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6. Kapitel

Jorin zitterte, sofort schossen ihm die Bilder der letzten Nacht auf der Eidechseninsel durch den Kopf: der Countdown vor der Sprengung und die spektakuläre Flucht mit Fenja und Konrad im Einbaum durch das dunkel gluckernde Wasser der Meeresbucht und – Adam. Adam, wie er mit Borax Dosch und den beiden anderen iKIDS, Chloé und Dorian, im Helikopter davonflog, während sich die Insel unter ihnen in ein tosendes Flammenmeer verwandelte.

„Adam“, wiederholte Jorin aufgebracht. Seine gletscherwasserblauen Augen blitzten. „Kann mir mal jemand sagen, was das für ein merkwürdiges Wesen war?“ Eiseskälte kroch seinen Nacken hinauf bei der Erinnerung an die ruckenden Bewegungen des Schemens und an die unbezwingbare Kraft, die einen riesigen Bären durch die Luft geschleudert hatte. „Ich meine, ein Geist war das offensichtlich nicht, also muss es irgendetwas anderes gewesen sein, oder?“ Fragend blickte er sich zu den Erwachsenen um.

„Wir nehmen an“, Samuel vermied es dabei Fenja an­zusehen, „dass es sich hier um eine mörderische Weiter­ent­wicklung der iKIDS handelt ...“ Der Agent spreizte die Fin­ger, als versuche er etwas äußerst Flüchtiges zu erhaschen. „Was es auch ist, Kinder, es ist definitiv Teil von Borax Doschs Plan. Und wo Adam zusammen mit diesem ... Geist auftaucht, kann Dosch nicht weit sein.“

„Wo genau ist das Video denn aufgenommen worden?“, wollte Fenja wissen, die nach der virtuellen Begegnung mit Adam zutiefst aufgewühlt wirkte.

„Eine gute Frage.“ Annabel tippte auf ihrem Tablet und auf der Leinwand erschien ein Kartenausschnitt. „Die ver­­lassene Walfangstation liegt in der Ambra-Bucht an der Barentssee, im Grenzgebiet zwischen Norwegen und Russ­land. Seit Tagen versuchen wir Jacob, Njeris Vormund, zu erreichen, um Genaueres über die Hintergründe zu erfahren. Aber seine Universität in Finnland sagt nur, dass er im Feld unterwegs ist, also Daten in der Natur sammelt. Deswegen habe ich noch mal mit Camaphos Kontakt aufgenommen, um herauszufinden, was Adam dort zu suchen hatte, und vor allem, ob sich Dosch in der Nähe aufhält. Zum Glück hat er sich breit erklärt mit uns zu sprechen.“ Sie beugte sich erneut über das Tablet. „Das Gefängnis war zu einer Sondergenehmigung bereit, wir erwarten seinen Anruf jeden Augenblick.“

„Camaphos ...“ Jorin kniff die Augen zusammen. Erst Adam und das unsichtbare Monstrum und nun auch noch der Glatzkopf! Was für ein Albtraum! Seit seiner Flucht von der Eidechseninsel hatte Jorin es vermieden, an den Cheftechniker des Mimesis-Projektes zu denken. Zu schmerzhaft waren die Erinnerungen an ihr Zu­­sam­mentreffen im Labor auf der Insel. Bei der Gele­gen­heit hatte Camaphos Jorin eröffnet, dass dessen Eltern nicht bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen waren, sondern dass Dosch sie hatte beseitigen lassen, weil sie sich gegen seine Pläne gestellt hatten. Camaphos hatte dann im letzten Moment die Seiten gewechselt und sich der Polizei gestellt.

Während Jorin auf seiner Unterlippe herumkaute, öffnete Annabel ein Programm, mit dessen Hilfe eine abhörsichere Konferenzschaltung aufgebaut werden konnte. Ihr Gesicht erschien im rechten Teil des Bildschirms, während der linke schwarz blieb.

Aufgeregt rückten Samuel, Njeri und Fenja näher heran, bis auch ihre Gesichter im Bildausschnitt zu sehen waren.

Plötzlich ertönte eine Anrufmelodie, Annabel nahm das Gespräch an, woraufhin sich vor ihren Augen eine Gestalt aufbaute: Camaphos. Sein teigiges, blasses Gesicht füllte das Bild fast vollständig aus; er wirkte kränklich, dunkle Ringe hatten sich unter seinen Augen gebildet.

Camaphos’ Blick zuckte rastlos über den Bildschirm vor sich, als suchte er etwas. Schließlich meldete er sich mit weicher Stimme zu Wort. „Frau Biron, ich hatte Ihnen doch zu verstehen gegeben, dass ich nur mit dem jungen Flug­­brand sprechen werde, mit niemandem sonst. Wenn Jorin nicht da ist, lege ich unverzüglich auf.“ Nervös fuhr er sich über die Glatze und machte Anstalten, eine Taste am Rechner zu drücken.

