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8 Ziele der Weiterentwicklung und methodisches Vorgehen

In den letzten Kapiteln wurde das heutige Güterverkehrssystem beschrieben. Zuerst ging es um den heutigen SGV in der Fläche, dann darum, wie dieser entstanden ist, was für Probleme existieren und was die Ursachen dafür sind. Das nächste Thema betraf die negativen Auswirkungen des Güterverkehrs und schliesslich wurden bestehende Prognosen kurz betrachtet.

Nun geht es einen Schritt weiter: Es werden Möglichkeiten aufgezeigt und Vorschläge gemacht, wie der SGV in der Fläche weiterentwickelt werden kann. In diesem Kapitel werden zunächst die Ziele aufgezeigt und begründet, welchen die Weiterentwicklung folgen soll. Auch werden Strategien aufgezeigt, wie diese Ziele erreicht werden können. Danach folgt eine kurze Beschreibung des methodischen Vorgehens, mit welchem die Weiterentwicklungsmöglichkeiten erarbeitet wurden. In den nachfolgenden Kapiteln wird dann aufgezeigt, welche konkreten Weiterentwicklungsmöglichkeiten von den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und der Politik umgesetzt werden können.

8.1 Ziele der Weiterentwicklung

Die natürlichen Lebensgrundlagen sind Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft und Wirtschaft, eine hohe Lebensqualität und -zufriedenheit sowie letztlich alles Leben. Deshalb soll die Weiterentwicklung des SGVs in der Fläche und des Güterverkehrs allgemein in dieser Maturaarbeit dem Ziel eines nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt folgen. Gleichzeitig soll die für die Bevölkerung und Wirtschaft essenzielle Güterversorgung gewährleistet werden. Dabei bedeutet ein nachhaltiger Umgang mit der Umwelt, weniger Ressourcen zu verbrauchen, als gleichzeitig auf natürliche Art und Weise wiederhergestellt oder ersetzt und für künftige Generationen wieder bereitgestellt werden können, sowie nur so viele Emissionen an die Umwelt zu emittieren, wie diese in der Lage ist aufzunehmen.80

Für den Güterverkehr bedeutet diese Zielsetzung, dass die negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt auf ein nachhaltiges Niveau reduziert werden müssen. Dabei nimmt der Klimaschutz eine wichtige Rolle ein. Wenn es nicht gelingt, die Klimaerwärmung zu begrenzen, werden katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen resultieren sowie die Wirtschaftsleistung stark gesenkt.81 So könnten sich die Folgekosten des Klimawandels und des Verlustes von biologischer Vielfalt im Jahr 2050 auf ein Viertel der weltweiten Wirtschaftsleistung belaufen. Im von der Schweiz 2017 ratifizierten Pariser Klimaabkommen ist festgehalten, dass «der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C […] zu begrenzen». Dieses Abkommen ist völkerrechtlich verbindlich und um dieses Ziel zu erreichen, müssen laut dem IPCC die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto Null gesenkt werden.82 Deshalb soll in dieser Maturaarbeit gezeigt werden, wie die CO2-Emissionen des Güterverkehrs bis zum Jahr 2050 um 100% auf null gesenkt werden können.

Zudem soll die Weiterentwicklung des Güterverkehrssystems unter der Prämisse erfolgen, die weiteren in der Tabelle 2 aufgelisteten negativen Auswirkungen des Güterverkehrs zu reduzieren.

Flächenverbrauch Luftschadstoff-Emissionen Energieverbrauch
Habitatfragmentierung Lärmemissionen Ressourcenverbrauch
Unfälle

Tabelle 2: Negative Auswirkungen des Güterverkehrs

Diese Auswirkungen beeinträchtigen die Lebensqualität und Gesundheit der Bevölkerung sowie die Umwelt (vgl. Kapitel 6). So gibt es jährlich über 2`000 frühzeitige Tote aufgrund von Luftschadstoff-Emissionen des Verkehrs, da die Abgase die Atmungsorgane und den Kreislauf schwächen. Weiter führen die genannten negativen Auswirkungen zur Beeinträchtigung von Ökosystemen, dem Verlust von Biodiversität und als Folge zum Rückgang der Ökosystemdienstleistungen. Auch werden etwa Flächen anderen Nutzungen entzogen.

8.2 Handlungsbedarf

Die heutigen negativen Auswirkungen des Güterverkehrs (vgl. Kapitel 6) und die Prognosen, die auf der Fortsetzung vergangener Entwicklungen beruhen (vgl. Kapitel 7), zeigen, dass die definierten Ziele heute und bei einem Weiter-wie-bisher auch in Zukunft bei weitem verfehlt würden. So würden etwa die CO2-Emissionen nach den heutigen Prognosen 2050 ein Vielfaches über dem Ziel des Pariser Klimaabkommens zu liegen kommen. Daraus lässt sich ein grosser Handlungs- bzw. Veränderungsbedarf implizieren.

Dies weicht insofern vom heutigen Vorgehen ab, als dass heute oft von den Prognosen ausgegangen wird und diese als gegeben angesehen werden und in Folge die politischen Massnahmen darauf fokussiert werden (vgl. Kapitel 10.10.1). Doch Prognosen sind nicht naturgegeben und können durch Massnahmen der EVUs und Politik verändert werden. Sie geben kein Abbild der tatsächlichen Entwicklung wieder, sondern beruhen auf der Fortsetzung vergangener Entwicklungen. Zudem ist die zukünftige Entwicklung sehr schwierig abschätzbar und die Prognosen in Folge sehr unsicher. So gingen etwa die Prognosen der letzten 20 Jahre stets von einer zu optimistischen Entwicklung des SGVs aus. Prognosen geben Anhaltspunkte, in welche Richtung sich die Gesamtverkehrsentwicklung bewegt und aus ihnen kann der Handlungsbedarf abgeschätzt werden. Aber nicht mehr. Deshalb müsste meiner Meinung nach mehr von den Zielen aus der Handlungsbedarf abgeschätzt werden, was zu deren Erreichen unternommen werden muss, als andersherum die Zukunft aus den Prognosen abzulesen zu versuchen.

