Читать книгу Projekt Oblivion - Geister am Polarkreis - Simak Büchel - Страница 15

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9. Kapitel

Schon nach wenigen Metern drückten Jorin die Schulter­gurte des Rucksacks und er verlagerte unauffällig das Gewicht. Er wollte sich vor Fenja keine Blöße geben, die leichtfüßig vorausging. Annabel kramte ihre Autoschlüssel hervor und Smuts setzte sich die schwarz getönte Son­nenbrille auf. Bei jeder Bewegung knarzte das Leder seines Mantels, wodurch ihr Abgang noch beeindruckender wirkte.

Jorin konnte nicht anders, sein Blick haftete hingerissen an Fenjas Gestalt, wie Eisenspäne an einem Magneten. Das merkte er jedoch erst, als ihn Njeri freundschaftlich an­­rempelte. „Tu’s nicht, Jo!“, raunte sie mit erstaunlichem Nach­­druck in der Stimme.

„Was? Was soll ich nicht tun?“

Njeri deutete mit einem Nicken auf das blonde iKID, doch Jorin schüttelte verständnislos den Kopf.

„Fenja“, presste Njeri hervor. „Verknall dich bloß nicht in den Toaster, das kann einfach nicht gut gehen!“ Damit ließ sie ihn stehen und legte einen kurzen Sprint ein, um zu Fenja aufzuschließen.

Jorin klappte der Mund auf und er bekam nur am Rand mit, dass sie ein beständiger Strom aus Murmeln und Flüs­tern hinter den Hecken begleitete. An mehr als einem Grill flutschten Würstchen aus den Zangen, um dampfend im Gras zu landen.

„Wie sehen die denn aus?“, raunte eine Frau hinter vorgehaltener Hand. „Helmut, schau doch mal ...“

Jorin hielt kurz inne, um das misstrauisch dreinblickende Ehepaar anzulächeln. Er ließ seine gletscherwasserblauen Augen blitzen und schlug seine Jacke zurück, damit die Schleuder zu sehen war. Als er seinen Weg fortsetzte, hörte er zufrieden, wie die beiden nach Luft schnappten.

„Was für ein Aufzug! Helmut, hundertprozentig ist das so nicht erlaubt!“, fauchte die Frau in Jorins Rücken. „Jetzt sag doch auch mal was!“

Doch bevor Helmut zu Wort kommen konnte, hatten die Freunde schon den Parkplatz erreicht, wo Jorins überhebliches Agentengrinsen wie Brandungsschaum in sich zusammenfiel. Annabel Biron steuerte nämlich auf einen sonnenblumengelben Fiat Panda zu, der im Schatten eines Sommerflieders parkte.

Agent Smuts schob seine Brille ein Stück den Nasen­rücken hinab, um besser sehen zu können. „Exzellentes Undercover-Gefährt“, knurrte er. „Ich muss schon sagen, Annabel, was die Farbauswahl angeht, macht dir niemand was vor.“

„Jetzt nöl nicht rum, Sam, mein eigenes Auto ist in der Werkstatt, ich musste das von meiner Oma leihen.“

Mehr schlecht als recht bugsierten sie die Rucksäcke in den winzigen Kofferraum. Die Kinder mussten sich auf den Rücksitz quetschen, was Fenja als Einziger nichts auszumachen schien. Jorin presste seine Knie zusammen, da er sich in der Mitte zwischen den beiden Mädchen ein klein wenig überfordert fühlte; erst recht als sich Fenjas Finger kühl um sein Handgelenk schlossen. Es war, als würde in diesem Moment ein Prickeln seinen Arm hinaufschießen, bis zum Nacken empor, um dort sämtliche Härchen strammstehen zu lassen. Noch mulmiger wurde ihm zumute, als sich das iKID zu ihm hinüberbeugte und der Vanilleduft ihrer Haare seine Nase kitzelte. „Hab ich dir eigentlich schon erzählt, dass ich jetzt wasserdicht bin?“, fragte sie.

„Hä?“ Jorin blinzelte nervös, rote Flecken zeigten sich auf seinen Wangen.

„Zehn Meter!“ Fenja klopfte sich gegen die Stirn. „Die A.KI.A. hat in den letzten Monaten ein paar Schwachstellen an meiner Hardware behoben. Mein Akku hält jetzt länger und einen Kommunikator haben sie mir auch eingesetzt, direkt unter die Haut hinterm Ohr, cool, oder?“

„Sehr cool“, ätzte Njeri. Sie zupfte sich gähnend einen Fussel von der Hose, wobei sich ihr Ellbogen in Jorins Seite bohrte. „Fehlen nur noch Korkenzieher, Lupe und Nagel­feile.“

Während sich die Mädchen über Jorin hinweg anblitzten, wartete Annabel auf dem Fahrersitz darauf, bis sich Smuts zusammengefaltet hatte.

