Читать книгу Love is all we crave - Siobhan Davis - Страница 6

2. Kapitel

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»Das meinst du nicht ernst, oder?«, knurrt Jackson. »Kai wird völlig ausrasten!«

»Kai wird immer eine Zielscheibe auf seinem Rücken haben, wenn ich diese Sache nicht durchziehe«, erkläre ich ruhig, sammle meine Stilettos ein und ziehe sie wieder an. Dann richte ich mich auf. »Es gibt Dinge, über die ihr noch nicht Bescheid wisst. Dinge, in die Kai euch einweihen kann. Ich muss jetzt zurück in den Raum und mich wie alle anderen von dem Gas ausknocken lassen.« Jackson fällt die Kinnlade runter. »Und ihr müsst die Liebe meines Lebens von hier wegschaffen, bevor mein Vater zurückkehrt und euch alle aus dem Weg räumt.«

»Abby.« Jackson schüttelt seine Fassungslosigkeit ab und umfasst mein Kinn. »Ich werde dich nicht hier zurücklassen. Du kannst ihn nicht heiraten.«

»Und ob ich das kann.« Mein Blick wandert zwischen den beiden hin und her. »Denkt doch mal drüber nach. Es ist der perfekte Plan.«

Sawyer und Jackson sehen einander an, und ich kann genau den Moment ausmachen, in dem sie begreifen. Ein durchtriebenes Grinsen breitet sich auf Sawyers Gesicht aus. »Was sollen wir tun?«

Ich blicke nach oben zur Kamera über uns. »Zuallererst müsst ihr Xavier kontaktieren, damit er aus der Ferne das Sicherheitssystem hackt und alle Kameras manipuliert. Vater wird das als Teil eures Plans erwarten und keinen Verdacht schöpfen, wenn alle Geräte ausgeschaltet wurden.«

»Ist schon so gut wie erledigt«, sagt Sawyer und zieht sein Handy hervor.

»Warte!« Mir ist gerade noch ein Gedanke gekommen. »Xavier soll davor noch rasch den Kamerafeed der letzten vierundzwanzig Stunden kopieren. Hoffentlich war diese Kamera an und hat aufgezeichnet, wie mein Vater Charles Barron ermordet hat.« Das könnte lohnenswertes Erpressungsmaterial sein.

»Was zum Teufel?«, stößt Jackson aus.

Ich nicke. »Charlie hat seinem Vater verraten, was meinen Erzeuger dazu bewog, ihm vor allen Leuten eine Kugel in den Schädel zu jagen.«

»Scheiße.« Sawyer macht große Augen. »Was zur Hölle ist nur mit Charlie Barron passiert?«

»Ich habe den Eindruck, er ist durchgedreht«, gestehe ich. »Und er verliert immer mehr die Kontrolle. Er denkt, er würde bei den großen Jungs mitspielen, aber ich bin mir sicher, dass mein Vater ihn nur benutzt.«

»Das ist ein weiterer Grund, warum du mit uns von hier verschwinden und dich verdammt noch mal aus seiner Reichweite bringen musst«, wirft Jackson ein.

Ich schüttle den Kopf. »Ich werde Charlie heiraten und einen auf liebende Ehefrau machen. In angemessenem Rahmen, sonst glaubt er mir nicht. Und ...« Ich lege Jackson eine Hand auf den Mund und hindere ihn so, auch nur ein Wort zu entgegnen. »Ich werde nicht zulassen, dass er mich anfasst. Das könnt ihr Kai versichern.«

»Er wird nicht einfach danebenstehen und das zulassen«, meint Jackson. »Das weißt du. Bei dieser Aktion könnte er am Ende genauso tot enden.«

Ich pieke ihm mit dem Finger gegen die Brust. »Sag das gefälligst nicht!«, zische ich. »Wenn er von meinem Plan erfährt, wird er einsehen, dass es der einzige Weg ist. Der Weg ins Licht führt nur durch die Dunkelheit, nicht wahr?«

»Und wie sieht dein toller Plan genau aus?«, fragt Sawyer nach und bückt sich, um die Gasmaske aufzuheben.