8.3 Strategien zur Zielerreichung

Es gibt verschiedene Strategien, um die negativen Auswirkungen des Güterverkehrs zu reduzieren (vgl. auch Kapitel 10.1.6): Erstens durch technische Verbesserungen an den Strassenfahrzeugen bzw. dem Rollmaterial und der Infrastruktur. Zweitens durch Reduktion des Güterverkehrs, was wiederum durch optimierte Wertschöpfungsketten und Verkehrsströme oder einen Rückgang der Güternachfrage geschehen kann. Und drittens durch Verlagerung von Gütertransporten von der Strasse auf die Schiene.83 Doch wieso ist letzteres eine Strategie zur Zielerreichung?

Wie im Kapitel 6 gezeigt, sind die negativen Auswirkungen des SGVs pro transportiertes Gut in allen Bereichen um ein Vielfaches geringer als im Strassengüterverkehr, der Treibhausgasausstoss liegt sogar bereits heute praktisch bei null. Elektrisch betriebene Lkws haben zwar geringere negative Auswirkungen als konventionelle, doch sind sie im Vergleich zum SGV immer noch sehr hoch. Auch ändert sich am hohen Flächen- und Energiebedarf nur wenig. Ich denke zwar, dass sich die negativen Auswirkungen in Zukunft aufgrund technologischer Verbesserungen verringern werden, doch bleibt die Grundsystematik, dass der SGV viel effizienter ist, erhalten. Zudem würde ein hoher Mehrbedarf an Strom resultieren, wenn die heutige Lkw-Flotte vollständig elektrisch betrieben würde. Ich frage mich deshalb, ob dies überhaupt möglich ist, da auch für andere Bereiche wie dem Personenverkehr oder Wärmesektor Elektrifizierungsziele bestehen.

Aus diesen Gründen führt eine Verlagerung von Gütertransporten von der Strasse auf die Schiene in jedem Fall zu einer Verringerung der negativen Auswirkungen des Güterverkehrs und ist meiner Meinung nach für ein Erreichen der definierten Ziele notwendig. Doch können eine Reduktion des Güterverkehrs und die technischen Massnahmen nicht als Alternative zur Verlagerung angesehen werden, da es für die Umwelt auch mit weniger Güterverkehr oder verbesserten Lkws immer noch besser ist, Gütertransporte von der Strasse auf die Schiene zu verlagern.

Der Klimaschutz stellt einen Spezialfall dar und wird deshalb kurz separat betrachtet: Die CO2-Emissionen müssen im Gegensatz zu den anderen negativen Auswirkungen des Güterverkehrs nicht nur um einen bestimmten Prozentsatz, sondern vollständig um 100% reduziert werden. Auf dieses Ziel kann mit folgenden Strategien hingewirkt werden: Erstens durch Erhöhung der Effizienz. Zweitens durch Substitution, worunter das Ersetzen der fossilen Brennstoffe durch erneuerbare Energiequellen verstanden wird. Und drittens der Suffizienz, was einer Verringerung der Güternachfrage entsprechen würde. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen die fossilen Energieträger letztlich substituiert werden, also der Güterverkehr entweder verlagert oder auf Lkws mit alternativen Antrieben durchgeführt werden. Doch Effizienzmassnahmen und Suffizienz helfen der Substitution, da bei einer Steigerung der Effizienz oder einem Verkehrsrückgang weniger substituiert werden muss. Dabei stellt eine Verlagerung des Strassengüterverkehrs auf die Schiene gleichzeitig eine Effizienz- und eine Substitutionsmassnahme dar, da einerseits die negativen Auswirkungen pro transportiertes Gut geringer als auf der Strasse sind und der Transport praktisch emissionsfrei ist.

Wie viele Gütertransporte genau verlagert werden müssen und wie stark der Güterverkehr zurückgehen müsste, um die Ziele zu erreichen, ist sehr schwierig abzuschätzen. Dies muss auch gar nicht genau bestimmt werden, da es der Umwelt letztlich egal ist, wie hoch der Modalsplit ist: Aus Sicht der Umwelt ist es nicht relevant, wie die negativen Auswirkungen reduziert werden, sondern dass sie reduziert werden.

Wie der SGV in der Fläche von den EVUs weiterentwickelt und verbessert werden kann und welche politischen Massnahmen möglich sind, um die Ziele zu erreichen, wird in den Kapiteln 9 und 10 aufgezeigt und diskutiert. Es geht dabei nicht darum, eindeutig festzulegen, was genau zur Zielerreichung notwendig ist, da dies aufgrund der Komplexität und den verschiedensten Wirkungszusammenhängen sehr schwierig abschätzbar ist. Aus demselben Grund werden in dieser Maturaarbeit auch keine Verlagerungsziele oder sonstigen Zahlenwerte definiert. Vielmehr werden nur Möglichkeiten der EVUs und Politik aufgezeigt, analysiert und vorgeschlagen, die zur Zielerreichung beitragen können und die zeigen, in welche Richtung die Weiterentwicklung nach der Meinung des Autors gehen sollte.

Schienengüterverkehr in der Schweiz

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