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4. Themenfelder der Kulturgeschichte

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In Verbindung mit oder quer zu den eben genannten Teilgebieten gegenwärtiger Kulturgeschichte stehen des Weiteren bestimmte, aus wichtigen Problemkonstellationen und Problemen erwachsene Themenfelder, die hier ebenfalls in einem ersten Durchgang vorgestellt werden sollen.

Identität und Alterität

Häufig noch stark von sozialwissenschaftlichen Problemperspektiven her konzeptualisiert, ist in diesem Rahmen zunächst der Komplex von Identität und Alterität zu nennen. Die Vorstellung, dass Individuen wie Gruppen über Unverwechselbarkeit gegenüber anderen verfügten, ein Recht auf diese Besonderheit hätten und sich aus diesen Voraussetzungen ein Anspruch auf Gleichstellung und Gleichheit aller Individuen und Gruppen ableiten lasse, ist eigentlich ein zentrales Element europäisch-bürgerlichen Denkens seit der ausgehenden Aufklärung. Die weitere Annahme, dass nur unbeschädigte, stabile und kontinuierliche Identität Soziabilität und einen als befriedigend empfundenen Lebensvollzug garantiere, entstammt der Philosophie, Gesellschaftstheorie, Anthropologie und Psychologie des 19. und 20. Jahrhunderts. Während diese Ansätze implizieren oder direkt postulieren, dass Identität grundsätzlich erreichbar, ja ihre Erreichung in einem bestimmten Zeitraum und ihre Beibehaltung auf Dauer sogar notwendig sei, rückt in der kulturhistorischen Betrachtung in den Vordergrund, dass einerseits jegliche Identität anhaltend, gegebenenfalls auch wechselhaft konstruktiv erzeugt wird, andererseits aber auch relational ist, also aus dem Umgang mit Alterität, dem Vergleich, gewonnen wird. Identität ist kulturhistorisch mithin dynamisch und pluralistisch zu konzeptualisieren, und, nachdem Alterität sich erst in der Wahrnehmung aus der Identität konstruiert statt ,objektiv‘ vorgegeben zu sein, sind Identität und Alterität als vielschichtige, in ihren jeweils zugeschriebenen Merkmalen zu differenzierende Beziehungsgrößen aufzufassen. Das Spektrum der Fragen, Untersuchungsdimensionen, Quellen und Methoden, das sich an dieser Stelle ergibt, lässt sich im vorliegenden Rahmen nicht weiter ausführen (9; 30; 67; 86).

Familie

Dass zu den wichtigsten Agenten der Produktion von Identität und Alterität die Gemeinschaft von Mutter, Vater und Kindern beziehungsweise im weiteren Sinne jede Gemeinschaft von Erwachsenen und Kindern, also die Familie, zählt, ist eine Binsenweisheit. Aber die kulturhistorische Familienforschung erschöpft sich keineswegs in diesem Interesse. Vielmehr hat sie die herkömmliche soziologische Familienwissenschaft vor allem deshalb weitgehend abgelöst, weil sie nicht nur die Fülle der Familienformen des Menschen zurückgewinnt und diesen Formen ihren gebührenden Eigenwert zukommen lässt, sondern auch die jeweiligen Rollen innerhalb der Familie als komplex konstruiert und deshalb auch als veränderlich ausweist und zugleich zeigt, dass familiäre Praktiken (von der Steuerung der Kinderzahl bis zum Erziehungsprofil) keineswegs nur biologisch arterhaltend oder ökonomisch-sozial bedingt, sondern auch das Ergebnis genuin kultureller Determinanten und Kriterien sind. Darüber hinaus ist sie mit erstaunlichen Ergebnissen dabei, familiäre Muster und Semantiken als Konstruktions- und Orientierungselemente selbst modernster Gesellschaften und Gemeinschaften nachzuweisen. An dieser Stelle ergeben sich damit Indizien für die Annahme, dass europäisch-emanzipatorische Deutungen wie diejenige einer europäisch-westlichen oder gar universalhistorischen Entwicklung hin zu Individualität und zu pluralistischen Gesellschaften sich selbst bestimmender, freier Individuen eher Ideologien sind (25; 42; 51; 62; 90).

