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Ein Tag im Januar 2015

Verdammter Mist, was ist denn in meiner Brust los? Zu viel geraucht, oder was? Jetzt ist es wohl so weit. Lungenkrebs?

Mir ging es nicht gut. Das Luftholen fiel mir schwer. Und dann auch noch das Feuer in der Brust. Ich ahnte, dass diesmal irgendetwas im Anmarsch war, das man nicht mit Kamillentee, alkoholfreiem Bier oder Wadenwickel wegkriegt.

So richtig ausgebrochen war der schlechte körperliche Zustand so gegen 17:00 Uhr am Abend. Ich hatte gerade noch im Schuppen an meinem Motorrad gebastelt. Aber gut ging es mir dabei schon nicht. Es war irgendein Unwohlsein, ein Druck auf der Brust, der mich später dazu zwang, ins Haus zu gehen. Es wurde schlimmer, das Brennen auf und in der Brust. Das schlechte Luftkriegen wurde stärker. An meinem Gedankenhorizont tauchte der Sensenmann auf. Ja, wirklich, ich dachte, dass es jeden Augenblick so weit sei und ich umfallen und tot sein würde. Dass ich tatsächlich nur Millimeter davon entfernt war, ahnte ich nicht. Mit einer Kraft, einem Automatismus, mit einem offenbar angeborenen Selbsterhaltungstrieb, von dessen Existenz ich bis dato nichts wusste, torkelte ich rüber zu den Nachbarn, bei denen meine Frau zu Gast war. Ich erinnere, dass mein Blickfeld extrem eingeschränkt war. Es war eine Art Tunnellaufen aus meinem Haus heraus, über die Straße hinweg, hinein in die Küche, in der meine Frau mit der Nachbarin am Tisch saß. Ich bat sie, mich zum Arzt zu fahren und bat auch darum, mich gleich nach Berlin-Buch, ins Krankenhaus zu karren.

Meine Atemnot wurde schlimmer. Wir gingen beide zurück zu unserem Haus und zogen uns irgendwas an. Ein paar Augenblicke später düsten wir, meine Frau am Steuer, ich luftschnappend auf dem Beifahrersitz, in das Klinikum Berlin-Buch. Es sind nur 10 Minuten Autofahrt, nicht weit also. Gott sei Dank.

Unterwegs wurde es schlimmer. Sauerstoff war Mangelware. Mit offenem Beifahrerfenster, ich mit Schnappatmung, der frischen Luft wegen trafen wir auf dem Parkplatz des Krankenhauses ein. Ob wir nach dem Aussteigen aus dem Auto einfach losgingen, liefen, rannten oder Hals über Kopf irgendetwas Komisches veranstalteten, weiß niemand mehr. Kilometerlang erschien mir der Flur des Klinikums. Tausend Türen und ein nicht wahrnehmbarer Horizont. Tunnelblick. Überall Stimmen, die ich nicht verstand, die an mir vorbei waberten. Alle Sprachen der Welt und des gesamten Universums warfen mir Wörter zu, deren Sinn mir gleichgültig war. Es gab nichts mehr, außer mich selbst. Meine Beine funktionierten wie automatisch. Schritt für Schritt, wie bei einem Marsch um die Welt. Dann – mein Unterbewusstsein empfahl es auf Deutsch – bogen wir nach links ab. Roter Bereich, klar. Es war abends, 18:30 Uhr. Ich schaffte es noch bis auf eine Bank im Wartebereich. Dort sackte ich zusammen, sah nichts mehr, hörte nichts mehr, spürte nichts mehr und war out of freien Willen.

Zusammenbruch.

Zuckend, dem Tod näher als dem Leben, mit Schaum vor dem Mund, verkrampft lag ich zitternd da. Mein Herz flimmerte, der Körper war ohne Funktion, der Geist ebenfalls.

Meine Frau schrie.

Und schrie.

Und schrie.

Schwarz war der Augenblick, leicht das Loslassen, schwindelfrei der Flug. Dann kam der Tod, er küsste mich inbrünstig, bevor er mich fest umarmte und probehalber mitnahm. Wir hoben ab. Was ein Mistkerl.

Ob das Leben, mein Leben noch einmal an mir vorbeizog? Nein, überhaupt nicht.

Dem Tod in seine starken Arme springen geht so: Stellt euch einen fensterlosen Raum vor, eine Tür gibt es nicht. Die Wände sind weiß, ihr hockt in der Mitte auf dem Boden. An der Decke leuchtet ein Licht. Das seht ihr euch an, wundert euch, dass gerade etwas Unbekanntes mit euch passiert. Das Denken ist eingeschränkt. Ihr denkt nicht an eure Familie, nicht an euren Hund oder die erste Freundin oder Freund. Ihr denkt gar nichts. Alles Menschliche hat euch verlassen. Ihr seid nur noch Körper. An der Decke leuchtet unablässig das Licht, in das ihr starrt, ohne zu blinzeln. Ihr denkt nicht an die Ostsee oder die Berge, wo ihr so gern mal hin wolltet, von New York, wo ihr niemals ward, ganz zu schweigen. Ihr starrt ins Licht an der Decke, weil ihr spürt, dass es eine Funktion haben wird. Und ihr starrt und starrt und starrt. Dann, ihr habt es geahnt, geht das Licht aus. Einfach so. Ohne Ankündigung, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Gedanken habt ihr keine mehr. Die Dunkelheit und ihr werdet eins. Euer Herz schlägt nicht mehr.

Aus. Dunkel. Ende.

Die Gläubigen unter uns, die, für die das Glas immer halb voll ist, könnten in diesem Augenblick noch einen kurzen Traum haben. Vielleicht diesen hier:

Herzinfarkt - Eine wahre Geschichte von Ohnmacht, Hoffnung und Weiterleben

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