Читать книгу Herzinfarkt - Eine wahre Geschichte von Ohnmacht, Hoffnung und Weiterleben - Sonnhardt Pecksen - Страница 8

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Aufwachen

»Hallo! Wissen Sie, wo sie sind?«

Offenbar hatte Gevatter Tod mich aus seinen Krallen entkommen lassen. Doch kein Mistkerl?

Das Gesicht, das da gesprochen hatte, war mir vollkommen unbekannt. Ich lag in irgendwas. In einem Bett? Auf einer Bank? Beides stimmte nicht. In einer rollenden Trage lag ich und wusste nichts und gar nichts mehr. Ich wusste nicht, was mir passiert war. Neben dem Mann, der mich gerade gefragt hatte, wo ich bin, staunten mich die Augen meiner Frau an. Ein vertrautes Gesicht, das machte mich ruhiger.

»Helios-Klinikum«, antwortete ich und gab mir Mühe, deutlich zu sprechen.

Komisch, jetzt, wo ich darüber schreibe, fällt mir das Detail, das mit dem deutlich Sprechen wieder ein.

Der Mann streichelte mir das Knie, das die Decke verbeulte, unter der ich lag. Ich weiß noch, dass ich fühlte, dass ich dort aus dem Krankenhaus nie wieder heraus kommen würde. Jedenfalls nicht lebendig. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf fragte ich meine Frau, ob ich wirklich alles im Leben getan hatte, was ich mir einst vorgenommen hatte. Davon wollte sie natürlich nichts hören und hat mich zugeplappert mit irgendwas, an das ich mich nicht mehr erinnere. Sie wollte mich beruhigen, was aber sinnlos war. Mir war etwas Schreckliches passiert, das war mir klar. Ich hatte so viel Bilder im Kopf, wirres Zeug von Tod und Teufel und Ärzten und unbekannten Stimmen.

Da ich auf dem Rücken lag, an die Decke starrte, eine Lampe sah und darüber sinnierte, dass ein winziger Knips ausreichte, um sie auszuschalten, durchdachte ich meine neue Lage:

Wenn einst der Tanz zu Ende sein wird; das Kinderlachen, drüben vom Spielplatz, das du so gerne hörtest, dem sanften Geräusch der sich schließenden Türen der Intensivstation gewichen ist; das Vogelgezwitscher von den saugenden Geräuschen des Atemapparates übertönt wird; die neue Sonne, am cleanen weißen Himmel über dir (300 Watt Tageslicht-Energiesparlampe, Made in Hongkong, beim Krankenhauszulieferer nur 1599,00 Euro ohne Mehrwertsteuer) Helligkeit spendiert, aber keine Wärme, wenn sie dir Dinge beleuchtet, die du gar nicht mehr sehen willst, nicht als Letztes auf dieser Welt; wenn Besuchergesichter vor dir auftauchen, die du schon lange versucht hast zu vergessen; wenn das artikulierte Sprechen um dich herum einem Flüstern gewichen ist; dich Hände berühren, von denen du nicht weißt, wem sie gehören; man dich füttert und du dich nicht wehren kannst; geduzt wirst von 20-jährigen Kaugummi kauenden Rotzlöffeln, mit Knöpfen in den Ohren, kostümiert in Unschuldsweiß, (Pah!); wenn du auf bunte TV-Bilder starrst, die vormals auch dein Leben waren; dir das verstohlene Blicken deiner Besucher auf ihre Armbanduhren auffällt, ja, dann wird es Zeit, dann wird es allerhöchste Zeit hier zu verschwinden.

Der Mann, der Typ, ein Arzt, ein Kardiologe, das erfuhr ich viel später, also der, der gerade wissen wollte, ob ich mich erinnere, wo ich sei, erklärte mir nun, was man jetzt mit mir tun würde. Ich verstand kein Wort von alledem und schaute wahrscheinlich wirr in der Gegend herum. Ich wollte das alles gar nicht hören, wollte dort nicht sein, wusste aber auch keine Alternative. Von all dem hab ich heute kaum Bilder im Kopf. Ich weiß noch, dass ich in einen Raum geschoben wurde, in dem es kalt war. Ich erinnere mich, dass ich fror. Ich erinnere mich auch, dass eine Menge medizinischer Geräte dort herumstanden, aber das war’s dann auch. Wahrscheinlich bin ich eingeschlafen oder eingeschlafen worden oder für eine gewisse Zeit erfroren.

Und eben gerade war ich doch noch auf dem Baumarkt und daheim, in meiner Garage gewesen. Das war doch erst Sekunden her ...

Diagnose:

• ST-Hebungsinfarkt

• Koronare Dreigefäßerkrankung

• PCI und Dreifach-DE-Stent bei

verschlossener RCX, RIVA mit

70%iger Stenose, RCA mit

mittelgradiger Stenose

• Statin-induzierte CK-Erhöhung

• Arterieller Hypertonus

• Hyperlipoproteinämie

• Nikotinabusus

Aktuell wird der Patient selbst in der Rettungsstelle bei Angina Pectoris und Dyspnoe vorstellig. Auf dem Weg in die Rettungsstelle kommt es zum Kreislaufzusammenbruch mit Syncope. Eine durchgeführte initiale Reanimation zeigte ein Kammerflimmern, welches nach zweimaliger Defibrillation durchbrochen werden konnte. Anschließend zeigt sich ein Hebungsinfarkt der Lateralwand. Der Patient wird kreislaufstabil, nicht intubiert, nicht beatmet in den Herzkatheter übernommen.

Herzinfarkt - Eine wahre Geschichte von Ohnmacht, Hoffnung und Weiterleben

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