Generation

Ähnliche Erkenntnisse vermittelt die kulturhistorische Generationenforschung. Eine Alterskohorte wird nicht einfach durch ein Geburtsjahr oder einen Geburtszeitraum gestiftet und durch gemeinsame historisch-gesellschaftliche Prägungen erzeugt, sondern die Vermittlung derartiger Prägungen an keineswegs unbedingt gleichaltrige Gruppen ist ein hoch komplexer und vielfach durchaus selektiver Prozess, in dem parallel zum allgemeinen historischen Wandel unterschiedliche generationsproduzierende Erfahrungen zum Tragen kommen können. Eine wichtige Teildebatte befasst sich beispielsweise mit der Frage, ob Massenmedien Generationen hervorzubringen vermögen. Das Problem, inwieweit Generation wie die Altersstufen Jugend, Erwachsensein und Alter ein soziokulturelles, nicht von der biologischen Entwicklung bestimmtes Konstrukt ist, bringt ganz grundsätzliche Herausforderungen mit sich (79; 87; 100).

Rasse, Klasse und Nation

Zu den nach wie vor meist diskutierten Bezugsgrößen von Identität und Alterität beziehungsweise der Inklusions- und Exklusionsprozesse, die zu Gruppenbildungen führen, zählen Rasse, Klasse und Nation. Das einschlägige Schlüsselwerk von Etienne Balibar und Immanuel Wallerstein (3), das zu einer Vielzahl einschlägiger kulturhistorischer Studien beitrug, arbeitete zunächst den Tatbestand heraus, dass Identitäten lediglich ambivalent, keineswegs aber, wie von den jeweiligen Anhängern dieser Konstruktionen behauptet, eindeutig und fest sind. Darüber hinaus machte es deutlich, dass keines dieser Kollektive aus wie immer gearteten, vorgegebenen objektiven, zum Beispiel biologischen Sachverhalten ableitbar ist, sondern dass sie eigentlich Erfindungen sind, die aus bestimmbaren symbolischen und kulturellen Praktiken hervorgehen. So ergibt sich beispielsweise aus dem Befund ähnlicher oder gleicher Hautfarbe, der im Übrigen bereits aus komplexen Prozessen der Wahrnehmungen und Bedeutungszuschreibungen resultiert, wie Walter Demel am Beispiel der Chinesen klar gemacht hat (18), keineswegs eine ,natürliche‘ Zuneigung oder Anlage zum sozialen Zusammenschluss, dem die Individuen letztlich kaum widerstehen könnten, sondern derartige Bedürfnisse und Zusammengehörigkeitsgefühle sind Ergebnis konkreter, benennbarer historischer Umstände – zum Beispiel von starkem Außendruck – und des Verhaltens bestimmter Eliten (17; 48). Auch der essentialistisch-ontologische Nationsbegriff erscheint vor diesem Hintergrund unhaltbar und muss durch Varianten der Nation als vorgestellter Gemeinschaft (imagined community) ersetzt werden (2).

Eliten- und Volkskultur

Eine etwas andere Problemlage ergibt sich im Hinblick auf die Erforschung der sozialen Klassen beziehungsweise der ,Klassengesellschaft‘ unter kulturhistorischen Gesichtspunkten. Hier wird kritisch die Prämisse hinterfragt, dass aus gleichen oder ähnlichen ökonomisch-sozialen Verhältnissen notwendig gleiche Interessen- und Bewusstseinslagen erwüchsen, aus deren Explikation sich wiederum gleiche politische Bestrebungen ableiten ließen. Nach Pierre Bourdieu kann demgegenüber höchstens von Komplexen spezifischer Auffassungs- und Praxisdispositionen (Habitus) ausgegangen werden, die sich zudem noch dadurch verkomplizieren, dass unterschiedliche Kapitalsorten (Klassenkonstitutionsmerkmale) unterschieden werden müssen (7; 8). Die jüngsten Studien hierzu zeigen, dass die Bandbreite individueller und kollektiver Reaktion und Verarbeitung gegebener sozioökonomischer Umstände erheblich vielfältiger ist und damit auch das Konstrukt ,Klasse‘ als objektive Größe nicht länger haltbar erscheint (24).

