Читать книгу Die stürmische Braut - Sophia Farago - Страница 11
Kapitel 5
Оглавление„Auf Wiedersehen, meine Liebe!“ Kate umarmte ihre Freundin und drückte sie ganz fest an sich. „Ich wünsche dir eine gute Heimreise. Möge es euch auf den Landstraßen nicht über die Maße durchschütteln, und hoffentlich strapaziert Miss Goodhew deine Nerven nicht allzu sehr.“
„Ich werde es schon überleben“, sagte Vivian überraschend gelassen.
Kate fiel das jedoch nicht auf, denn sie war bereits beim nächsten Thema: „Richte bitte deiner Schwester unbekannterweise alles Gute zur Vermählung aus. Wie aufregend, dass du ihre Trauzeugin sein darfst. Ich war noch nie bei einer Hochzeit eingeladen und stelle mir das sehr romantisch vor.“
„Wenn ich heirate, dann wirst du meine Trauzeugin sein“, versprach Vivian, ohne lange nachzudenken. „Diese Rolle steht ja traditionellerweise einer jüngeren Schwester zu. Ich habe bekanntlich keine, wer könnte also passender sein als meine beste Freundin?“
Da schloss Kate sie ein weiteres Mal in die Arme. Als sie sich losmachte, hatte sie Tränen in den Augen. Vivian war so gerührt, dass auch ihre Augen feucht wurden.
„Ich wünsche Lady Penelope, dass sie mit ihrem Ehemann das Glück findet, das wir uns auch für unsere Zukunft erhoffen“, setzte Kate fort. „Ach, ich beginne dich bereits jetzt zu vermissen, Vivi. Mögen die Tage, bis wir uns in London wiedersehen, nur so dahinfliegen.“
Obwohl Vivian ebenfalls traurig war, ihre Freundin zu verlassen, versank sie weit weniger tief im Abschiedsschmerz. Dafür hatte sie viel zu viele Gründe, sich zu freuen. Endlich kam sie wieder nach Hause. Endlich waren die Jahre des strengen Unterrichts vorbei. Sie freute sich auch darauf, den Mann besser kennenzulernen, mit dem Penelope vor den Altar treten würde und von dem sie in ihren Briefen stets in den höchsten Tönen schwärmte. So sehr sie Penelope ihr Glück gönnte, Mr Markfield, ihr Zukünftiger, schien genau das Gegenteil von dem Ehemann zu sein, den sie selbst sich an ihrer Seite wünschte: Er war jung, ungestüm und anscheinend voller verrückter Ideen. Und denen ging er nach, anstatt sich den Pflichten zu widmen, die ihm als Mitglied der Oberschicht zukamen, und stets danach zu trachten, die Welt ein Stück besser zu machen. Nein, da hatte Miss Fellows ganz andere Vorstellungen von ihrer Zukunft. Vivian freute sich darauf, nach London zu kommen, um den passenden Gemahl zu finden. Aber zunächst einmal freute sie sich auf all ihre Geschwister, auf Lancroft Abbey und ja, sogar ein wenig auf ihre Mutter. Mochte sie noch so streng sein, Vivian konnte viel von ihr lernen. Mama hatte nach Vaters Tod die Leitung des Familiensitzes selbst übernommen und auch nicht vollständig aus der Hand gegeben, als Fredericas Gatte einen fähigen Verwalter zu ihrer Unterstützung einstellte. Miss Fellows meinte, jede Frau müsste über alle Belange eines großen Hauses Bescheid wissen. Also hatte Vivian vor, möglichst stark von Mamas Wissen zu profitieren, bevor endlich, endlich ihre eigene Zukunft beginnen würde.
„Warum trägst du eigentlich das schlichte blaue Reitkleid?“, unterbrach Kate ihre Gedanken. „Du bist doch jetzt kein Schulmädchen mehr. Denkst du nicht, dass dein vornehmes Reisekostüm geeigneter wäre, einen guten Eindruck auf die Wirtsleute am Weg zu machen? Dass man dich mit größerem Respekt behandeln würde?“
Vivian zeigte lachend auf die glänzende weinrote Kutsche mit dem Wappen des Viscount of Panswick am Schlag und auf den Kutscher, der in ebensolcher Uniform hoch erhobenen Hauptes neben einem Paar exzellenter Grauer stand.