»Das werde ich hier nicht verraten. Sobald es möglich ist, sorge ich dafür, dass sich Drew mit euch in Verbindung setzt und ein Treffen arrangiert. Haltet Kai einfach für ein paar Tage von mir fern.«

»Ich bezweifle ohnehin, dass er die nächsten Tage das Bett verlassen kann«, erwidert Sawyer. »Atticus wird so was von angepisst sein, wenn er sieht, in welchem Zustand sein Sohn ist. Ich bin sicher, dass Michael die Auflage hatte, ihn nicht zu schwer zu verletzen.«

»Der Bastard macht die Regeln selbst. Niemand sagt ihm, was er zu tun oder lassen hat. Atticus hätte es besser wissen müssen, als einen Pakt mit dem Teufel zu schließen.«

»Kai wird uns die Hölle heißmachen, wenn er erfährt, dass wir dich zurückgelassen haben.«

»Das ist mir bewusst, aber er wird mir einfach vertrauen müssen. Wenn wir das beenden wollen, wenn wir meinen Vater fertigmachen wollen, tun wir das ab jetzt auf meine Weise. Ich bin diejenige, der er alles genommen hat, und ich werde ab sofort die Regeln aufstellen.« Ich stemme die Hände in die Hüften und sehe die beiden herausfordernd an. »Genug der Worte, es ist an der Zeit für Taten. Wenn euch das nicht gefällt, dann verpisst euch zurück nach New York.«

Jackson bricht in Gelächter aus und zieht mich in seine Arme. »Können wir bitte einen Weg finden, dich zu klonen? Ich brauche eine eigene Abby nur für mich.«

»Lauder«, sagt Sawyer warnend, was Jackson veranlasst, ihm den Stinkefinger zu zeigen.

»Entspann dich, Bro. Ich meinte das im übertragenen Sinne.« Jackson drückt einen sanften Kuss auf meine Stirn und lässt mich los. »Abby gehört Kai. Das weiß ich.«

»Ihr müsst verschwinden«, dränge ich sie und sehe über meine Schulter, als sich plötzlich all die feinen Härchen in meinem Nacken aufrichten. »Ich werde nervös. Wenn ihr zu früh aufgetaucht und den Deal missachtet habt, wird Vater das nicht einfach so hinnehmen. Ich bin überrascht, dass er noch nicht wieder mit seinen Wachen hier aufgetaucht ist.«

Jackson zwinkert mir zu und tippt sich gegen die Schläfe. »Das kommt daher, dass ich nicht nur ein hübsches Gesicht habe. Es war meine Idee, auch Gas in den Mitarbeiterraum einzuleiten. Darum sind jetzt alle ausgeknockt, inklusive der Bodyguards.«

»Es gibt Wachen, die für die äußeren Bereiche des Anwesens zuständig sind«, gebe ich zu bedenken und umfasse den Türknauf.

»Um die Kerle haben wir uns ebenfalls gekümmert«, berichtet Sawyer. »Wenn überhaupt hat sich dein Vater irgendwo versteckt, um zu warten, bis das Ganze vorbei ist. Er weiß, dass wir unser eigenes Ding abziehen und ihn drankriegen wollen.«

»Das könnte sein«, stimme ich zu, da der Bastard unter keinen Umständen versuchen würde, die Eindringlinge ohne Unterstützung zu überwältigen. »Das bedeutet dennoch, dass er hier irgendwo ist. Ihr müsst Kai in Sicherheit bringen. Jetzt sofort.«

Die Jungs nicken, ehe sie wieder ihre Gasmasken zurechtrücken. Ich werfe einen letzten Blick über meine Schulter. »Sagt ihm, dass ich ihn liebe, und dass ich das hier für uns mache.«

Nachdem sie mir erneut ihre Zustimmung signalisiert haben, öffne ich die Tür zu dem Raum. Nur knapp schaffe ich es zu Charlie, ehe ich an seiner Seite bewusstlos zu Boden sinke.

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»Diese verfickten Mistkerle sind so was von tot«, stöhnt Charlie und hält sich den Kopf. »Und wie bitte sehr ist es dazu gekommen, dass du neben mir bewusstlos wurdest?«, fragt er und beäugt mich misstrauisch.