Eine weitere gesellschaftsintern ansetzende Differenzierung zwischen kulturellen Kollektivgrößen, nämlich diejenige zwischen Eliten und Volkskultur, scheint derzeit in eine Phase der Besinnung geraten zu sein. Ursprünglich hatte sie ihren Ausgang im romantischen bis völkischen Ideenhorizont genommen und war mit entsprechenden Wertungen verbunden gewesen. In der Volkskultur meinte man noch unverfälscht erhaltene, den dekadenten Überformungen der Elitenkultur vorzuziehende Werte und Praktiken vorfinden zu können. Im Einzugsgebiet des Marxismus und Sozialismus wurde diese Wertvorstellung vielfach auf die Kultur der Arbeiterklasse übertragen. Aber naturgemäß gab es auch Plädoyers zugunsten der Elitenkultur, von der aus und mittels deren Durchsetzung ein Staat oder eine Nation erzeugt werden könne beziehungsweise müsse. In der neueren, schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einsetzenden Forschung wurde hingegen herausgearbeitet, dass nicht nur die Vorstellung eines kulturellen Austauschs lediglich von oben nach unten oder von unten nach oben unhaltbar ist, sondern auch die Unterscheidung von Eliten- und Volkskultur als solche auf äußerst wackligen Füßen steht (12, S. 43–47). Zumindest die Auffassung, dass eine klare Trennungslinie zwischen derartigen Kulturformationen gezogen werden könne, müsse – so Peter Burke – zugunsten einer Betrachtung ersetzt werden, die von zwei Polen ausgeht, aber gerade auch die Beziehungs- und Übergangszonen in den Blick nehme. Andere Kulturhistoriker plädieren sogar dafür, diese Unterscheidung vollständig aufzugeben, was indessen dazu führen würde, dass auch die jeweiligen Wechselwirkungen nicht mehr klar zu fassen wären. Wieder andere Lösungen zielen dahin, verschiedene Schichtungen oder Komplexe von Hoch- oder mainstream-Kulturen von Subkulturen zu unterscheiden, wodurch zumindest den Gegebenheiten der modernen (und postmodernen) Massengesellschaften Rechnung getragen wird (31; 56; 89). In jedem Fall konnte mittlerweile nachgewiesen werden, dass die Zuweisung von Vor-oder Irrationalität etwa in Gestalt von Aberglauben an die Volkskultur, der eine aufgeklärte rationale und insofern moderne Elitenkultur gegenüberstehe, kaum haltbar ist (36).

Gedächtnis und Erinnerung

Demgegenüber noch in voller Entfaltung begriffen ist der neue kulturhistorische Ansatz des kollektiven Gedächtnisses beziehungsweise der Erinnerung. Letztlich handelt es sich dabei um ein Alternativkonzept zu demjenigen der traditionellen Geschichte im doppelten Sinne. Gemeint ist die Gesamtheit der Formen und Inhalte der Erinnerung, welche Gesellschaften in einem Prozess vor allem medialer Traditionsstiftung erarbeiten, um mit diesem Wissensbestand bestimmte kollektive und individuelle Bedürfnisse befriedigen zu können. Wissenschaftliche Geschichtsbefassung stellt hierin nur eine Form der Gedächtnisstiftung dar und kann in dieser oder jener Weise sogar bestimmten Bedürfnissen entgegenstehen, nämlich etwa dem nach der Bewahrung bestimmter historischer Vorstellungen zwecks Bewältigung aktueller Herausforderungen oder demjenigen nach dem Vergessen bestimmter, als hinderlich empfundener Tatbestände. Gefragt wird in diesem Rahmen nach den Voraussetzungen, Erscheinungsformen, Funktionsweisen und Wirkungen gesamtgesellschaftlicher und gruppenspezifischer Gedächtnisse, welche Texte oder Objekte welchen Stellenwert in diesem Zusammenhang einnehmen, welche Rolle z. B. den modernen Massenmedien zukommt, wie Belletristik und Historiografie wechselweise und zusammengenommen wirken, wie die Speicherung, die Zirkulation und der Abruf historischen Wissens in den verschiedenen Kontexten zustande kommen, aber auch, auf welchen biologischen (neuronalen) Voraussetzungen historische Gedächtnisbildung beruht, und so weiter. Das neueste Handbuch dazu von Astrid Erll diskutiert des Weiteren den Stellenwert von Rhetorik und Narration und weist auf die vielfältigen Formen konkurrierender Erinnerung hin, woraus sich wiederum eine möglicherweise eher begrenzte Befähigung des historischen Gedächtnisses zur historischen kollektiven Identitätsstiftung im oben diskutierten Sinne ergibt (27). Nichtsdestoweniger ist hier ein höchst blühendes Teilgebiet der Kulturgeschichte entstanden. Neueste Studien untersuchen die Medien des kollektiven Gedächtnisses und rücken auf die Weise an das kommunikations- und mediengeschichtliche Teilgebiet heran (26; 101; 103). Ein Seitenzweig befasst sich mit dem Familiengedächtnis, mit entsprechender Bedeutung für die kulturhistorische Familienforschung (102). Besonders faszinierend erscheint ferner die Analyse alltäglicher historischer Gedächtnisbildung zum Beispiel im jeweiligen Wohnstadtteil (80) einerseits und die ,nationale‘ historische Gedächtnisbildung in prekären Gesellschaften wie zum Beispiel der israelischen (105) andererseits.

