Читать книгу Projekt Oblivion - Geister am Polarkreis - Simak Büchel - Страница 13
Оглавление7. Kapitel
Jorins Brustkorb zog sich zusammen, als hätte man ihn in einen Schraubstock gezwängt. Er glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Mit einem Mal hatte sich ein Schatten auf seine Welt gelegt, unter dem sich Kälte und Furcht verbreiteten und mit geisterhaften Fingern nach seinem Herzen griffen.
„Geister und Dämonen.“ Immer noch glotzte er auf den Bildschirm, aus dem ihm lediglich die entsetzten Gesichter seiner Freunde entgegenblickten. Er fragte sich, warum Camaphos sich dazu durchgerungen hatte, ihn zu warnen. Aus schlechtem Gewissen? Oder steckte mehr dahinter?
Als Erster regte sich der blonde Agent, richtete sich mit knackenden Gelenken auf und knetete seinen Nacken.
„Ich fürchte, in einem Punkt hat Camaphos recht“, seufzte Smuts. „Annabel, es ist unverantwortlich, wenn wir Jo und Njeri in Gefahr bringen. Auf der Insel hatten wir Glück, das weißt du. Dosch hat mehr als einmal bewiesen, wie skrupellos er ist. Wir ... können diese Verantwortung nicht übernehmen“, sagte er laut, doch die Stimme der A.KI.A. im Lautsprecher blieb stumm.
„Stimmt“, hörte Jorin sich zu seiner Verwunderung selbst sprechen, „das könnt ihr nicht.“
Die Mädchen, Annabel und Sam drehten sich verblüfft zu ihm um.
„Das können wir nur selbst“, sagte Jorin entschieden. „Wenn es wahr ist, was Camaphos behauptet, und Dosch mit einer dämonischen Armee einen Virus in ganz Europa verbreiten will, dann sind diesmal nicht nur Kinder in Gefahr! Smuts, ich habe euch auf der Eidechseninsel geholfen und jetzt werde ich bestimmt nicht kneifen! Ich komme mit und suche diese verdammte Fabrik!“ Jorins Blick war so hart, dass ihm niemand länger als einen Wimpernschlag standzuhalten vermochte. Zu helfen, das war er dem Andenken seiner Eltern schuldig. Sie hatten sich gegen Dosch gestellt, er würde dasselbe tun, koste es, was es wolle!
Nun richtete sich auch Njeri auf, strich ihr T-Shirt mit dem schielenden Einhorn glatt und nickte. „Was auch immer ihr vorhabt – yeah! – ich bin dabei.“
Da reckte Fenja ihre Fäuste in die Höhe und rief: „Na endlich! Ich warte schon Ewigkeiten darauf, Adam in die Mangel zu nehmen!“
Annabel und Samuel starrten sich lange an. Man sah deutlich, wie sich jeder einzelne Gedanke, jedes Für und Wider, in ihren Mienen Bahn brach. Die Kinder hielten den Atem an. Eine nervöse Spannung hatte sich in der Untergrundzentrale breitgemacht. Annabel tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Unterlippe, schaute zum Deckenlautsprecher empor und fragte: „Was sagen Sie?“
Sekundenlang war nur Knistern zu hören. Dann meldete sich die Stimme wieder und Jorin hatte das Gefühl, eine bleischwere Mattigkeit habe sich ihrer bemächtigt.
„Mut und Naivität“, begann sie stockend, „das ist nicht gerade die vielversprechendste Mischung, um zu einer Mission aufzubrechen, aber wir müssen alle Kräfte mobilisieren. Folgt Doschs Spur zum Polarkreis, zu seiner Fabrik. Konzentriert euch auf den Oblivion-Virus, findet diesen Aktivierungscode, wir halten euch in der Zentrale den Rücken frei. Und, Smuts – hab ein Auge auf die Kinder!“
Samuel nickte. „Geht klar.“
Nach diesen Worten verstummte der Lautsprecher und die Freunde blieben allein zurück.
„Also gut“, Smuts rieb sich die Hände, „wenn wir Domingo sofort anrufen, hat er die Maschine in zwei Stunden startklar. Bleibt uns gerade noch genug Zeit, um die Ausrüstung zu checken.“
Annabel nickte, zog sich mit ihrem Kommunikator in eine Zimmerecke zurück und führte ein leises Gespräch, während Samuel die Türen mehrerer Schränke aufriss, die ein beachtliches Waffen- und Munitionslager bargen.