»Auf diese Frage hätte ich auch gern eine Antwort«, wirft der Bastard ein. Kurz mache ich mir Sorgen, dass er vielleicht die Überwachungskameras im Blick hatte, während ich mit Sawyer und Jackson draußen im Flur war. Bei dem Gedanken, dass er über mein falsches Spiel im Bilde sein könnte, bricht mir kalter Schweiß aus. Doch ich schiebe diese Sorgen rasch beiseite. Vater weiß nicht, wie man sich Zugriff auf die Kameras verschafft, und er hat bisher noch nie den Securityraum betreten.

»Maurio ist in das Zimmer geeilt, als wir laute Geräusche gehört haben. Er hat mir eingeschärft, draußen zu warten, aber ich habe einen Schuss vernommen und bin in Panik geraten. Dann habe ich dich und Drew ohnmächtig auf dem Boden gesehen«, erkläre ich und halte Charlies Blick stand. »Ich hatte Angst, ihr könntet tot sein, also habe ich nicht gezögert, sondern bin zu euch gerannt. Ich wäre niemals darauf gekommen, dass es sich um Schlafgas handelt. Dann bin ich ohnmächtig geworden.«

Charlies Gesichtsausdruck verändert sich und er sieht mit einem Mal so aus, als würde er mich gleich küssen wollen.

Mein Vater hustet und ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. Er glaubt mir nicht so einfach. Zeit, um für eine Ablenkung zu sorgen. »Wie du dem Ganzen entgehen konntest, obwohl du im selben Raum mit uns warst, ist eigentlich noch eine bessere Frage«, sage ich, auch wenn ich damit riskiere, seine Wut zu entfachen. Die Jungs haben Kaiden in Sicherheit gebracht, und das ist alles, was zählt.

Charlie sieht meinen Vater aus zusammengekniffenen Augen an. »Sie schienen zu wissen, was vor sich ging, und haben den Raum verlassen, bevor der Rest von uns es herausfinden konnte. Wie war das möglich?«

Die Nasenflügel meines Vaters beginnen zu beben. »Du wagst es, mich zu hinterfragen?« Seine tiefe Stimme ist voll von unausgesprochenen Drohungen.

Drew schlendert zu uns herüber und reibt sich an den Schläfen, während er dem Gespräch lauscht.

»Wir haben einen Deal«, spuckt Charlie dem Bastard entgegen. »Sie sollten mir nichts vorenthalten.«

Mein herzallerliebster Vater wirft lachend den Kopf zurück, bevor er Charlie auf die Schulter klopft. »Mein Junge, du hast noch viel zu lernen.« Sämtlicher Humor verschwindet aus seinem Gesicht, als er ihn warnend fixiert. »Fordere mich nicht öffentlich heraus, mein Sohn. Das Ergebnis würde dir nicht gefallen.« Er lässt seinen Blick in einer offensichtlichen Drohung zu mir wandern, und ein Schauder kriecht über meinen Rücken.

Drew versteift sich und öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch ich schüttle leicht den Kopf. Er hat schon genug Probleme am Hals. Vorhin hat er mich verteidigt und Vater wird ihn dafür bezahlen lassen. Ich möchte nicht, dass er die Situation noch verschlimmert.

Charlie legt seinen Arm um meine Taille und zieht mich an seine Seite. »Bedrohen Sie nicht meine Frau.«

»Sie ist noch nicht deine Frau«, ruft Vater ihm in Erinnerung und Zorn huscht über seine Gesichtszüge. »Aber das werden wir jetzt korrigieren.« Er schnippt mit den Fingern nach dem armen Pfarrer. Der Mann sitzt mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, umklammert seinen Bauch und sieht benommen und verwirrt aus. »Mr Wittington. Stehen Sie auf«, bellt der Bastard. »Wir müssen die Zeremonie abschließen.«

»Ich fühle mich nicht so gut, Mr Hearst«, gibt der Pfarrer zu und tupft sich mit einem Taschentuch die Schweißperlen von seiner Stirn.