Zivilisationsprozess und Universalgeschichte

In Folge der verbreiteten Ablehnung struktureller, das heißt nicht akteursbezogener, sowie makro-, also nicht mikroperspektivierter kulturhistorischer Geschichtsbetrachtung ist derzeit das in den Anfängen der Kulturgeschichte stark gepflegte Teilgebiet der Erforschung des Zivilisationsprozesses beziehungsweise des kulturellen ,Fortschritts‘, also letztlich der Universalgeschichte, etwas ins Abseits geraten. Aber methodische und theoretische Vorbehalte waren noch nie in der Lage, ein nachhaltiges historisches Erkenntnisbedürfnis stillzulegen. Und vor allem der Tatbestand, dass die ökologische Problematik die Existenzfrage der Menschheit in völlig neuartiger Weise und härtester Konsequenz stellt, kann auch die Kulturgeschichte keineswegs unberührt lassen. Vielmehr ist gerade sie aufgerufen, sich an der Herausarbeitung der Historizität und deshalb auch Veränderbarkeit der industriellen Kultur, am Erweis historisch möglicher Alternativen sowie an der Sicherung multipler kultureller Lösungen zu beteiligen. Mehr noch, durch ihre Fähigkeit, menschliches Verhalten auf eine Vielzahl von Bedingungen zurückzuführen und zugleich nachzuweisen, dass es offen ist, also keinerlei durchgehender Erzwingungslogik folgt (siehe unten Kapitel I. 5.), fällt ihr geradezu eine Schlüsselrolle zu. Die Herausforderung der pessimistischen, eurozentristischen, kulturphilosophischen oder in der Selbstbezeichnung kulturmorphologischen Weltgeschichtsdarstellung Oswald Spenglers (Der Untergang des Abendlandes, 1918/22) (94) ist noch keineswegs abgearbeitet (32). In seinen Spuren wandelt heute Samuel Huntington, einer der umstrittensten Autoren, von dessen Hauptwerk gleichwohl starke kulturhistorische Impulse ausgehen (49). Einen anderen, zumindest partiell kulturhistorischen Ansatz verfolgt eine jüngere Geschichte der europäischen Expansion, die faktisch eine Weltgeschichte ist, nämlich diejenige von Wolfgang Reinhard (74). Sie beobachtet insbesondere die Prozesse des Austauschs, die zwischen der alten Welt und den von dieser alten für sich entdeckten neuen Welten stattfanden. Obwohl es auch an materialistisch-evolutionistischen Weltentwicklungsmodellen nicht fehlt, tritt zunehmend die kulturelle Perspektive, die selbstverständlich auch Regression und überhaupt Alternativität und Pluralität zulässt, in den Vordergrund (vgl. beispielsweise 61; 70). Als Paradigma für diese Probleme einer kulturhistorischen Weltgeschichte darf die Auseinandersetzung um die ,Theorie‘ des Zivilisationsprozesses im engeren Sinne, also um die Annahme eines Humanitäts- beziehungsweise Zivilisierungsprozesses im frühneuzeitlichen Europa, zwischen Norbert Elias und Hans-Peter Duerr, gelten (44).

