Читать книгу Projekt Oblivion - Geister am Polarkreis - Simak Büchel - Страница 11

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5. Kapitel

„Ehrlich gesagt wissen wir nicht, was es ist, Jorin“, erklärte Annabel, während sich das Beamerbild an der Wand aufbaute. „Du wirst gleich verstehen, warum Jacob niemandem davon erzählen wollte.“

Der Rahmen eines Videoprogramms erschien und Annabel drückte auf Play. Sofort veränderte sich die At­­mos­­phäre des Raumes. Als die grünlich fluoreszierende Nachtbild-Aufnahme einer kargen, winterlichen Landschaft auf der Wand erschien, hielten alle den Atem an. Ein schlangenförmiges Lichtband flimmerte über den Himmel, ein Polarlicht. Windrauschen war zu hören. Jorins Augen begannen zu tränen, so angestrengt starrte er auf die un­­wirkliche Szene: Ein flacher, mit kahlem Unterholz bestandener Hang, von dem sich ein Wildpfad hinabschlängelte, um an der linken Bildkante zwischen Felsbrocken und Schneeflecken zu verschwinden. Einige windschiefe Büsche begrenzten das Bild, während im Hintergrund, wie starre Wächter, eine Reihe haushoher, zylinderförmiger Tanks zu sehen waren. An einigen Stellen schienen sie durchgerostet, schartige Löcher klafften in den Wänden.

„Was ist das für ein Ort?“, raunte Jorin, wurde aber sofort zum Schweigen gebracht, indem Annabel ihre Hand auf seinen Arm legte. Und dann sahen sie das, was die Kamera ausgelöst hatte. Etwas Riesiges bewegte sich im Schutz der Felsen von links ins Bild. Pupillen glühten, als sich der mächtige Schädel eines Braunbären um die Ecke schob. Er schnüffelte, reckte den muskelbepackten Hals, hob den Kopf in die Höhe und sog die Luft ein. Frostige Atemwolken bildeten sich um seine Schnauze, die Nüstern zuckten, als hätten sie eine Witterung aufgenommen.

„Ein Bär? Schlafen die nicht im Winter?“, wagte sich Jorin mit einer zweiten Frage vor.

„Alles ist im Wandel, Jo, das Klima, das Verhalten der Tiere, einfach alles“, flüsterte Smuts. „Aber, wenn du das schon eigenartig findest ...“

Nur einen Herzschlag später wurden in der Video­auf­­­nahme knirschende Schritte vernehmlich. Am rechten Bild­­rand erschien eine menschliche Gestalt auf der Hügel­kuppe, die sich, in einen dicken Anorak gehüllt, den Pfad hinab auf den von Felsen verborgenen Bären zubewegte. Eine Kapuze verdeckte ihr Gesicht. Sie trug eine schuhkartongroße Kiste vor der Brust und stapfte arglos weiter, nicht ahnend, dass sie nur wenige Meter von einem riesenhaften Raubtier trennten. Die Gestalt schien tief in Gedanken versunken, doch plötzlich hielt sie inne und drehte den Kopf nach rechts. Da explodierte die Polarnacht. Der Bär brüllte, jagte aus seinem Versteck und riss das Maul auf. Reißzähne blitzten. Doch der Mensch tippte sich nur mit den Fingern an die Schläfe und machte einen Schritt zurück. Grollend richtete sich der Bär zu seiner vollen Größe auf, sodass Jorin vor Schreck die Luft anhielt.

„Jetzt“, hauchte Njeri neben ihm und presste ihre Hände vor den Mund.

Noch bevor das Tier seine Pranken auf den Menschen niedersausen lassen konnte, jagte ein flirrender Schemen ins Bild und schien sich mit knochenbrechender Wucht auf den Bären zu werfen. Dessen Körper bog sich wie von einem Kinnhaken getroffen. Sein Schädel flog zurück, Schnittwunden zeigten sich im Fell. Ein metallisches Knacken ertönte, als sei eine Messerklinge gebrochen. Der Bär taumelte unter unsichtbaren Hieben. Plötzlich er­­hob sich das riesige Tier wie von Geisterhand in die Luft, schwebte kurz über dem Boden und dann schleuderte ihn etwas wie ein Spielzeug in hohem Bogen Richtung Kamera davon. Das Bild wackelte, als das Tier aufschlug. Röchelndes Schnaufen war zu hören.

„Himmel“, flüsterte Jorin, „was war das?“

Die gesamte Attacke hatte sich binnen weniger Sekunden abgespielt. Neben dem Menschen kauerte nun etwas, ein Wesen, dessen Umrisse wie die Luftspiegelung einer Fata Morgana flirrten. Nahezu unsichtbar! Der schlanke Körper verschmolz mit der Umgebung. Nur wenn es sich ruckartig bewegte, bildeten die Konturen Schlieren. Jorin konnte nicht einmal sagen, ob es zwei oder mehr Arme besaß. Bloß der Schädel wirkte unnatürlich langgezogen und ganz kurz glaubte er, eine Batterie aus Augen zu erkennen, wie bei einer Jagdspinne über- und nebeneinander angeordnet.

„Krass ...“ Jorin schauderte.

Der Mensch tippte sich noch einmal mit den Fingern gegen die Schläfe, woraufhin das geisterhafte Wesen zwischen den Felsen verschwand und dabei eine feine Tröpfchenspur im Schnee zurückließ. Bärenblut? Mit einer Wendung des Kopfes streifte der Mensch seine Kapuze zurück, klemmte sich die metallene Kiste unter den Arm und setzte seinen Weg zu den Gebäuden fort, als sei nichts gewesen. Noch immer hatte er kein einziges Wort gesagt. Ein letztes Mal drehte er sich in Richtung des Bären und kehrte dabei sein Gesicht zur Kamera.

Hier stoppte Annabel das Video und fror die Gestalt ein. Fenjas Stöhnen war im Raum zu hören, Jorins Herz machte einen Satz. Beide hatten den Jungen sofort erkannt, die leicht abstehenden Ohren und die Wuschelmähne.

„Adam!“ Jorin stützte sich an der Wand ab. In der Tat, es war Borax Doschs mächtigste Waffe, Adam, der seelenlos kalte Anführer der iKIDS. Fenjas ... Bruder.

Projekt Oblivion - Geister am Polarkreis

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