Ich kann sein Befinden nachvollziehen. Ich habe mörderische Kopfschmerzen und mir ist schwindelig sowie ein wenig übel, aber das geht allen anderen Anwesenden auch so. Sylvia ist immer noch bewusstlos auf der Couch zusammengesackt, auf der sie gesessen hat. Christian und Trent sind gerade erst wieder zu sich gekommen. Der Bastard verlangt von Benjamin, seine neue Verlobte Patrice in sein Zimmer zu tragen, bis sie aufwacht. Ich habe keine Ahnung, wohin Charlies Mutter und Schwester verschwunden sind. Er hatte sie angewiesen, zu gehen, bevor Vater die Aufnahme von Kai und mir beim Analsex abspielte. Wut steigt in mir bei der Erinnerung an diese demütigende Szene auf, aber ich dränge sie schnell zurück.

Meine Gefühle sind jetzt nicht hilfreich.

»Reißen Sie sich gefälligst zusammen.« Vater sieht den Pfarrer offensichtlich angewidert an.

Mr Wittington wischt sich die Stirn ab und steckt sein Taschentuch in die Innentasche seines Jacketts. Er nickt einmal und erhebt sich, bevor er sich noch einmal bückt, um sein Buch aufzuheben. Nachdem er auf die richtige Seite geblättert hat, räuspert er sich, ehe er den Kopf hebt und einen ungeduldigen Blick in unsere Richtung wirft. Er scheint es plötzlich eilig zu haben, diesen Ort zu verlassen. Nicht, dass ich ihm das verübeln könnte. Dieses Gefühl kann ich absolut nachvollziehen.

Drew positioniert sich auf meiner anderen Seite und verschränkt seinen kleinen Finger auf eine Weise, die niemand sehen kann, mit meinem. Tränen brennen mir für einen kurzen, einsamen Moment in den Augen, bevor sich eine eisige Decke über mich legt und mich taub für alles um mich herum macht.

Charlie hält mich fest, während wir vor dem Pfarrer stehen und diese Scharade fortführen.

Meine Gedanken schweben davon, während er seine Worte spricht. Ich erinnere mich an eine glücklichere Zeit, an die Tage mit Kai zuvor, und ich weiß, dass ich mich an diese Erinnerung klammern muss, wenn ich die nächsten Wochen und Monate überstehen will.

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»Mom, bitte«, fleht Charlie seine Mutter an, als wir neben seinem Land Rover vor dem Eingang des Anwesens der Mannings stehen. Mrs Barron hat gerade vom Tod ihres Mannes erfahren, und sie ist untröstlich.

In für ihn typischer Manier hat mein Vater Atticus die Schuld gegeben und ihr erzählt, einer seiner Männer hätte Charles getötet, weil er sie am Versuch gehindert hätte, Kai zu retten. Ich bin nicht sicher, ob sie diesen Worten Glauben schenkt oder ob die näheren Umstände für sie überhaupt von Bedeutung sind. Lil, Charlies Schwester, sitzt auf dem Rücksitz des Autos, hat ihren Kopf gegen das Fenster gelehnt und starrt ins Leere. Sie tut mir unglaublich leid. Ich weiß, wie es ist, einen Elternteil zu verlieren, davon erholt man sich nie. Man findet nur einen Weg, es zu überleben. Jeden Tag aus dem Bett aufzustehen und einen Fuß vor den anderen zu setzen, aber man vergisst es nie.

Charles Barron stand in letzter Zeit auf meiner schwarzen Liste, seinen Tod hätte ich mir dennoch nicht gewünscht. Er war ein guter Vater und Ehemann. Er hatte es nicht verdient, zu sterben. Noch weniger hat er es verdient, von seinem eigenen Sohn verraten zu werden.

Mir wird jedes Mal schlecht, wenn ich daran denke. Was ist mit dem Charlie passiert, den ich kannte und liebte? Diese neue Version von ihm ist ein erbärmlicher Ersatz.

Ein kalter Windstoß ergreift meine Haarsträhnen und weht sie mir ins Gesicht. Meine Hand fühlt sich unter dem Gewicht meines Verlobungs- und meines Eherings schwer an, während ich mir das Haar aus der Stirn streiche. Drew zieht traurig die Mundwinkel nach unten, und ein schmerzvoller Ausdruck liegt in seinen Augen, als er mich in seine Arme nimmt. »Es tut mir leid, dass ich das nicht kommen gesehen habe«, flüstert er mir ins Ohr, während er Charlie unablässig beobachtet. Dieser ist jedoch damit beschäftigt, seine todtraurige Mutter in das Auto zu bugsieren, weshalb er uns keine Aufmerksamkeit schenkt.

