle zusammen. Die Lichtkugeln im Becken bebten, erzitterten und beendeten ihren Tanz. Es wurde dunkler im Zimmer, so als würden sie ihren Glanz verlieren. Sephora rang um Fassung. „Du hast Recht“, hauchte sie. „Er wird zu Mason wollen. Doch der ist bei ...“
„... beim Dunklen König“, vollendete Benedicta den Satz.
„Wenn er das tut, wird die Dreiheit hergestellt und die Magie, die die neue Welt von unserer trennt, die verhindert, dass Nalars Schergen über die Menschen herfallen, wird schwächer werden, bis sie versagt.“
„Das darf nicht passieren.“ Benedicts Hand flog vor ihren Mund. Voller Angst blickte sie die alte Frau an. „Sephora, was können wir tun?“
„Ich weiß es nicht. Aber er kann unmöglich bereits aus dem Palast entkommen sein. Wir suchen ihn. Komm!“
Sephora ergriff Benedictas Hand und zog sie aus der Halle. Einige der Lichtkugeln lösten sich und folgten den beiden Frauen. Der Strahl, der frohe Kunde verbreiten sollte, wirkte nun noch blasser, erzitterte erneut und brach schließlich mehrmals für wenige Sekunden zusammen.
Im Gelände liefen Liwanaganer und Wachen durcheinander und suchten in jedem Haus, jedem Busch und jedem Winkel. Sephora trat an das Tor. „Öffnet!“, befahl sie.
Gähnend langsam wurde das metallene Gitter nach oben gezogen. Benedicta konnte nicht abwarten und huschte bereits darunter durch, als es erst wenige Zentimeter über dem Boden schwebte. Sephora tat es ihr gleich, rief währenddessen bereits den nächsten Liwanaganer den Befehl zu, dass er das Falltor herunterlassen sollte. Auf dem Rasen vor dem Wassergraben liefen sie die Mauer entlang. Sephoras Augen waren fest auf den Boden gerichtet, suchten nach Spuren. Benedicta schaute sich um und gab einen erstickten Laut von sich, als sie Sephora am Kleid festhielt. Stumm zeigte das Mädchen auf das gegenüberliegende Ufer. Sephora kniff die Augen zusammen, als sie Benedictas Weisung folgte und auf die Baumgruppe starrte. Am Fuß eines Baumes lag ein Seil. „Lasst die Zugbrücke hinunter. Ich muss an das andere Ufer“, rief sie der Wache auf der Mauer zu, die den Befehl sofort nach unten weitergab. Als die Frauen an der Brücke ankamen, war sie bereit. Benedicta lief vor, und als Sephora die Bäume erreichte, kniete das Mädchen bereits am Boden. In ihren Händen hielt sie ein Seil und eines der Brotbretter aus dem Palast.
„Es ist nass“, sagte sie tonlos.
„Er ist hier rüber geschwommen. Aber wie kam er überhaupt raus?“ Sephora richtete sich auf, schaute in Richtung der dunklen Burg. „Mathis“, seufzte sie.