„Ich glaube nicht, dass mein Reitkostüm nötig ist, um den gebührenden Eindruck zu erwecken, meinst du nicht?“
Kate lachte und umarmte ihre Freundin noch einmal. „Ach, Vivi, du wirst mir so sehr fehlen!“
In diesem Augenblick trat Miss Goodhew trippelnden Schrittes aus dem Schulgebäude und klatschte in die Hände: „Nun denn, das Gepäck ist verstaut, die Pferde sind angespannt. Auf, auf, wir wollen uns auf den Weg machen. Haben Sie sich angemessen von Mrs Clifford verabschiedet und sich für die Jahre hier im Haus bedankt, Lady Vivian?“ Sie wartete die Antwort nicht ab. „Aber gewiss haben Sie das. Denn das muss man einer wohlerzogenen Lady nicht extra ans Herz legen. Hopp, hopp, einsteigen, die Fahrt kann losgehen. Ach, ist das nicht aufregend?“
„Einen Augenblick!“, rief da eine energische Stimme. „Ich möchte mich auch noch einmal verabschieden.“
Vivian fuhr herum und sah Miss Fellows, die mit beherzten Schritten um die Ecke des Schulgebäudes geeilt kam. Sofort war sie an ihrer Seite. Sie hätte ihre Lieblingslehrerin gerne ebenso innig umarmt wie ihre Freundin zuvor, aber das erschien ihr unter den neugierigen Augen von Miss Goodhew nicht angebracht zu sein.
„Leben Sie wohl, Miss Fellows“, sagte sie daher und versank in einen tiefen Knicks. „Haben Sie vielen Dank für alles.“
Die Lehrerin ergriff ihre beiden Hände: „Die Freude war ganz auf meiner Seite, Lady Vivian. Und jetzt habe ich nur noch diesen einen Wunsch an Sie: Vergessen Sie nie, was wir besprochen haben! Vergessen Sie nie, was wir erträumen.“
„Erträumen?“ Miss Goodhew trippelte ein paar Schritte näher: „Was erträumen Sie denn?“
„Ach, so dies und das“, antwortete die Geschichtslehrerin leichthin und zwinkerte Vivian verschwörerisch zu. Dann zeigte sie auf die wartende Kutsche. „Ich denke, Sie sollten einsteigen, meine Gute, die Pferde werden bereits unruhig.“
Miss Goodhew machte umgehend wieder kehrt. „Die armen Pferde, unruhig werden sie? Nein, das wollen wir nicht. Ganz und gar nicht. Kommen Sie, Lady Vivian, wir müssen uns sputen!“
Eine energische Handbewegung folgte diesen Worten. Dann eilte sie davon, um ihnen auch Taten folgen zu lassen.
Miss Fellows beugte sich zu Vivian hinüber: „Sobald Sie den geeigneten Ehegatten gefunden haben, lassen Sie es mich umgehend wissen. Ich werde alles stehen und liegen lassen, um Ihnen beim Aufbau Ihres Internats zu helfen, das verspreche ich Ihnen.“
Da Miss Goodhew außer Sichtweite war, wagte Vivian es nun doch, ihre Lehrerin kurz in die Arme zu schließen. „Ich werde Sie nicht enttäuschen!“, versprach sie.
Miss Goodhews Gesicht erschien im offenen Kutschenschlag: „Nicht trödeln, meine Liebe! Kommen Sie, hopp, hopp!“
In diesem Augenblick kam der Reitknecht aus den Stallungen, um Vivians Reitpferd Blue Moon hinten an der Kutsche anzubinden. Das war auch für sie das Zeichen, dass die Reise losging. Sie versank noch einmal in einen Knicks, diesmal zum Zeichen des Abschieds, und eilte dann ein letztes Mal zu Kate hinüber, die schweigend einige Meter weiter weg gewartet hatte. Diese war zwar selbst keine Reiterin, und doch war ihr bei Vivians Stute etwas aufgefallen.
„Warum ist denn dein Pferd gesattelt?“, fragte sie stirnrunzelnd. „Ist das nicht …“ Sie riss überrascht die Augen auf, als sich Vivians Zeigefinger an ihre Lippen legte, um sie zum Schweigen zu bringen. Dann hörte sie ihre Freundin laut und vernehmlich: „Ich komme schon, Miss Goodhew!“, rufen, sah, wie sie ihr eine Kusshand zuwarf, von einem Ohr zum anderen grinste, zum Landauer eilte und dem zweiten Stallknecht ihre behandschuhte Rechte entgegenhielt, um sich hineinhelfen zu lassen. Kate überkam ein ungutes Gefühl.
Der Schlag schloss sich, die Kutsche setzte sich in Bewegung. Sie sah, wie Vivian ihre Nase an der Scheibe platt drückte und ihr zum Abschied zuwinkte.
Kate winkte zurück, doch ihr Gesicht blieb ernst. Sie ahnte, dass ihre stürmische Freundin dabei war, wieder einmal etwas höchst Unbedachtes zu tun. Und diesmal würde sie nicht in der Nähe sein, um sie davon abzuhalten oder sie vor den Folgen ihres Tuns zu beschützen.