»Du musst ein paar Dinge für mich erledigen«, wispere ich, weil ich diese Gelegenheit auf keinen Fall ungenutzt lassen möchte. »Bitte Rick, mir ein Schlafmittel zu besorgen, vorzugsweise in flüssiger Form, und organisiere mir eine neue Handtasche mit einem Geheimfach. Xavier hat mir geholfen, meine letzte zu bestellen, daher wird er wissen, was zu tun ist. Leg ein neues Handy sowie eine kleine Waffe hinein und ruf in den nächsten Tagen bei Charlie an, um eine Gelegenheit zu schaffen, wo du sie mir übergibst. Du kannst sagen, sie wäre mein Weihnachtsgeschenk gewesen.«

»Bitte geh kein unnötiges Risiko ein«, mahnt er und fährt mit einer Hand über meinen Rücken, als mich ein Zittern durchläuft.

Ich zucke mit den Schultern. »Ich habe nichts mehr zu verlieren, Drew«, sage ich mit leiser Stimme. »Er hat mir schon alles genommen.«

»Nein.« Drew zwingt mich, ihn anzusehen. Im Hintergrund fleht Charlie seine Mom an, in den Wagen zu steigen. »Nutz diesen Gedanken, um deine Rache voranzutreiben, aber betrachte es nicht auf diese Weise.« Er küsst mich auf die Wange. »Darauf zielt er ab. Er will, dass du denkst, du hättest nichts mehr, aber es gibt noch eine Menge, wofür es sich zu leben lohnt. Vergiss das nicht, A.« Er küsst mich auf die andere Wange. »Und verlier nicht deinen Kampfgeist, den brauchen wir jetzt mehr denn je.«

Mrs Barron fällt auf die Knie und ein lautes, gequältes Schluchzen erfüllt die Nacht. Charlie sieht flehentlich zu mir herüber.

Ich schulde ihm gar nichts. Er verdient es, für die Rolle, die er in dieser ganzen Sache gespielt hat, innerlich zu sterben. Mrs Barron ist allerdings eine Unschuldige in diesem Spiel, und sie braucht meine Hilfe.

Ich löse mich aus Drews Umarmung. »Zwei Tage, D. Bitte lass mich nicht im Stich.«

Er zieht mich zurück an seine Brust und drückt mich fest an sich. »Ich habe versprochen, dass du auf mich zählen kannst, und das meinte ich auch so. Pass auf dich auf, kleine Schwester. Und ruf mich an, wenn irgendein Notfall eintritt. Ob bei Tag oder bei Nacht, ganz egal, zu welcher Uhrzeit. Und ich pfeife auf irgendwelche Konsequenzen. Wenn du mich brauchst, bin ich da.«

Ich schlinge die Arme um seinen Hals. »Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch. Und ich brauche dich, also gib auf dich Acht.«

Nach diesen Abschiedsworten gebe ich ihn frei, um auf Charlie und seine Mom zuzugehen. »Elizabeth.« Ich sinke zu ihr zu Boden und ignoriere, wie sich der scharfkantige Schotter in meine Schienbeine bohrt. Ich lege meine Arme um sie und höre Charlie dankbar und erleichtert die Luft ausstoßen, als sie sich weinend gegen mich fallen lässt. »Ich kann mir kaum vorstellen, wie du dich fühlst. Dein Verlust tut mir unglaublich leid. Kannst du dennoch versuchen, dich ein wenig zusammenzunehmen? Zumindest, um deine Tochter zu trösten?« Ich streiche ihr über das Haar. »Lillian braucht dich. Sie trauert ebenfalls.« Ihr Schluchzen ebbt kurz ab, ehe es wieder lauter wird.

Charlies Blick aus seinen durchdringend grünen Augen bleibt an meinem haften, und in diesem Moment verbirgt er nichts mehr vor mir. Pein ist die vorherrschende Emotion, die darin schimmert. Ich weiß nicht, was er wegen seinem Dad empfindet, aber die Gefühle gegenüber seiner Mom sind glasklar. Es bringt ihn förmlich um, dass sie leidet, und er möchte ihren Schmerz auslöschen.

