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4. Kapitel

Smuts’ Geheimkammer war wirklich der Hammer. Der Raum erstreckte sich unter der gesamten Schrebergarten­par­zelle. Die Betonwände waren mit gepanzerten Spezial­schrän­­ken vollgestellt, hinter deren Türen sich kugelsiche­re Körperrüstungen, Überwachungskameras, Wanzen, Peil­­sender, Magnetfeld-Granaten, Kampfstäbe und die un­­ter­schiedlichsten Waffensysteme befanden. Fenja pfiff durch die Zähne und musterte Schultergurte mit matt schim­mernden Wurfscheiben. Daneben versammelte ein Bü­­cher­regal so ziemlich alle verfügbaren Aufsätze über seltene Gifte, Geheimsprachen, Verschlüsselungstechniken, küns­­tliche Intelligenz und die neuesten Errungenschaften der Ro­boterwissenschaft.

„Jo, das ist Agenten-Kram der allerfeinsten Sorte“, flüs­­terte Fenja, während Jorin vor eine Pinnwand mit Ver­­brecherfotos trat und es immer noch nicht fassen konnte. Njeri stellte sich neben ihn, um das Who is Who3 von Pro­­jekt Mimesis zu betrachten: zuoberst Borax Dosch, der schmierige Milliardär, braungebrannt, mit Holly­­wood­­lächeln und Unterlippenbärtchen. Direkt darunter prangte das Foto des glatzköpfigen Camaphos, dem Meis­ter­tech­niker und Mann für alles Grobe. Über sein Gesicht war der Vermerk VERHAFTET geklebt.

In der dritten Reihe folgten die Lehrer und Handlanger von Doschs Orga­nisation: Esther Zünsler – klein, rothaarig, mit blaugetönter Sonnenbrille, Ansgar Telchow – hager, hohlwangig mit Hyänenlächeln, Grit Bracken – durchtrainiert, mit Igel­­frisur und markanten Wangenknochen und schließlich Leander Maria Lehmschlag, dessen Gesicht von dunklem Voll­bart und Pferdeschwanzfrisur eingerahmt wurde.

Die vierte Reihe bildeten die Fotos der verbliebenen iKIDS der ersten Generation, der auch Fenja angehörte: Chloé wirkte mit ihrem Kinngrübchen und dem zu einem Kranz geflochtenen Haar, als könne sie kein Wässerchen trüben. Dorian, der blasse Hüne mit den speckigen Wan­gen, hatte Jorin bereits übel zugesetzt. Und natürlich Adam, der Anführer der iKIDS. Auf den ersten Blick sah er wie ein schüchterner Junge aus der Nachbarschaft aus, mit seinem welligen Seitenscheitel und den leicht abstehenden Ohren. Unter der Fassade lauerten jedoch unmenschliche Kräfte und kälteste Intelligenz.

Auf einem Beistelltisch, an dem ein Vergrößerungsglas mit Lichtring montiert war, lagen in einer Metallschale Fragmente von Bienen: Flügel, zwei Oberkörper und Köpfe. Aber es waren keine normalen Insekten, sondern Nanobots, Borax Doschs Spionagedrohnen, welche die Kinder auf der Eidechseninsel auf Schritt und Tritt überwacht hatten.

„Smuts!“, zischte Jorin aufgebracht. „Du bist echt … Ich komme um vor Langeweile und dabei mache ich meine Hausaufgaben die ganze Zeit über einer geheimen Unter­grundzentrale der A.KI.A.! Wann wolltest du mir denn von dem Zeug hier erzählen, hä? Ich glaub, ich spinne!“

Der Agent legte seinen Kopf schräg, während er ein Nacht­sichtgerät aus dem Regal fischte. „Befehl ist Befehl! Du solltest selbst drauf kommen, Jo, ein Test, wie gut du darin bist, den Schein zu durchschauen. Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen enttäuscht von dir, von deiner mangelnden Hartnäckigkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen. Das ist die erste Lektion der Agenten-Ausbildung: Nichts ist, was es zu sein scheint. Ein bisschen Rumstöbern hätte dich vielleicht auf eine Spur gebracht“, Smuts schüttelte mitleidig den Kopf, „aber du hattest ja alle Hände voll damit zu tun, Jagd auf Gartenzwerge zu machen.“

Annabel wechselte wieder einen Blick mit Njeri, während Jorin abwehrend die Hände hob. Er blies die Backen auf, doch bevor er sich für die Zwergenpirsch in der Nachbarschaft rechtfertigen konnte, knackte es in einem Deckenlautsprecher und die Stimme der A.KI.A., die Jorin zuvor in seinem Kommunikator vernommen hatte, meldete sich zum zweiten Mal an diesem Tag zu Wort.