Kulturimperialismus und Dritte Welt

Eine welthistorische Langzeitperspektive ist mit dem kulturhistorischen Teilgebiet der Erforschung des europäischen Kulturimperialismus und der ,Produktion‘ der Dritten Welt nur noch in abgeschwächter Weise verbunden. Vielmehr stehen die vorwiegend, aber nicht ausschließlich den colonial und post-colonial studies und den Beiträgen kritischer Dritte-Welt-Autoren entnommenen ungleichen beziehungsweise imperialistischen Einflüsse und Austauschprozesse nebst deren unmittelbaren Auswirkungen im Vordergrund. Obwohl längst klar sein sollte, dass der Aufstieg des Westens beziehungsweise Europas keineswegs geradlinig aus dem Abstieg beziehungsweise der Ausbeutung der Dritten Welt und deren Abhängigkeit abgeleitet werden kann (75; vgl. auch 16), ist unbestreitbar, dass der europäischwestliche Zugriff auf Außereuropa mit wesentlichen kulturellen Veränderungen verbunden war, die in der Summe zumindest als Beendigung des je eigenen Entwicklungswegs und daher, vor aller inhaltlichen Qualifizierung, als negativ gewertet werden müssen oder können. Um welche Veränderungen es sich hierbei handelt, wie sie zustande kamen, in welcher Weise mit ihnen Beschädigungen von Mentalitäten, Identitäten und Handlungsorientierungen einhergingen, die letztlich auf eine psychische Deformation mit der Konsequenz dauerhafter Entfremdung hinauslaufen, wodurch neues, Engagement erlaubendes Selbstbewusstsein unmöglich wird, oder ob und gegebenenfalls wann eigene, von der kolonialen Anfangsbestimmung bereits unabhängige und damit in die eigene Verantwortung fallende Entwicklungen und Tendenzen Platz griffen, die trotzdem zu ähnlicher Deformation beitrugen – diese analytisch und methodisch sehr schwer zu fassenden, gleichwohl kulturhistorisch höchst relevanten Fragen bestimmen dieses weit gefächerte Themengebiet, dessen Schwerpunkt angesichts des Bruchs in der kolonialen Vergangenheit Deutschlands allerdings im außerdeutschen Bereich liegt (1; 41; 92).

Amerikanisierung

Keineswegs außerhalb dieses sowie des zivilisations- und universalhistorischen Teilgebiets liegt schließlich das Teilgebiet der Erforschung der Amerikanisierung. Unter diesem Begriff wird die kulturelle Beeinflussung und gegebenenfalls Durchdringung sowie Neuausrichtung nicht-US-amerikanischer Kulturen durch die Groß-, dann Supermacht USA verstanden, die bereits um 1900, mit dem Aufstieg der USA zur Weltmacht, einsetzten. Zunächst von nationalkonservativen und marxistisch-kommunistischen US-kritischen oder sogar antiamerikanischen Impulsen getragen, hat sich die Amerikanisierungsforschung seit den 1970er Jahren erheblich differenziert und ist zumindest in Teilen weniger ideologisch, sondern stärker empirisch-kritisch geworden. Untersucht werden mittlerweile nicht nur die Träger, Formen und Wirkungen US-amerikanischer Jugend- und Massenkultur (96; 57), sondern auch die Amerikanisierung der Medien (104) und der Wirtschaft (34). Dazu zu rechnen wären Formen der Produktion (etwa die Einführung von Rationalisierungstechniken wie dem Taylorismus und Fordismus), Praktiken des Marketing, die Organisation des Rechnungswesens und der Börse. Weiterhin untersucht wird der Transfer kultureller Güter im älteren Sinne, also von Musik, Literatur, Ideen von Demokratie, Individualität, Freiheit, und so weiter (23). Besonders in den mittel- und südamerikanischen Staaten, die von entsprechenden Vorgängen unmittelbar betroffen sind, ist diese Forschung, vielfach unter sehr kritischen Vorzeichen, stark entwickelt (vgl. z. B. 15). Aber auch für Israel sind entsprechende Studien durchgeführt worden (91), während die in gewisser Weise spürbare Zurückhaltung in Deutschland wahrscheinlich nicht nur aus dem besonderen Verhältnis zu den USA, sondern auch in der Parallelität bestimmter kultureller Vorgänge begründet ist (50). Im Hintergrund steht die Annahme, dass Amerikanisierung zu einem erheblichen Teil mit Modernisierung identisch sei, das heißt weniger aus US-amerikanischer Beeinflussung als aus der Logik industriegesellschaftlicher Entwicklung entstehe.

Grundfragen der Kulturgeschichte

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