Augenblicke wie diese lassen mich innehalten und nachdenklich werden. Vielleicht ist Charlie doch nicht völlig verloren, auch wenn ich ihm niemals vergeben werde. Nicht, solange ich lebe. Es gibt nichts, was er sagen oder tun kann, das seine Taten jemals rechtfertigen könnte. Ich vermute, dass er von all dem kranken Scheiß, den er mit ansehen und in Parkhurst tun musste, einen Knacks davongetragen hat. Letzten Endes geht es jedoch darum, worauf mein Bruder vor einer Weile angespielt hat. Wo beginnt die Verantwortlichkeit einer Person, die einen Auftrag ausführt? Man kann sich nicht ewig hinter dem Bösen verstecken und nichts dagegen tun. Es kommt eine Zeit, in der man vortreten und für die eigenen Taten einstehen muss. So wie Drew es versucht. Aber bei Charlie wirkt es eher, als würde er nur noch tiefer im Morast versinken.

»Komm schon, Elizabeth.« Ich halte sie auf Armeslänge von mir weg und zwinge sie, mich anzusehen. Ihre rot umrandeten, tränenverschleierten Augen wirken halbtot, was meinem Herzen einen schmerzhaften Stich versetzt. Elizabeth und Charles Barron waren echt. Sie liebten sich wirklich. Ich schaue in das erschütterte Gesicht einer Frau, die die Hälfte ihres Herzens und ihrer Seele verloren hat. Ein stechender Schmerz durchschneidet meine Brust und ich habe Mühe, zu atmen, als ich mir vorstelle, wie es wäre, Kai zu verlieren.

Der Gedanke stärkt meine Entschlossenheit und ich ziehe sie auf die Füße und schiebe sie sanft in die Arme ihres Sohnes. Steif hält Charlie sie von hinten fest, und ich frage mich, ob er Reue empfindet, weil er ihr das angetan hat. Jedes Mal, wenn er sie für den Rest seines Lebens ansieht, wird er daran erinnert werden. Ich frage mich, ob ihm das bewusst war.

Ich wische die Tränen von Elizabeths Wangen fort und streiche ihr das Haar hinter die Ohren. »In meiner Vorstellung fühlt es sich an, als würde deine Welt untergehen, und ich hasse, was du durchmachst. Deine Tochter braucht dich jedoch.« Elizabeth dreht sich um und schaut auf den Rücksitz. Lil sieht uns mit Tränen im Gesicht an. »Sei stark für sie«, flüstere ich. »Wir helfen dir dabei, das durchzustehen.«

Sie schnieft und nickt, bevor sie die hintere Autotür öffnet und sich neben ihre Tochter setzt.

»Danke, Abby.«

Ich schließe die Tür des Wagens, drehe mich um und schaue Charlie voller Abscheu an. »Dank mir nicht dafür, dass ich dir zu Hilfe gekommen bin«, zische ich leise. Ich bezweifle, dass Elizabeth mich hören kann, weil die Fenster geschlossen sind und sie so von Trauer verzehrt ist, dass sie ihre Umgebung kaum wahrnimmt, aber man kann nie vorsichtig genug sein. »Denn ich habe es für deine Mom getan. Nicht für dich.«

»Ich wusste es nicht«, ruft er, als Drew neben uns tritt. »Ich schwöre, ich hätte niemals gedacht, dass er ihn auf eine so abscheuliche Weise töten würde«, fügt er leise hinzu.

»Sei nicht so unglaublich naiv«, knurrt Drew mit kaltem Ton. »Was zum Teufel hast du erwartet, dass unser Vater tun würde, wenn du ihm offenbarst, dass Charles ein doppeltes Spiel spielt?«

Charlie lässt den Kopf hängen, und das Ausbleiben jeglicher Entgegnungen spricht Bände. Er war vielleicht nicht in das genaue Vorhaben meines Vaters eingeweiht, aber ihm kann nicht entgangen sein, welcher Mann er ist. Und er konnte sich ausmalen, was passieren würde. Tief im Inneren wusste er, dass der Bastard seinen Vater nach diesem Verrat nicht am Leben lassen würde.

Und dennoch hat er seine Pläne weiter ausgeführt.

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