Ohne Umschweife kam sie zur Sache: „Liebe Mitstreiter, ich bin froh, dass ihr da seid. Vor allen Dingen Njeri möchte ich in unserem Kreis willkommen heißen, da sie erst vor Kurzem rekrutiert wurde. Fenja hat bereits das gesamte A.KI.A.-Trainingsprogramm durchlaufen und Jorin ... erhält mit dem heutigen Tag die letzte Sicherheitsfreigabe.“ Es knackte im Lautsprecher und der Junge spürte, wie sich seine Gesichtsfarbe einem dunklen Purpur näherte. Un­­gerührt fuhr die Stimme fort: „Wie ihr von Annabel gehört habt, gibt es Neuigkeiten zu Borax Dosch. Seit der Explosion auf der Eidechseninsel ist er wie vom Erdboden verschwunden und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.“

Während Jorin die Worte hörte, schob sich erneut ein Kloß in seine Kehle. Die Wut auf Smuts verrauchte bei der bloßen Nennung dieses Namens: Borax Dosch, Mil­­liar­där und exzentrischer Technikfreak mit Hang zur Welt­beherrschung. Ohne es zu merken, ballte Jorin seine Hände zu Fäusten, bis sich die Fingerknöchel weiß durch die Haut drückten wie eine Schule buckelnder Belugawale.

„Seit Längerem hegen wir den Verdacht, dass die Ent­wicklung der iKIDS bloß der erste Schritt in Doschs Plan war. Wir glauben, dass er im Verborgenen an KI-Maschinen arbeitet, mit denen er aktiv ins Weltgeschehen eingreifen will. Zuerst waren es nur Gerüchte, jetzt liegt uns dank Njeri der Beweis vor. Annabel, würdest du bitte?“ Die Stim­me der A.KI.A. verstummte, woraufhin nur ein statisches Summen in der Luft hängen blieb.

Annabel hatte die ganze Zeit über mit gesenktem Kopf dagestanden, die Arme vor der Brust verschränkt, und schien erst jetzt wieder zum Leben zu erwachen. Sie wippte auf ihren Fußballen und griff dabei in die Innentasche ihrer sand­­farbenen Jeansjacke, um ein hauchdünnes Tablet hervorzuziehen.

„Vor einigen Tagen ist ein Video aufgetaucht“, begann sie, marschierte zu einem Beamer hinüber und stellte mit wenigen Handgriffen eine Verbindung zwischen beiden Ge­­räten her. „Njeri ist zufällig darauf gestoßen und hat mich sofort informiert. Das ist auch der Grund, weshalb sie ab jetzt unser Team verstärkt.“ Sie zwinkerte dem Mäd­­­chen zu. „Jacob Mkwawa, Njeris Vormund, arbeitet als Zoologe in Skandinavien, er ist spezialisiert auf gro­ße Prädatoren, Raubtiere am Ende der Nahrungskette“, er­­klärte Annabel. „Hoch im Norden untersucht er den Ein­­­fluss des Klimawandels auf das Verhalten von Wölfen und Bären. Dazu hat er an einigen Stellen Kameras mit Be­­­wegungssensoren installiert und eine der Aufnahmen war ziemlich merkwürdig.“ Sie nickte Njeri zu, damit diese wei­ter­­­erzählte.

„Genau“, fuhr das Mädchen fort. „Seit Jacob mitbekommen hat, was mit unserer Schule passiert ist, telefonieren wir regelmäßig. Beim letzten Mal hat er mir von diesem komischen Video erzählt, das er vor einem halben Jahr in der Nähe einer verlassenen Walfangstation aufgenommen hatte. Ich war die Erste, der sich Jacob überhaupt anvertraut hat. Er hatte Angst, sich seinen Ruf zu ruinieren, denn als Forscher kann er ja schlecht behaupten, einen Geist gefilmt zu haben.“ Njeri malte mit den Fingern An­­führungszeichen in die Luft. „Vor vier Tagen hatte ich das Video in der Post und es ist wirklich krass. Nicht nur der Geist …“ Sie warf einen verschwörerischen Blick in die Runde.

„Ein Geist.“ Jorin krauste seine Stirn. „Ernsthaft?“

Ein fiebriger Glanz hatte sich über Samuels Pupillen ge­­legt. „Wir zeigen ihn euch“, flüsterte er.

Who is Who (engl.) = Auswahl, Bestenliste, beschreibt, wer alles zu einem bestimmten Personenkreis gehört

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