„Von innen ist das Ding ja noch kleiner“, grunzte der und legte umständlich den Gurt an. Dann endlich fuhren sie los.

Die Schrebergartensiedlung verlor sich im Rückspiegel und das Auto tauchte ins Schattenfeld der Hochhaustürme ein.

Bevor sie jedoch die verspiegelten Betonschluchten er­­reichten, wurden sie an einer Polizeiabsperrung gestoppt. Auf der Fahrbahn vor ihnen war ein Lastwagen ins Schlin­gern geraten, Teile seiner Ladung lagen verstreut auf dem Asphalt.

„Herrje, das hat uns noch gefehlt.“ Murrend folgte An­­na­­bel den Umleitungshinweisen auf eine Seitenstraße, die längs des Flussufers über den Industriehafen führte.

„Dafür haben wir jetzt echt keine Zeit“, schimpfte sie, während rechter Hand die Hochhäuser zurückblieben und gleichförmige Industriequartiere an den Fenstern vorbeizogen. Wenig später tauchten die Verladekräne des Hafens auf. Wie gewaltige breitbeinige Klammern fuhren sie Schienen auf und ab, um ihre Fracht zu bewegen. Hinter hohen, mit Stacheldraht gesicherten Metallzäunen wurden Container von Schiffen gehievt und zu bunten Wänden aufgeschichtet oder direkt auf Sattelschlepper verladen.

Gerade schwebte ein nachtblauer Container am Seilzug durch die Luft, auf dessen Seite ein sonderbares Symbol Jorins Aufmerksamkeit erregte: ein goldfarbener Stierkopf, dessen linke Hälfte sich in groben Pixeln aufzulösen schien. Kaum, dass der Kran schwenkte, verschwand auch der Con­­tainer aus Jorins Sicht. Er rieb sich die Augen und gähnte, trotz der ganzen Aufregung machte ihn die stickige Luft im Auto schläfrig. Die Fahrt ging weiter, vorbei an Lastwagenkolonnen, die auf ihre Papiere warteten, bis sie endlich die Zufahrtsstraße zum Flugplatz erreichten.

„Hört mal“, Annabel fixierte die drei im Rückspiegel, „am Flugplatz überlasst ihr bitte mir das Reden. Und, Njeri, du weißt, worüber wir vorhin gesprochen haben! Kein Wort!“

Jorin sah zu dem Mädchen hinüber, das sich auf die Unterlippe biss.

„Kein Wort – worüber?“, fragte er Njeri, doch die drehte nur einen imaginären Schlüssel zwischen ihren Lippen herum und warf ihn aus dem Fenster. Jorin schüttelte genervt den Kopf. Er musste an seinen Flug mit dem auf Hochglanz polierten Privatjet von Borax Dosch denken. Damals war er offenen Auges in die Falle getappt. Zu leicht hatte er sich von all dem Prunk und Glanz blenden lassen. Diesmal würde es anders laufen.

„Wir sind gleich da, Leute.“ Annabel steuerte auf den Eingang des privaten Flugplatzes zu, an dessen Sicher­heitskontrolle die Schranke herabgelassen war und sich zwei Zollbeamte am Wärterhäuschen die Zeit mit ihren Smartphones vertrieben.

Langsam fuhr die Agentin vor und ließ die Seitenscheibe herunterfahren. Sofort trat ein Uniformierter an sie heran, warf einen irritierten Blick auf das sonnenblumengelbe Auto mit seinen fünf bemüht harmlos lächelnden Insassen und öffnete den Mund. Doch bevor er seine Frage stellen konnte, hatte ihm Annabel schon ein Dokument unter die Nase gehalten und ihren A.KI.A.-Ausweis aufgeklappt.

Der Mann nahm das Papier, las die Unterschriften, scannte einen Code ein und reichte das Dokument mit einem zackigen Nicken zurück. „Guten Flug. Passen Sie auf sich auf.“

Annabel grüßte ernst und legte den Gang ein, als die Schranke vor ihnen geöffnet wurde. Die letzten Meter bis zum Hangar klopfte Jorin das Herz bis zum Hals. Zum einen, weil er in dem windschnittigen, von einem einzigen Propeller angetriebenen Flugzeug, eine Cessna Pathfinder aus seinem Quartett-Kartenspiel wiedererkannte, das zur Grundschulzeit sein ständiger Begleiter gewesen war. Zum anderen, weil neben der Frachtluke ein alter Bekannter stand. Griesgrämig wie eh und je blickte ihnen Domingo Ribeira entgegen und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wurde aber auch Zeit“, fluchte der A.KI.A.-Agent mit den dunklen Augenbrauen, der Jorin damals mit dem Boot zur Eidechseninsel übergesetzt hatte. Unwirsch riss er den Kofferraum auf, noch bevor Annabel den Motor ausgeschaltet hatte.

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