„Okay Kinder, euren Mut in Ehren, aber jetzt müssen wir gucken, dass wir euch mit heiler Haut in die Sache rein- und vor allem wieder rausbekommen. Zum Glück haben wir von der A.KI.A. ein paar Spezialanfertigungen für euch parat. Am besten ziehen wir uns direkt um.“
Ohne Vorwarnung warf der Agent Jorin einen Rucksack zu und schob ihm einen Karton vor die Füße.
Neugierig lupfte Jorin den Deckel. Seine Augen weiteten sich. Vorsichtig kniete er sich hin, fuhr mit den Händen in den Karton, schob das knisternde Seidenpapier beiseite und zog die coolsten Klamotten hervor, die er je gesehen hatte: Expeditionsstiefel und Teile einer ultraleichten Körperrüstung mit Arm- und Beinschienen sowie einer Brustplatte. Tarnfarben! Mit aufgenähten Fächern und Taschen. Hinzu kamen eine leichte, aber extrem warme Jacke, Hosen und ein Kapuzenshirt, ebenfalls tarnfarben. Der Stoff floss förmlich zwischen seinen Fingern hindurch, wirkte dabei aber so dicht gewebt, dass es Jorin nicht verwundert hätte, wenn er einen Schwerthieb aufhalten könnte.
„Domingo weiß Bescheid, er kümmert sich um die Papiere und erwartet uns“, bestätigte Annabel mit hochgestrecktem Daumen. An Fenjas und Njeris Seite wühlte sie durch weitere Kartons, um sich schließlich völlig ungeniert vor Jorins Augen umzuziehen.
Verschämt drehte der sich weg und schlüpfte aus der alten Hose, die sich um seine Fußgelenke krumpelte. „Mist!“ Dann verstaute er das Foto seiner Eltern zusammen mit dem Taschenmesser in einem mit Reißverschluss versehenen Spezialfach seiner neuen Hose. Die selbstgeschnitzte Schleuder stopfte er sich in den Bund.
Nach Minuten voll Geächze und Gezerre war Jorin Flugbrand nicht mehr wiederzuerkennen. Die Klamotten schmiegten sich wie eine zweite Haut an seinen Körper und verliehen ihm in Kombination mit der unauffälligen Körperpanzerung in Flecktarnmuster ein geradezu kämpferisches Aussehen. Zugegeben, das Aussehen eines etwas pummeligen Kämpfers mit wilder Frisur, aber daran störte sich niemand.
„Leute, wie cool ist das denn!“ Njeri betrachtete sich hingerissen im Spiegel, wobei ihr Blick auf Smuts fiel, der sich gerade ein Pistolenholster umschnallte und Kästchen mit Spezialmunition und Sprengfallen in seinem Rucksack verstaute. Anschließend nahm der Agent eine Jagdschleuder mit Unterarmstabilisator aus dem Waffenschrank, um sie Jorin in die Hand zu drücken. „Die ist schlagkräftiger als deine alte Zwille, Jo, aber mit der Munition musst du höllisch aufpassen. Die Pellets haben es in sich.“ Er reichte dem Jungen aufgewickelte Patronengurte, auf denen in zwei parallel nebeneinanderliegenden, durchsichtigen Schläuchen matt schimmernde Metallkugeln aufgereiht waren.
Probehalber schlang sich Jorin einen Gurt über die Schulter und drückte an einem Spender an der Hüfte die erste Kugel heraus. Schwer wie eine Murmel lag sie auf seiner Hand, dabei huschte ein sonderbares Irisieren wie von eingelagerten Lichtpunkten über ihre Oberfläche.
„Hey Jo, du siehst aus wie ein extrem gefährlicher Kaugummiautomat“, kicherte Njeri.
Fenja trat an seine Seite, um die Kugel in Jorins Handfläche zu betrachten. Behutsam hob sie das Projektil auf und hielt es sich vor die Augen. „Sag mal, Smuts, was können die Dinger denn?“, fragte das iKID und presste Daumen und Zeigefinger langsam zusammen.
„Nicht!“, schrien Samuel und Annabel gleichzeitig, doch es war schon zu spät – die Kugel flachte ab, Micro-Spikes4 schossen aus ihrer Oberfläche und bohrten sich durch die Kunsthaut von Fenjas Fingerkuppen. Dann explodierte die Murmel, ein blauer Kugelblitz brach hervor und das iKID sackte kraftlos in sich zusammen.