Читать книгу Projekt Oblivion - Geister am Polarkreis - Simak Büchel - Страница 9
Оглавление3. Kapitel
Hinter Annabel passierten Fenja, Jorin und Njeri das Tor im Staketenzaun zum Schrebergartenhäuschen. Smuts kehrte ihnen den Rücken zu und zuckte zusammen, als Annabel mit harter Stimme rief: „Keine Bewegung, Smuts! Wenn du auch nur mit der Wimper zuckst ...“
Samuel hob die Arme bis auf Schulterhöhe, stieß sich dann aber zu Jorins Verblüffung mit dem rechten Bein aus der Hocke ab, um hinter den Komposthaufen zu hechten. Dort tauchte sein Haarschopf erst wieder auf, als aus Annabels Kichern schnaubendes Lachen wurde.
„Sehr witzig, wirklich.“ Smuts erhob sich aus der Deckung und applaudierte mit erdverklumpten Fingern. „Hab lange nicht mehr so gelacht, Annabel.“
Jorin grinste, diese kleine Lektion geschah Smuts ganz recht.
„Spaß beiseite.“ Das herzförmige Gesicht der A.KI.A.-Agentin wurde sofort wieder ernst. „Es gibt Neuigkeiten, mein Lieber. Nachdem ich Camaphos von dem Video erzählt habe, hat er sich tatsächlich bereit erklärt, mit uns zu sprechen. Unter einer Bedingung.“ Sie deutete auf Jorin, der verdutzt in die Runde blickte.
„Video?“, fragte der. „Was für’n Video?“
Keiner beachtete seine Frage. Samuel nickte nur und sah auf seine Armbanduhr. „Phase zwei, wurde aber auch Zeit.“ Der Agent stapfte hinüber zur Gartenhütte, schlüpfte aus seinen Gummistiefeln und schob die Haustür auf. „Na los, rein mit euch, wir haben lange genug gewartet.“
Jorin klappte den Mund auf und wieder zu, um dann als Letzter über die Schwelle zu stolpern. Er kam sich geradezu unsichtbar vor. Alle redeten an ihm vorbei oder um ihn herum. Es war zum Haare raufen.
Im Inneren des Häuschens, das seit einem Dreivierteljahr das Zentrum seines Lebens bildete, wirkten die Besucher völlig fehl am Platz. Die Gruppe aus Kindern und Agenten knubbelte sich in der winzigen Koch-Wohnnische, während sich Smuts am ersten Rollladen zu schaffen machte, um das Fenster zu verdunkeln.
„Jo, wärst du so freundlich, den Damen die Räumlichkeiten zu zeigen?“
Jorin blinzelte. „Die – was?“
„Ich wäre dir wirklich sehr verbunden“, fuhr Smuts fort. „Habe hier noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen, bevor ich mich um das Wohlergehen unserer Gäste kümmern kann.“
Jorin ließ seinen Blick über die Nasszelle mit Klo und Dusche wandern, taxierte die winzigen Kammern mit den ungemachten Betten daneben und kehrte zu den erwartungsvoll lächelnden Gesichtern von Annabel, Fenja und Njeri zurück.
„Äh ...“ Der größte Luxus, den Smuts sein Eigen nannte, war ein uraltes Telefon mit Wählscheibe und spiraligem Hörerkabel. Kein W-LAN, kein Rechner, nicht einmal ein Fernseher; sie hausten hier im tiefsten digitalen Mittelalter.
„Äh, Damen“, begann Jorin und machte eine Geste, die alles umfasste: „Hütte!“ Damit war seine Wohnungsführung abgeschlossen. Hilfesuchend drehte er sich zu Smuts um, der den letzten Rollladen herabließ, woraufhin nur noch schmale Lichtstreifen zwischen den Schlitzen durchschienen. „Und jetzt?“
„Meine Güte, Sam!“ Annabel lehnte sich gegen die Tischplatte, auf der im Dämmer halbvolle Tassen und Teller mit Croissantkrümeln und Erdbeerkonfitüre zu sehen waren. „Ich muss schon sagen, du hast dich wirklich ins Zeug gelegt, um unserem jungen Freund die Umgangsformen eines wahren Gentleman nahezubringen. Jorin ist nicht nur charmant, sondern auch noch ... äh ... äußerst redegewandt.“
Die Mädchen kicherten, während Smuts die Haustür verriegelte. Er reckte sich nach einem ausgestopften Raubfischkopf, einem entenschnabeligen Hecht mit spitzen Dolchzähnen, der genau über dem Eingang hing, und drückte dessen rechtes Glasauge ein. Sofort senkte sich mit leisem Summen eine Fliese neben der Spüle in die Wand und fuhr beiseite, um eine blau leuchtende Scanfläche freizugeben. Fassungslos starrte Jorin auf das Leuchten, das Samuels Gesichtszüge aus der Finsternis schälte.
Ein weiteres „Äh“ war alles, was Jorin zuwege brachte. Neun Monate lang hatte Smuts das vor ihm geheim gehalten?! Nun presste der Agent ungerührt seine Hand gegen den Scanner, woraufhin ein Lichtbalken diese abfuhr. Sekundenbruchteile später klickte es im Boden. Die Umrisse einer Falltür zeichneten sich im zerschrammten Linoleum vor dem Kühlschrank ab.
„Ich glaub’s ja nicht!“ Jorins Augenlid begann zu zucken. Smuts kniete sich hin und öffnete die Luke, sodass ein erleuchteter Schacht sichtbar wurde, der in die Tiefe führte.
„Ladies first“, sagte der Agent mit einer Verbeugung. Wie selbstverständlich schwang sich Annabel die Sprossenleiter hinab. Fenja klatschte vor Begeisterung in die Hände und folgte ihr.
„Action“, hallte die Stimme des iKIDS aus dem Schacht. „Das ist ja der Hammer hier unten!“
Njeri atmete tief durch. „Na, dann wollen wir mal.“
Samuel tippte sich verschwörerisch gegen die Nasenspitze und kletterte seinen Gästen hinterher. Gerade, als sein Kopf auf Höhe des Fußbodens anlangte, drehte er sich noch einmal zu Jorin um, der wie vom Blitz getroffen dastand. „Bei Gelegenheit kannst du deinen Mund wieder schließen, Jo, wir warten dann unten auf dich.“