„Warten Sie, Jorin ist hier!“ Annabel griff nach dem Jun­­­gen und zog ihn vor den Bildschirm. Einen Moment lang starrten sich die beiden an. Camaphos’ Augen weiteten sich im Wiedererkennen, dann wich er Jorins wütendem Blick aus und atmete stockend ein.

„Okay.“ Er nickte langsam. „Okay, das ist gut. Flugbrand, hör zu, ich habe mich nur bereit erklärt, dieses Gespräch zu führen, um dich zu warnen. Such nicht nach Dosch! Folge unter keinen Umständen den Spuren, die die A.KI.A. in diesem Video gefunden zu haben glaubt, sonst teilst du das Schicksal der Wanderer. Die A.KI.A. bringt dich in Lebensgefahr, die haben nicht den Hauch einer Chance gegen Dosch. Ihr habt keine Vorstellung davon, was für ein Mensch er wirklich ist. Er ...“ Camaphos brach ab, rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht und stöhnte. „Ich bin dir was schuldig, Flugbrand, dir und deiner Familie. Ich habe geschwiegen, habe weggeschaut und Befehlen gehorcht, ohne sie zu hinterfragen.“

Jorin starrte wie gebannt auf den Bildschirm.

„Wenn Dosch erfährt, was ich dir erzähle ...“ Wieder unterbrach sich der schwere Mann, um ängstlich über seine Schulter zu blicken. „Sein Plan ist bösartiger, als du es dir je ausmalen könntest. Selbst die A.KI.A. hat keinen blassen Schimmer, auf was für einen Kampf sie sich eingelassen hat! Projekt Mimesis war nur der Anfang. Es geht um viel mehr als um Täuschungsmaschinen. Im Zentrum steht ein Computer-Virus: Projekt Oblivion.“

Totenstille herrschte in der Untergrundzentrale.

„Verstehst du, Flugbrand? Oblivion, das Vergessen“, fuhr Camaphos eindringlich fort. „Borax Dosch droht mit dem totalen Vergessen, mit der Löschung von Europas digi­­ta­­lem Gedächtnis!“

Entsetzen breitete sich in der Kammer aus. Samuel Smuts räusperte sich im Hintergrund und schob sein Ge­­sicht etwas näher an den Bildschirm heran.

„Nun, ich sehe, worauf Sie hinauswollen, Camaphos. Aber Sie vergessen einen wichtigen Punkt. Dank Jorins Hilfe ist es uns gelungen, Mimesis zu stoppen, den Hauptrechner im Labor zu zerstören. Es existieren lediglich vier iKIDS und eines davon steht auf unserer Seite. Ganz ehrlich? Ich glaube nicht, dass es Dosch gelingen wird, eine nächste Generation von künstlichen Menschen aus dem Boden zu stampfen, ohne Backup und ohne die Hilfe von seinem Cheftechniker! Oder irre ich mich da?“

Camaphos kniff die Augen zusammen und legte beide Hände flach auf den Tisch. „Richtig, Smuts, das war ein herber Rückschlag für Dosch. Jorins Einsatz hat ihn Zeit gekostet, eine Planänderung nötig gemacht. Aber Dosch ist nicht dumm, zeitgleich zum Labor auf der Eidechseninsel hat er im Norden eine Fabrik aufgebaut. Dort laufen aber keine iKIDS oder iMEN und iWOMEN vom Band, die so menschenähnlich sind, dass niemand den Unterschied erkennt. Viel zu kompliziert, viel zu zeitaufwändig! Das hat das Schulexperiment auf der Insel gezeigt. Deshalb hat sich Dosch nun von der Tarnung auf Angriff verlegt. Er wird den Oblivion-Virus nicht still und heimlich in die Metropolen tragen, sondern mit einer Invasion! Zu diesem Zweck pro­­duziert seine Fabrik seit Monaten auf Hochtouren. Flug­brand, halte dich von Smuts und dem zerlumpten Haufen von A.KI.A.-Agenten fern. Ihr habt keine Chance gegen Dosch, er hat alles bedacht, ist euch Meilen voraus! Nimm meine Warnung ernst! Dosch wird den Oblivion-Virus nach Europa bringen und zwar mit einer ganzen Armee. Dann muss er nur noch den Aktivierungscode senden und das digitale Gedächtnis Europas wird ausgelöscht, sämtliche Daten zerstört!“

Jetzt lachte Annabel hysterisch auf und schüttelte den Kopf. „Armee? Das ist doch lächerlich! Was denn bitte für eine Armee?“

Camaphos starrte düster vor sich hin. „Eine Armee aus Geistern und Dämonen.“ Danach brach die Verbindung ab und der Bildschirm wurde schwarz.

Projekt Oblivion - Geister am Polarkreis

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